Harmonische Daten / Teil 3

Nach Teil 1 und Teil 2, welche eher schulmeisterlichen oder aufklärerischen Charakter hatten, wirft dieser letzte Teil zahlreiche kritische Fragen zur Registerharmonisierung und zur Volkszählung auf.

Alles beginnt im Kleinen, meint der Volksmund. Volkszählungen sind zwar nicht neu. Neu ist hingegen die Art und Weise, wie «gezählt» wird. Und dieses Wie ist wahrlich nicht klein.

Was hier bezüglich Registerharmonisierung und Volkszählung umgesetzt wurde und noch weiter umgesetzt wird, ist «ein grosser Wurf» oder ein «Meilenstein» im Bereich der Registerführung sowie im Bereich Statistik.

Kritisch zu betrachten sind dabei die folgenden Aspekte:

  • Der digitale Datenaustausch zwischen amtlichen Behörden
  • Die Vereinheitlichung der Führung von Registern jegwelcher Art
  • Die Verknüpfungen von Daten aus mehreren (amtlichen) Registern
  • Datenschutz im Allgemeinen
  • Unklare gesetzliche Vorgaben
  • Der steigende Hunger nach Statistiken

Der digitale Datenaustausch

Wir leben nun einmal im digitalen Zeitalter, weshalb ein digitaler Datenaustausch an sich auch absolut «natürlich» erscheint. Es wäre wenig sinnvoll, in diesen Tagen eine Volkszählung basierend auf Papier durchzuführen.

Allerdings: Papier, und was sich auf diesem an Informationen befindet, ist schwer. Nicht schwer im physischen, sondern im übertragenen Sinne. Es übermittelt sich nicht so einfach wie digital vorhandene Daten.

Der Bankdatenklau in Deutschland macht das besonders deutlich. Würden diese Informationen nur in Papierform vorliegen, wären sie sicher schwerer zu kopieren, zu transportieren und vor allem auch auszuwerten als wenn sie in digitaler Form vorliegen. In Sekunden sind Daten kopiert, auf digitalem Wege verschickt und je nach Datenstruktur ausgewertet.

Auf den Punkt gebracht: Die digitale Form von Informationen über Personen stellt andere Anforderung an den Umgang mit diesen Informationen.

Ob sich dessen die Politik und die Behörden bewusst sind?

Kompetente Gesetzgeber?

In diesem Beitrag von Mitte Oktober 2009 zeigte die Augenreiberei auf, dass 71 Parlamentarierinnen und Parlamentarier oder knapp dreissig Prozent noch keinen eigenen Web-Auftritt haben.

Die Vermutung, dass wahrscheinlich auch keine dreissig Prozent der heutigen Bundespolitiker je einmal selber eine CD gebrannt haben, um nur schon eine Ahnung davon zu haben, wie schnell und einfach Daten kopiert und in eine physisch übertragbare Form gebracht werden können, ist wahrscheinlich nicht so falsch.

Wie sollen da diese Entscheidungsträger ein Gefühl für die Sensibilität von digital vorhandenen Daten und deren Übertragbarkeit haben?

Dass hier beim Gesetzgeber noch die alte Denke vorherrscht, zeigt sich auch beim Datenaustausch zwischen den Einwohnerregistern. Die Registerharmonisierung zielt ja auch darauf ab, dass bei Umzügen diese Daten  interkommunal und interkantonal ausgetauscht werden können – ob einem das nun gefällt oder nicht.

Trotzdem enthält das Registerharmonisierungsgesetzt (RHG) eine Meldepflicht, wonach sich jeder Umziehende innerhalb von 14 Tagen beim neuen Einwohneramt melden muss (Art. 11 lit. a).

Nun setzt man voll auf die Karte «digitaler Datenaustausch» und dann man muss sich trotzdem noch physisch beim neuen Einwohneramt melden? Wozu?

Um einen Fetzen Papier abzugeben, der im heutigen digitalen Zeitalter ohnehin auf der Basis eines eben harmonisierten Registers erstellt wurde? Wo bleibt da die Vereinfachung für den einfachen Bürger und dessen Bedürfnisse?

Vereinheitlichte Registerführung

Gegen eine Registerharmonisierung an sich, also ein einheitliches Führen von Registern, ist nichts einzuwenden. Allerdings: Jetzt, wo sich Gemeinden, Kantone und Bund offiziell zu einer einheitlichen Führung von Registern zusammenraufen konnten, wird diese Registerharmonisierung einen Standard setzen (in der Praxis gibt es schon lange einen Standard, ansonsten käme beispielsweise Ihre Post wohl nicht an).

Wenn es ein Recht
aufs eigene Bild gibt,
gibt es dann auch ein Recht
auf die eigenen Daten?

Wer morgen ein neues Register zu führen oder zu revidieren hat, der wird sich so weit wie möglich an dem orientieren, was im Rahmen dieser Harmonisierung beschlossene Sache ist. Das können Strafregister, Betreibungsregister, Steuerregister, Register mit medizinischen Angaben über Personen usw. sein.

Damit wird – gewollt oder auch nicht – die Grundlage geschaffen, dass «morgen» munter Daten zusammengeführt werden können, welche zusammengehören.

Jeder eine Nummer

Markant hierbei ist auch die Bedeutung der neuen, 13-stelligen AHV-Nummer. Sie ist das zentrale Element für die Einwohnerämter und wird entsprechend prominent im RHG und in der RHV erwähnt. Die neue Nummer wird jeder in der Schweiz lebenden Person vergeben und nicht nur jenen, die in Kontakt mit einem Sozialwerk treten (so wie das früher der Fall war).

Auch im Falle der neuen Versichertenkarte, welche in diesem Jahr kommen soll, spielt die AHV-Nummer eine zentrale Rolle. Sie dürfte wohl auch in weiteren Personenregistern zunehmend eine bedeutende Rolle einnehmen.

Die Tendenz hierbei ist klar: Wir bewegen uns von Bürgern mit persönlichen Namen hin zu staatlich verordneten, eindeutigen Nummern. So wird man Sie in Zukunft wohl des Öfteren weniger nach Ihrem Namen, sondern nach Ihrer AHV-Nummer fragen…

Immerhin: Für Neugeborene besteht noch keine Pflicht, sich unmittelbar nach der Geburt diese Nummer auf den Hintern tätowieren zu lassen… 😉

(Siehe dazu auch diesen Beitrag: «Anonyme Gesellschaft».)

Verknüpfungen von Daten aus anderen Registern

Der digitale Datenaustausch erfolgt seitens Gesetzgeber relativ bedenkenlos (siehe Bemerkungen oben und weiter unten zum Thema Datenschutz). Die Grundlage für eine eindeutige Identifikation von Personen ist geschaffen (siehe oben).

Auf dem Weg zum «gläsernen Bürger» fehlt jetzt eigentlich nur noch die Verknüpfung dieser Daten mit anderen Registern – und diese findet mindestens indirekt auch statt.

So wird beispielsweise ein Neugeborenes im Personenstandsregister «Infostar» vom jeweiligen Zivilstandsamt erfasst, was bei der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS) des Bundes die Generierung einer AHV-Nummer auslöst, welche dann automatisch den Einwohnerämtern zugestellt wird. Das klingt praktisch, tangiert aber nicht weniger als drei Register und verbindet diese über die einheitliche AHV-Nummer.

Ebenfalls in den Einwohnerregistern gespeichert wird neuerdings der eidgenössische Gebäude- sowie Wohnungsidentifikator (EGID/EWID). Hinter diesen Identifikatoren steckt nicht bloss nur eine Nummer, sondern stecken auch Informationen über das Gebäude und über die jeweilige Wohnung (siehe Details im Teil 1).

Da die Daten aus den Einwohnerregistern und aus dem Gebäude- und Wohnungsregister an die Bundesstatistiker übermittelt werden, wissen diese somit, dass Peter Muster, AHV-Nummer 756.1234.5678.97, geschieden, 48 Jahre alt, im 5. Stock an der Bümplizstrasse 99 in Zürich in einem 1958 erstellten, vor drei Jahren renovierten und mit Erdöl beheizten Gebäude eine 3-Zimmer-Wohnung mit 68 Quadratmeter und einer festen Kocheinrichtung bewohnt.

Neuer Massstab gesetzt

Natürlich interessieren die Statistiker die Angaben zur Einzelperson «Peter Muster» wenig. Auch sind diese Informationen noch relativ harmlos und dürfen nur «ohne Personenbezeichnungen (…) dauerhaft verknüpft und aufbewahrt» werden (Art. 16, Abs. 4 RHG).

Nichtsdestotrotz wird damit auf Stufe Bundesverwaltung zum ersten Mal eine Verbindung zu verschiedenen Registern geschaffen. Das ist dann nicht mehr so harmlos, denn das weckt weitere Begehrlichkeiten.

Tangieren digitale Daten
über eine Person nicht auch
deren Integrität?

Oder fänden Sie eine Statistik darüber, wie viele Einwohner schon einmal eine Betreibung erhalten haben oder schon einmal strafrechtlich verurteilt wurden, nicht auch interessant?

Oder wie wäre es mit einer Verbindung zu den Steuerregistern beziehungsweise den Steuerdaten: Wer wohnt wie in Bezug auf Einkommen, Vermögen und Steuerbelastung?

Ob sich die Politik bewusst war, was sie hier für eine Türe aufgestossen hat, als sie diese Verknüpfungen beschloss?

Um nicht falsch verstanden zu werden: Daten sollen und können verknüpft werden – solange sie keine Identifizierung erlauben. Für die Basisstatistiken, welche einzig auf den Angaben aus den verschiedenen Registern beruhen, hätte es gereicht, wenn diese Angaben schon seitens Einwohnerregister anonymisiert übermittelt würden.

Dagegen sprechen auch nicht die weiteren Stichprobenerhebungen, welche auf der Basis eines «zufällig ausgewählten Teils der Bevölkerung» zu erheben sind (Art. 6, Abs. 1 VZG).

Das Volkszählungsgesetz (Art. 12, Abs. 3) beziehungsweise das RHG bringen jedoch einen Vorbehalt an:

Art. 16, Abs. 3 RHG
«Es (Anm.: das BfS) kann Daten nach Artikel 6, Buchstaben a-h, j, k und m als Adressverzeichnis für die Durchführung statistischer Erhebungen verwenden.»

Oder auf gut deutsch: Nur damit das BfS ein Adressverzeichnis hat, werden die Daten seitens Einwohnerregister inklusive Namen usw. ans BfS übermittelt.

Dazu muss man noch wissen, dass gemäss Statistikerhebungsverordnung die Telekom-Anbieter verpflichtet sind, sämtliche Festnetz-Rufnummern inklusive Namen und Adresse dem BfS zu melden und zwar auch dann, wenn jemand in keinem Verzeichnis enthalten ist. Das BfS besitzt somit bereits über ein Adressverzeichnis.

Dieses bezieht sich zwar nur auf die Festnetz-Anschlüsse, doch liesse sich diese Verordnung vom Bundesrat relativ einfach auf Mobiltelefone erweitern.

Und wenn der Bund davon ausgeht, dass heute ohnehin jeder Radio und TV auf irgendeinem Gerät hören und schauen kann und deshalb die entsprechenden Gebühren von allen Haushalten und Unternehmen verlangt, dann kann auch davon ausgegangen werden, dass heute jeder über einen Telefonanschluss erreichbar ist.

Es bestünde somit kein Grund, in den Daten seitens Einwohnerregister auch AHV-Nummern, Namen und Adressen mitzuliefern, welche ohnehin seitens BfS pseudonymisiert werden müssen (Art. 26, Abs. 5 VZV). Es gäbe andere, bestehende Möglichkeiten für ein Adressverzeichnis zwecks Durchführung von Stichprobenerhebungen…

Datenschutz im Allgemeinen

Gemessen daran, dass der Begriff Datenschutz kaum eingehend abgehandelt wird, zeigt sich auch die mangelnde Sensibilität seitens der Gesetzgeber, was Daten im Allgemeinen betrifft.

In der vom Bundesrat festgelegten Registerharmonisierungsverordnung (RHV) ist ein allgemeiner Passus zum Datenschutz enthalten:

Art. 4 RHV
«Die für die Register nach Artikel 2 RHG zuständigen Stellen (registerführende Stellen) sind für die Einhaltung des Datenschutzes im Rahmen der Registerführung selber verantwortlich.»

Das klingt gut – aber nach welchen Regeln läuft dieser Datenschutz ab? Was haben Sie als betroffene Person beispielsweise für Rechte?

Das eidgenössische Datenschutzgesetz gilt nur für Private und für die Bundesstellen, nicht aber für die kommunalen und kantonalen Verwaltungen und damit nicht für die Einwohnerämter. Diese haben ihre eigene Gesetzgebung.

Wenn also Daten zwischen den Einwohnerregistern, also zum Beispiel vom Einwohneramt der Stadt Zürich zum Einwohneramt der Stadt Luzern übermittelt werden, welche Gesetzgebung bezüglich Datenschutz kommt dann zur Anwendung? Der eidgenössische Gesetzgeber hätte gut daran getan, dieses rechtliche Dilemma auszuräumen, denn die jetzige Situation passt irgendwie auf keine Kuhhaut…

Im vom Parlament verabschiedeten Registerharmonisierungsgesetz (RHG) taucht der Begriff «Datenschutz» gerade einmal auf und bezieht sich dabei auf die Weitergabe der «Daten ohne Personenbezeichnungen und ohne Versichertennummer» an «andere Amtsstellen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden sowie Privaten für Zwecke der Statistik, Forschung und Planung» (Art. 17, Abs. 3 RHG).:

Art. 17, Abs. 5 RHG
«Das Bundesamt gibt die Daten nur weiter, wenn der Datenschutz sichergestellt ist und die notwendigen vertraglichen Vereinbarungen getroffen worden sind.»

Auch das ist sehr schwammige definiert und wirft mehr Fragen auf als es beantwortet. So ist auch hier nirgends erwähnt, wonach sich der erwähnte Datenschutz zu richten hat. Gilt die eidgenössische Datenschutzgesetzgebung, weil die Daten vom BfS stammen? Und falls ja, warum wird darauf nicht Bezug genommen?

Doch auch die erwähnten «vertraglichen Vereinbarungen» werfen Fragen auf, sind sie doch in der Verordnung zur Registerharmonisierung (RHV) nicht weiter erläutert. Was genau haben diese zu beinhalten? Wonach haben sich diese zu richten? In welcher Form sind sie festzuhalten?

Offen bleibt in diesem Zusammenhang auch, nach welchen Kriterien das Bundesamt für Statistik (BfS) entscheidet, an wen und in welcher Form Daten weitergegeben werden dürfen. Die Begriffe «Statistik, Forschung und Planung» sind ja äusserst dehnbar…

Immerhin ist im Volkszählungsgesetz die Rede von Rechten der Auskunftspflichtigen:

Art. 12, Abs. 5 VZG
«Der Bundesrat erlässt nähere Bestimmungen über den Datenschutz, insbesondere über die Rechte der Auskunftspflichtigen und die Vernichtung der Erhebungspapiere nach der Datenerfassung.»

In einem Artikel, welcher sich eigentlich um den Umgang mit Daten beschäftigt, nehmen wir das mit den «Erhebungspapieren» einmal nicht so genau… (vorzumerken für eine allfällige Revision: «Erhebungsdaten»)

Die Sache mit diesen Rechten der Auskunftspflichten, also unseren Rechten, hat nur einen Haken: Die vom Bundesrat erlassene Volkszählungsverordnung enthält keine Rechte…

Wenn Dritte ins Spiel kommen

Nicht ganz unproblematisch ist die Beteiligung Dritter am ganzen Registerharmonisierung- und Registerunterhaltungsprozess. So haben Sie eine Meldepflicht, sollten Sie umziehen. Das scheint heute gängige Praxis zu sein, sofern Sie in ein anderes Haus umziehen.

Aufgrund der Zuordnung eines Wohnungsidentifikators heisst das aber auch, dass Sie selbst einen Umzug innerhalb des gleichen Hauses dem Einwohneramt mitteilen müssen.

Kommen Sie dieser Meldepflicht nicht nach – weil Ihnen das bis anhin auch niemand gesagt hat – können die Einwohnerämter bei Arbeitgebern, Vermietern, Liegenschaftsverwaltungen oder weiteren Logisgebern anfragen. Ebenso teilt die Post auf Anfrage den Einwohnerämtern die Zustelladresse mit (Art. 12 RHG).

Wie diese «Anfrage» aussehen und was die Antwort darauf beinhalten soll oder darf (Name? Adresse? Geburtsdatum? Wohnungsidentifikator? usw.), ist nicht weiter spezifiziert. Hier sind die Kantone aufgefordert, die entsprechenden Vorschriften zu erlassen. Das Zustellen einer Kopie der Mietverträge wäre in jedem Fall gegen das eidgenössische Datenschutzgesetz, an welches sich Private wie eben zum Beispiel Liegenschaftsverwaltungen zu halten haben.

Weitere unklare Punkte

Die Gesetzgebung betreffend Volkszählung, einschliesslich Registerharmonisierung, enthält eine Reihe von Punkten, welche bei uns einfachen, 13-stelligen AHV-Nummerinhabern schwer einzuordnen sind und weitere Fragen aufwerfen.

Erhebung vs. Veröffentlichung

Dazu gehören der Übermittlungsrhythmus und der Veröffentlichungsrhythmus dieser Informationen. Die registerführenden Stellen haben nämlich ihre Daten vierteljährlich dem BfS zuzustellen (Art. 8, Abs. 1 RHV).

Das BfS wertet diese Daten aber nur einmal jährlich aus (Art. 18, Abs. 1 VZV). Der Bundesrat wiederum «stellt die Wohnbevölkerungszahlen alle vier Jahre fest» (Art. 13 VZG).

Wozu dieser enorme Datenverkehr, wenn dann letzten Endes ohnehin nur alle vier Jahre eine Zahl hochoffiziell festgehalten wird? Oder wiehert hier vielleicht der Amtsschimmel?

Es ist wenig glaubwürdig, wenn bezüglich RHG argumentiert wird, dass das Bedürfnis nach aktuellen Informationen stetig steige, dann aber das BfS und der Bundesrat diese Zahlen weniger häufig veröffentlichen als sie sie selber erhalten. Irgendwo geht da die Rechnung nicht auf.

Betriebs- und Unternehmensregister?

Stirnrunzeln verursachte auch dieser Absatz, der so irgendwie zu gar nichts passen will und quer in der Landschaft steht:

Art. 26, Abs. 3 VZV
«Die Merkmale Name und Adresse der Arbeitsstätte oder der Schule dürfen zur Verbesserung der Qualität des Betriebs- und Unternehmensregisters in dieses übernommen werden.»

Der «Amtliche Katalog der Merkmale» bezüglich Registerharmonisierung enthält keine Arbeitsstätte und keine Schulen. Das übergeordnete Volkszählungsgesetz erwähnt in keinem Wort etwas von einem Betriebs- und Unternehmensregister.

Auf wessen Basis also beruht der oben zitierte Absatz? Welche weitere Daten-Verstrickung enthält man uns vor?

Zurück zum Absender?

Art. 17, Abs. 2 des RHG erwähnt, dass die Gemeinden und Kantone für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet ebenfalls Anrecht aufs schon erwähnte Adressverzeichnis «für die Durchführung statistischer Erhebungen» haben.  Was das auch immer für Erhebungen sein mögen, lassen wir einmal ausser acht.

Dieses Adressverzeichnis basiert auf den von den Einwohnerämtern zugestellten Daten. Das heisst, der fragliche Absatz erlaubt dem BfS, den Gemeinden und Kantonen jene Adressdaten zuzustellen, welche es selber von genau diesen Gemeinden und Kantonen erhalten hatte. Klingt unheimlich logisch…

Obligatorisch vs. faktulativ

Der so genannte «Amtliche Katalog der Merkmale» informiert im Detail darüber, welche Informationen pro Person zu übermitteln sind oder nicht (siehe Teil 1).

Es gibt dabei auch Informationen, welche nur fakultativ in den jeweiligen Registern geführt werden müssen. Wenn es nur Kann-Informationen sind, weshalb werden sie dann überhaupt in diesen Katalog aufgenommen?

Nichts an Dritte – und eben doch an Dritte

Art. 27. Abs. 2 der RZV meint:

«Das Adressverzeichnis darf nicht an Dritte weitergegeben werden.»

Hierbei ist noch festzuhalten, dass der genannte Absatz keine Ausnahmeregelung enthält.

Zugleich meint aber Art. 9, Abs. 2 des VZG:

«Das Bundesamt für Statistik kann Dritte mit den Erhebungen betrauen.»

Heute ist bekannt, dass dies für die Stichprobenerhebungen das privatrechtliche Link-Institut ist. Nur: Wen rufen diese an, wenn sie gar nicht ans fragliche und hier in Frage gestellten Adressverzeichnis gelangen dürfen?

«Nicht bestimmbare Personen»

Gemäss Art. 12, Abs. 4 sind die Resultate der Erhebungen so zu veröffentlichen, «dass die betroffenen Personen nicht bestimmbar sind.» Nun gibt es aber bekanntlich Gemeinden, die so klein sind, dass jeder sofort aus dem Rahmen fällt, sobald er nicht gleich «tickt» wie die anderen.

Wenn also beispielsweise ein 300-Seelen-Dorf zwei Muslime aufweist, dann dürfte relativ schnell bekannt sein, um wen es sich handelt. Es wird somit von Fall zu Fall nicht einfach sein, dieser Anforderung des Nicht-Bestimmbaren nachkommen zu können.

Der steigende «Hunger» nach Statistiken

Immer mehr und immer schneller will man mittels Statistiken Informationen über eine Sache erhalten. Das Volkszählungsgesetz bezweckt, Grundlagen zu liefern für (Art. 2. VZG):

  • Planungen
  • politische Entscheide
  • die Forschung
  • die Information der Öffentlichkeit
  • die Erstellung anderer Statistiken

«Planung» steht nicht nur hier an erster Stelle, sondern auch im VZG. Man scheint dabei vergessen zu haben, dass Statistiken immer nur auf der Vergangenheit beruhen, Planung sich jedoch auf die Zukunft bezieht.

Wenn somit das Argument «Planung» ins Feld geführt wird, dann basiert die Planung von Zukünftigem auf Vergangenem.

Ist das richtig?

Natürlich erlauben mehrfache Erhebungen über einen gewissen Zeitraum eine gewisse Tendenz auszumachen: Zeigt die Kurve über die Anzahl X oder Y nach oben oder nach unten?

Doch wie sich diese statistische Kurve weiterbewegen wird, darüber gibt keine Statistik Auskunft. Dafür sind nicht die Statistiker zuständig, die immerzu nur die Vergangenheit aufarbeiten, dafür wären dann schon eher Astrologen zuständig, die nur in die Zukunft schauen… 🙂

Was in der Liste oben fehlt, ist die Beurteilung oder das Messen von zurückliegenden, politischen Entscheiden. Hat beispielsweise die neue Steuerpolitik der Gemeinde X oder des Kantons Y zu mehr Bewohnern geführt?

Mehr als das sollte die Politik nicht aus Statistiken ziehen. Sie sollte sich nicht von Statistiken steuern lassen, sondern Statistiken sollten nur bestätigen, ob ein unabhängig getroffener Entscheid in die gewünschte Richtung geht.

Ist das heute der Fall oder suchen viele Politikerinnen und Politiker ob den angeblich unsicheren Zeiten nicht auch Halt hinter Statistiken?

Braucht jemand Statistiken, der eine klare Vision hat?

Quellen:

  • Volkszählungsgesetz (inoff. Abkürz.: VZG)
  • Volkszählungsverordnung (inoff. Abkürz.: VZV)
  • Registerharmonisierungsgesetz (RHG)
  • Registerharmonisierungsverordnung (RHV)
  • Amtlicher Katalog der Merkmale (Merkmalskatalog)
  • Gebäude -und Wohnungsregisterverordnung (GWR-VO)
  • Statistikerhebungsverordnung (inoff. Akürz.: StatErh-VO)
  • Website des Bundesamts für Statistik (BfS): Registerharmonisierung
  • Website des Bundesamts für Statistik (BfS): Volkszählung

4 Antworten auf „Harmonische Daten / Teil 3“

  1. Chapeau, ist ja extreeem ausführlich (inkl. Teil 1 + 2…) und die Kritikpunkte leuchten mir absolut ein. Dass statistische Daten nicht anonym übermittelt werden, verursacht schon Schmerzen – so naiv kann man doch nicht sein!? Auch wenn ich verstehe, dass alles sooo viel einfacher ist mit Zugriff auf alle Daten. Man muss den Datenkönigen ja nicht mal böse Hintergedanken unterstellen – das Stichwort ist wohl Unsensibilität (wie du auch schon schreibst).

    Und dann ist mir noch diese Website wieder eingefallen, die demonstriert, wie Anonymität durch die Kombination mehrerer Merkmale wegfällt: https://panopticlick.eff.org/ (womit ich nicht suggerieren will, dass das vergleichbar ist, aber ist ein grosser „Spass“ und hält die Datenschutz-„Paranoia“ aufrecht ;))

  2. Jetzt hast Du mich aber ziemlich erschreckt mit Deinem Kommentar: Ich hätte nicht gedacht, dass sich bei dieser komplexen Materie tatsächlich jemand bis zum Schluss durchliest… 😉

    Ich würd’s mal (plakativ) so sagen: Das BfS diktiert, was Bundesrat und Parlament abzusegnen haben und mangels entsprechender Kompetenz in den jeweiligen Räten winkt man die Sache durch. Das ist jetzt wirklich sehr plakativ, denn es wird bestimmt der eine oder andere den Finger bezüglich Daten- und Persönlichkeitsschutz erhoben haben (ich habe mir die Mühe nicht gemacht, die Debatten von damals nachzulesen), niemandem ist jedoch «eingefallen», wie man es besser machen könnte.

    Aber: Hand aufs Herz, wie viele von uns sind sich bewusst, was sie über sich via www in die Welt hinaustragen? Das ist keine Entschuldigung dafür, dass man trotzdem Daten en masse über eine Person speichert, anonymisiert oder nicht.

    Es zeigt eben einfach, wie wenig sensibilisiert wir zum Thema «eigene Daten» sind. Wohin die Reise geht, weiss ich auch nicht genau. Was ich aber weiss, ist, dass es sicher nicht weniger Daten über jeden von uns geben wird. Und genau darum halte ich immer wieder mal den Finger aufs Thema und erhebe ihn zu einem Mahnfinger, obschon das manchmal etwas paranoid erscheint…

  3. Ich wollte also nicht sagen, dass ich es paranoid finde, das war eher Selbstironie 😉 Die Datenschutz-„Paranoia“ ist auf jeden Fall gerechtfertigt, und gerade von einem Staat würde ich erwarten, nicht wie eine Dampfwalze vorzugehen.
    Zur Zeit gibt es ja eine Gruppe von Leuten, die sehr sensibel bei Datenschutz-Themen ist, und gerade im Internet treiben sich die gerne rum, wie man hört 😉 Darum kommt es mir immer wieder schräg rein, wie wenig sensibel man auf der anderen Seite vorgeht 🙁

  4. Nachtrag:
    Inzwischen habe ich verstanden, weshalb der Bundesrat trotz vierteljährlichem Datenverkehr ans BfS nur alle vier Jahre die Bevölkerungszahl hoch offiziell festlegt.

    Die Erklärung findet sich im Bundesgesetz über die politischen Rechte und dessen Art. 16 über die Verteilung der Nationalratssitze. Hierfür ist bekanntlich die Bevölkerungszahl pro Kanton massgeblich, ergo muss diese einmal alle vier Jahre verbindlich festgenagelt werden.

    Darauf muss man erst kommen, im genannten Gesetz zu suchen, zumal im Volkszählungsgesetz kein Grund angegeben ist für die Festlegung der Bevölkerungszahl alle vier Jahre…

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