Digitale Schlachtfelder

In der analogen Welt der westlichen Industrienationen herrscht seit Jahrzehnten Frieden. Derweil tobt an vielen Fronten ein Kampf um digitale Daten…

Die vergangene Woche war geprägt von Nachrichten darüber, wer über welche Informationen verfügen darf und soll. Einen direkten Zusammenhang zwischen den Ereignissen gibt es offensichtlich nicht.

Trotzdem gibt es einen. Doch gehen wir vorerst die verschiedenen Ereignisse durch.

Pauschale Geldflusskontrolle

Da wäre zuerst einmal das so genannte Swift-Abkommen, welches vom EU-Parlament am vergangenen Donnerstag zurückgewiesen wurde. Dieses hätte es den USA ermöglicht, sämtliche Geldüberweisungen aller EU-Bürger überwachen zu können und zwar im Rahmen des – wie könnte es anders sein – «Kampfs gegen den Terrorismus».

Diese Überwachung seitens der USA fand bereits nach dem 11. September 2001 statt – allerdings ohne Wissen der Betroffenen. Die belgische Swift, welche als Drehscheibe für Finanz- und Wertschriftentransaktionen zwischen den Geldinstituten in Europa gilt, hatte nämlich sämtliche Transaktionen auf Server in die USA gespiegelt.

Dieses Spiegeln auf einen Zweitserver, welcher geografisch an einem anderen Ort liegt, ist aus Sicherheitsüberlegungen üblich. Doch die physische Präsenz dieser Daten in den USA erlaubte den dortigen Behörden Zugriff darauf zu nehmen – vorerst im Geheimen. Als dies bekannt wurde, änderte Swift seine Systemarchitektur, indem diese Daten seit diesem Jahr auf Servern im Raum Zürich gespiegelt werden.

Dadurch ist den US-Behörden der Zugriff nicht mehr möglich und ein entsprechendes Abkommen zwischen den USA und der Schweiz besteht nicht, eine Anfrage für ein solches Abkommen übrigens auch nicht. Daher drängte sich ein Abkommen direkt zwischen den USA und der EU auf.

Nun hat das EU-Parlament dieses eben bachab geschickt. Das Thema dürfte allerdings nicht vom Tisch sein, denn das fragliche Abkommen war ohnehin nur auf neun Monate beschränkt und sollte dann durch ein definitives Abkommen abgelöst werden. Eine Fortsetzung dürfte also folgen.

Versteckte Bilder

Auf der anderen Seite wurden vergangene Wochen Bilder veröffentlicht, welche bislang von den US-Behörden unter Verschluss gehalten wurden. Es handelt sich um Luftaufnahme der Anschläge vom 11. September 2001 auf die beiden New Yorker «Twin Towers».

Der Zürcher Tages-Anzeiger titelte dazu «Wie man 9/11 noch nie gesehen hat» und SF Tagesschau spricht von «Neue Bilder (…) schockieren die Welt».

Was daran so schockierend sein soll, hat man in der Augenreiberei allerdings nicht verstanden.

Eher schockierend ist es, dass diese in der Sache eher harmlosen Bilder (sie zeigen nichts Neues) erst dadurch veröffentlicht wurden, weil der TV-Sender «ABC News» deren Veröffentlichung auf dem Rechtsweg erwirkte.

Ebenfalls schockierend ist es, dass kein hiesiges Medium danach fragt, was denn an diesen Bildern so speziell ist, um sie jahrelang geheim zu halten… Unter den gegebenen Umständen scheint auch die Frage legitim zu sein, was denn die US-Behörden sonst noch für Informationen zurückhalten?

Merke: US-Behörden nehmen gerne Informationen entgegen, geben jedoch ungern Informationen heraus – beides aus nicht immer einleuchtenden Gründen.

Kopierte Bankdaten

Von staatlichen Behörden, vorab von solchen in Westeuropa, erwartet man eigentlich jederzeit ein «anständiges Verhalten».

Stattdessen stürzen sich Frankreich und Deutschland wie Hyänen auf CDs mit kopierten Bankdaten – rechtsstaatliche Prinzipien hin oder her. Kaum ist der Durst nach dem gelöscht, was man auf legalem Weg nicht erhalten konnte, betont man artig: «Aber wir bleiben trotzdem Freunde, nicht wahr?»

Dass mit dem Kauf illegal erworbener Daten durch staatliche Behörden Tür und Tor fürs Kopieren weiterer Daten geöffnet wird – egal ob es sich nun um Bankdaten oder sonstige Daten handelt – scheinen sich diese nicht bewusst zu sein.

So dreht nun der SVP-Nationalrat Alfred Heer den Spiess um und droht damit, Daten von deutschen Politikern und Richtern zu veröffentlichen. Es ist gut möglich, dass es sich dabei bloss um einen Bluff handelt.

Nichtsdestotrotz macht es deutlich, dass die «staatlich tolerierte» Praxis des Kaufs illegal erworbener Daten sich durchaus auch gegen jene richten kann, welche bis anhin eine solche Praxis vehement befürworteten.

Automatischer Informationsaustausch

Längerfristig ist ohnehin die Rede von einem automatischen Informationsaustausch. Von einem gläsernen Bürger darf trotzdem nicht die Rede sein, wenn man den jüngsten Aussagen des EU-Botschafters in der Schweiz, Michael Reiterer, Glauben schenken darf:

«Das Gerede vom gläsernen Bürger ist eine masslose Übertreibung».

Das meint er, nachdem er zwei Sätze zuvor von «alle Zeichen stehen auf Transparenz» sprach. Ist Glas denn normalerweise nicht transparent? Oder denkt er vielleicht an Milchglas, also an einen milchgläsernen Bürger? 🙂

Reiterer meint weiter:

«Der Informationsaustausch bringt nicht diese Datenschwemme, wie manche glauben.»

Ob sich Herr Reiterer bewusst ist, dass dieser Informationsaustausch im Sinne der Gleichbehandlung dann auch für sämtliche europäischen Geldinstitute gilt und dass die EU alleine eine halbe Milliarde Bürger zählt, von denen vermutlich jeder mehr als nur ein Bankkonto hat?

Datenaustausch nur zum eigenen Vorteil

Wie auch immer, interessant ist, dass Frankreich und Deutschland zu jenen Ländern gehörten, welche zum oben erwähnten Swift-Abkommen aus Daten- und Rechtsschutzgründen kritisch gegenüber standen.

Es geht dabei zwar nicht um die gleichen Daten. Ebenso ist auch die Motivation eine andere, an diese Daten zu gelangen. Doch letzten Endes geht es in beidem Fällen einerseits um einen pauschal und indirekt erhobenen Verdacht und andererseits um die Privatsphäre aller Bürgerinnen und Bürger.

So zeigt sich im bisherigen Verhalten, dass EU-Länder wie Deutschland oder Frankreich einem Datenaustausch positiv gegenüberstehen, wenn er zu ihrem eigenen Vorteil ist (automatischer Informationsaustausch), jedoch kritisch eingestellt sind, wenn sie davon nichts haben (Swift-Abkommen).

Was hat das nun alles miteinander zu tun?

Daten zum «Kampf gegen irgendwas»

Es scheint zum vorherrschenden Zeitgeist zu gehören, über alles und jeden Bescheid zu wissen, welcher sich im eigenen «Einflussbereich» befindet. Es tobt regelrecht ein Kampf um Informationen über dieses Alles und Jeden, nur dass kein reelles Schlachtfeld sichtbar ist, welches uns vor Augen führt, was hier tatsächlich abläuft.

Das Ganze soll vordergründig dazu dienen, Unrecht aufzudecken oder vorzubeugen. Die «Brands» dazu lauten «Kampf gegen den Terrorismus» oder «Kampf den Steuerhinterziehern und -betrügern». Das klingt süffig und dagegen kann auch kaum jemand etwas einwenden.

Störend ist dabei allerdings, dass die einzelnen Staaten ziemlich unzimperlich vorgehen. Bisher geltende Grundrechte sowie bisherige Sitten und Gebräuche scheinen jetzt nicht mehr zu gelten.

Unausgesprochen hat stattdessen zu gelten, dass wir, die grosse Masse, dieses Opfer erbringen müssen – selbstverständlich immer zu unserem aller Wohl…

Störend ist andererseits aber auch, dass man gar nicht darauf bedacht ist, die bisherigen «Umgangsformen» gegenüber dem einzelnen Bürger aufrecht zu erhalten.

Das zeigt sich beispielsweise bei den Vermögen ausländischer Staatsangehöriger. Eine Art Vermögenssteuer, wie wir das hierzulande kennen, scheint kein Thema zu sein. Der EU-Botschafter meint dazu, dass 35 Prozent nichts bringen würden, da im Herkunftsland mit einer Steuer von 40 bis 50 Prozent zu rechnen sei.

Warum spricht denn niemand davon, diese Abgeltungssteuer, welche man ja wieder via Steuererklärung zurückfordern kann, beispielsweise auf 80, 90 oder gar 100 Prozent zu setzen?

Dass man auch nicht darauf bedacht ist, die bisherigen Umgangsformen aufrecht zu erhalten, zeigt sich auch darin, dass es offensichtlich keine Diskussion darüber gibt, weshalb es überhaupt zur Steuerflucht kommt. Man schlägt den Sack und meint den Esel. Oder man schlägt die Schweiz und meint eigentlich die eigenen Staatsangehörigen.

Privatsphäre vs. Transparenz

Natürlich sind die «Rahmenbedingungen», sprich das Bankgeheimnis, welche die Schweiz bietet, und nicht zuletzt auch das Verhalten der offiziellen Schweiz und der Schweizer Banken zum Thema Bankgeheimnis nicht über alle Zweifel erhaben und dies nicht erst seit einigen Monaten.

Wenn das Bankgeheimnis tatsächlich und ausschliesslich dem Schutz der Privatsphäre dienen soll, dann hätte dieses beispielsweise mit einer Abgeltungssteuer spätestens dann nachgebessert werden müssen, als die ersten Fälle bekannt wurden, bei denen dieser Schutz missbräuchlich, also zum Verstecken von Vermögenswerten und deren Erträge, verwendet wurde.

Stattdessen scheint das Bankgeheimnis nun ganz zu fallen – und damit auch der bisherige Privatsphärenschutz. Im Sinne der Gleichbehandlung überrascht es da auch nicht, dass nun auch die kantonalen Finanzdirektoren vorstellig werden, obschon noch im November 2009 der Bundesrat diesem Ansinnen eine Abfuhr erteilte.

Damit könnten nun plötzlich auch die Schweizer direkt von dieser Debatte betroffen sein, einer Debatte, welche bislang fern von den eigenen Bankkonten zwischen dem fernen Bern und dem noch ferneren Berlin geführt wurde.

Die kantonalen Finanzdirektoren schliessen sich mit ihrer Forderung um Gleichbehandlung auf jeden Fall dem aktuellen Zeitgeist an: Alles und jeder ist verdächtig, denn von allem und jedem will man die entsprechenden Daten erhalten.

Unschuldsvermutung: Ein Relikt aus analogen Zeiten?

Einen Anfangsverdacht braucht es nicht mehr. Man beschafft sich zuerst alle Informationen über eine Person und macht daraus dann «irgendetwas». Es kommt eigentlich einer Umkehrung der Unschuldsvermutung gleich.

Herr Reiterer spricht im Falle des automatischen Informationsaustausches zwar nur von «Stichproben». Dabei hat er wohl dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht genau zugehört.

Dieser hatte nämlich die illegal beschafften Bankdaten gekauft, weil «wir auch die Verpflichtung haben, im Interesse der Gerechtigkeit und des Vertrauens der Menschen in die Fairness unseres Sozialstaates, die Gesetzmässigkeit der Besteuerung auch im Verwaltungsvollzug durchzusetzen».

Bei diesem Argument braucht es daher schon eine gehörige Portion Naivität um zu glauben, dass es nur Stichproben geben soll, denn schliesslich kann Schäubles Argument im gleichen Sinne auch für rechtmässig erhaltene Daten und deren kategorischen Auswertung angewandt werden.

Im Falle der Swift-Transaktionen, oder generell bei Geldtransaktionen, ist seitens der US-Behörden kaum nur mit Stichproben zu rechnen. Da wird wohl nach bestimmten Kriterien automatisch ausgesiebt, was auffällig erscheint, egal um wenn es sich handelt. Der Generalverdacht gilt auch hier, einen Anfangsverdacht gibt es nicht mehr.

Ob all dem ist nicht zu erkennen, dass man die bisherigen Grundrechte, namentlich das Recht auf Privatsphäre, bewahren will. Man lässt das ganze Heu durch den Schredder, um dann vielleicht auf die berühmte Nadel im Heuhaufen zu stossen. Eine andere Methode, diese Nadel aufzufinden, wird gar nicht erst in Erwägung gezogen.

Es geht nicht (nur?) um Unrechtsbekämpfung

Genau darum ist das Argument, es ginge um die Bekämpfung und Vorbeugung von Unrecht, nicht sehr plausibel. Es scheint vielmehr vor allem nur um eines zu gehen: Kontrolle.

Sie kennen bestimmt den folgenden Spruch: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Oder andersrum: Weil man nicht (mehr) vertraut, kontrolliert man und zwar kategorisch, denn es sollen ja auch immer alle Daten von allen fliessen. Ziel dabei ist es, Herr über eine Sache zu sein und zu bleiben und den Überblick immer zu bewahren.

Besonders deutlich wird das bei einer anderen Meldung von vergangener Woche: Irans Regierung schränkt den E-Mail-Verkehr ein. Es ist ja bekannt, dass Irans Opposition vor allem Internet dazu benutzt, um sich nicht nur zu organisieren, sondern auch um darüber zu berichten, was im Iran abläuft.

Indem Irans Regierung den E-Mail-Verkehr kontrolliert, indem sie ihn einschränkt, verhindert sie, dass sich die Opposition organisieren kann und sichert damit ihre eigene Position ab.

China ist da bekanntlich auch nicht anders. Gerade kürzlich kam es zum Eklat, weil Google – nach Hackerattacken aus China – nicht mehr länger die eigene Suchmaschine zensurieren mochte. Auch hier zeigt sich, dass die führende Riege ihre Macht sichern will, indem in diesem Fall Kontrolle darüber ausgeübt wird, was der einfach Internet-Nutzer in China (nicht) sehen und lesen darf.

Es sind die Ängste der Machthaber, ihre Macht zu verlieren, welche sie zu diesen Kontrollen treiben. Wir schütteln darob den Kopf und nicken artig, wenn dazu dann eine NZZ «China im Kontrollwahn» titelt.

Im Wechselbad der politischen Kurse

Und die USA? Frankreich? Deutschland? Sind diese nicht auch in einem Kontrollwahn, wenn sie über alle Finanztransaktionen und alle Erträge Bescheid wissen wollen, weil sie dem Einzelnen offenbar nicht mehr (ver)trauen?

Es ist wohl alles eine Frage des jeweiligen Standpunkts und des jeweiligen Zeitgeists. So empfinden wir die Kontrollen der westlichen Staaten als weniger dramatisch, weil Regierungen an der Macht sind, welche einerseits demokratisch gewählt sind und hinter welchen man gerade deswegen andererseits nichts «Böses» vermutet.

Demokratie alleine ist jedoch kein Garant dafür, dass alles immer nur rechtmässig abläuft, es keine Missbräuche gibt oder Grundrechte nicht hinterfragt oder gar beschnitten werden. Vieles hängt vom politischen Kurs jener Parteien ab, welche an einer Regierung beteiligt sind.

So ist es in Italien möglich, dass ein demokratisch gewählter Ministerpräsident Gesetze so hinbiegt, dass er selber für seine Vergangenheit rechtlich nicht belangt werden kann. Und die USA stecken unzählige Häftlinge mit dem Segen eines demokratisch gewählten Präsidenten in ein Gefängnis auf Kuba – und foltern diese auch noch.

Machen wir uns nichts vor: Demokratie schliesst ein willkürliches Verhalten nicht aus, sondern kann dieses, weil demokratisch (wieder)gewählt, sogar noch legitimieren. Demokratie ist auch nicht Synonym für Rechtsstaatlichkeit und bietet auch kein Garantie für eine kategorische Einhaltung der Menschenrechte – siehe Guantanamo.

Eine Spirale des gegenseitigen Misstrauens

Da ungewiss ist, wer in einer Demokratie bei den nächsten Wahlen insbesondere im Ausland an die Macht kommt, bleibt auch ungewiss, wie die neue Regierung mit den unzählig gesammelten Informationen in Datenform umgehen wird.

Was heute noch Stichproben sind, können morgen schon kategorisch durchgeführte Kontrollen sein. Und wer heute noch als unverdächtig ist, gilt morgen schon als verdächtig – je nachdem, wie der politische Wind gerade weht, welcher den jeweils aktuellen Zeitgeist mitbestimmt.

Gerade wegen dieser Ungewissheit, gerade weil man nicht darauf vertrauen kann, wer nach den nächsten Wahlen die Zügel wie straff in der Hand hält, ist besonders gegenüber staatlichen Datensammlern ein vernünftiges Mass an Misstrauen angebracht.

Dies kann zu einer Spirale gegenseitigen Misstrauens führen: Der Staat traut gleich allen Bürgern nicht mehr, sondern verdächtigt sie pauschal und will darum alles über sie wissen. Und die Bürger trauen dem Staat nicht mehr und verdächtigen ihn ebenfalls pauschal der (unlauteren) Kontrollen.

So tut sich ständig ein grösserer Graben auf zwischen den staatlichen Behörden und den ihnen übergeordneten politischen Verantwortlichen einerseits und den einfachen Bürgern andererseits.

Kontrolle ist gut. Für die weitere Zukunft, insbesondere um ein Klima des gegenseitigen Misstrauens zu verhindern, wäre Vertrauen aber besser. Und das entsteht nicht auf der Basis von Daten, sondern auf der Basis von ganz direkten, «analogen» Kontakten.

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12 Antworten auf „Digitale Schlachtfelder“

  1. Ich möchte hier ein paar kleine Sachen herauspicken:
    – A. Heer präsidiert einen „Bund der Steuerzahler“. Pikant, wenn dieser Verein jetzt ausgerechnet Steuerhinterzieher schützen will.
    – Unschuldsvermutung: Ja, wenn die deutschen oder französischen Behörden auf konkrete Nachfrage keine Antwort bekommen, dann fordern sie halt alle Informationen und beantworten sich die Fragen selbst.
    – Privatsphäre: Sind es nicht +- dieselben Kreise, die hier protestieren, aber unsere öffentlichen Plätze mit Kameras voll hängen, weil ein braver Bürger angeblich nichts zu verbergen hat? Was hat den der brave Bürger auf seinem Bankkonto zu verbergen?
    .- Swift: Der „Kampf gegen den Terror“ muss mittlerweile für alles hinhalten. Hier besteht wohl eine Vertrauenskrise zwischen Europa und USA. Nur was wir selbst auswerten, stimmt, sagen sich die Amerikaner. Und reagieren doch genau so wie die Schweiz – resp. ihre Repräsentanten. Gegenseitiges Misstrauen hat seine Geschichte. Hätten wir doch wenigstens in der Schweiz ein paar Leute, die fähig wären, wieder Vertrauen zu schaffen.

  2. Danke Dir, Tinu.

    Soweit ich die Absichten von A. Heer verstehe, will er «nur» die entsprechenden Angaben von deutschen Personen mit öffentlichem Amt publizieren. Das heisst nicht, dass diese selber ihre Vermögenswerte und die daraus entstandenen Erträge nicht deklariert hätten.

    Insofern scheint seine Absicht darauf abzuzielen, Privates öffentlich zu machen, obschon dieses Private wahrscheinlich der jeweiligen deutschen Steuerbehörde bekannt ist (weil deklariert). Ich vermute mal, dass man das Mithilfe zur Verletzung des Datenschutzgesetzes nennen kann.

    Allerdings: Das Gleiche gilt im Falle der von Deutschland gekauften Bankdaten ja auch. Darum hat BR EWR ja nun auch die Bundesanwaltschaft um Ermittlungen bemüht und Deutschland um Rechtshilfe ersucht. Das könnte noch spannend werden, denn auf deutschem Boden fand der Verkauf angeblich nicht statt. Die deutschen Steuerbehörden können selber vermutlich kaum befragt werden. Wahrscheinlich verläuft das Ganze im Sand…

    Privatsphäre: Ja dieses Argument von wegen «wenn Du nichts zu verbergen hast, hast Du auch nichts zu befürchten» ist etwas müssig.

    Vorab, der Staat (oder wer auch immer) braucht nicht über alles von mir Bescheid zu wissen. Dann kommen Fehlinterpretationen hinzu, weil einige Daten über mich noch lange nicht alles über mich aussagen. Und schliesslich gibt’s noch das Missbrauchsrisiko. Man würde ja meinen, dass Bankdaten die am besten gesichertsten Daten sind – und trotzdem werden sie kopiert. Wenn also bei Banken schon ein solcher Missbrauch möglich ist, dann ist er auch bei anderen nicht ausgeschlossen.

    Zum «Kampf gegen den Terror»: Mich würde einmal interessen, wie Herr und Frau Schweizer die Lage einschätzen. Eine Umfrage, welche der Frage nachgeht, ob sich heute jemand sicherer oder unsicherer gegenüber dem 11. September 2001 fühlt, wäre sicher noch interessant. Ich vermute, hierzulande dürfte die Mehrheit mit «ich fühle mich gleich sicher» antworten.

    Es wäre aber falsch, ein solches Resultat auch auf die anderen Länder um uns herum zu projezieren. Die «Grossen» der EU sind exponierter. Das hat aber wohl weniger mit der Grösse zu tun, sondern vielmehr weil sie sich auch häufiger zu Wort melden (bzw. angehört werden). Mit anderen Worten: Dem Terrorismus kann man mit der entsprechenden politischen Position vorbeugen. So wie das zurzeit die Amerikaner machen (und schon immer machten), überrascht es mich nicht, dass sie auch ständig ins Schussfeld von Extremisten geraten…

  3. Im Grossen und Ganzen beurteile ich die staatliche Datengeilheit, die momentan „en vogue“ ist, ähnlich. Auch finde ich es einen interessanten Gedanken, das Steuerdaten-Theater in diesem Kontext zu stellen, aber da würd‘ ich so nicht zustimmen.

    Beim automatischen Datenaustausch geht es ja nur um die Daten „Mensch soundso hat am 31.12. soundsoviel auf dem und dem Konto bei der und der Bank“. Diese Daten gehen den Staat etwas an, im Gegensatz zu vielen anderen, denn ohne sie können die Bürger nicht korrekt (und fair!) besteuert werden. Natürlich müssen die Daten bei der Steuerbehörde bleiben. Aber ganz abgesehen davon glaub ich auch nicht, dass diese Daten überhaupt von Interesse im sog. „Kampf gegen den Terror“ sind.

  4. Zum automatischen Datenaustausch erwähnte der EU-Botschafter Folgendes: «Wenn wir ein Sparkonto als Beispiel nehmen, so werden nur die Zinserträge automatisch übermittelt.»

    Ich denke, wir können noch gar nicht sagen, was tatsächlich übermittelt wird, denn entschieden ist ja noch nichts. Heute Abend ist BR Merz ja an einem informellen Treffen in Luxenburg und da wird sich bestimmt zeigen, wie die Positionen der Finanzminister so sind.

    Rein grundsätzlich: Die Steuererklärung beruht auf dem Prinzip der Selbstdeklaration. Selbst wenn es so einen automatischen Datenaustausch gäbe, kennt die Steuerverwaltung noch immer nicht allen Vermögenswerte. Darum wird ja auch nach Münzsammlungen, Kunstobjekten, Oldtimern, Rennställen – eben einfach nach allem, was einen Wert hat – gefragt.

    Ein automatischer Datenaustausch innerhalb der Schweiz (also eine Aufhebung des Bankgeheimnisses im Inland) entspricht einer ersten Abkehr vom Prinzip der Selbstdeklaration.

    Es wird nicht lange dauern, bis sich die Frage stellt: Und was kommt als nächstes? Ein staatliches Register mit allen Oldtimern, damit dieses auch an die Steuerverwaltung übermittelt werden kann? Ein staatliches Register mit allen alten Münzen? Generell: Staatliche Register für jede einzelne Vermögenssache? Es wird wohl nie gelingen, alle Vermögenswerte erfassen zu können, es wird weiterhin ein Minimum an Selbstdeklaration brauchen.

    Irgendwann stellt sich dann wiederum die Frage: Wozu das Ganze? Die Antwort darauf lautet: Weil man den Angaben der Steuerpflichtigen nicht traut. Ja, es gibt bestimmt schwarze Schafe, welche eben nicht alles angeben.

    Ich plädiere jedoch für eine gewisse Verhältnismässigkeit und meine, dass wir heute und hierzulande kein Problem mit dem Prinzip der Selbstdeklaration haben – und man dem einzelnen Bürger auch ein gewisses Vertrauen entgegen bringen können MUSS. Wir gehören schliesslich alle zu diesem Staat und würden damit uns selbst betrügen, wenn wir nicht alles angeben.

    Wenn man hingegen Steuerhinterziehung vermutet, dann soll man bei «den oberen Zehntausend» suchen, denn diese haben das grösste Interesse, etwas zu verbergen – und eben nicht bei uns Normalverdienern. Und wegen diesen Zehntausend bin ich nicht bereit zu akzeptieren, dass meine Steuerverwaltung quasi per Knopfdruck über jeden alten Fünfliber und jede rare Briefmarke Bescheid weiss. Denn das könnte ja wieder andere Begehrlichkeiten wecken (z. B. bei den Sammlern).

    Ansonsten soll man das Steuersystem grundlegend ändern und gleich beim Erwerb einer Sache eine lebenslange Vermögenssteuer erheben. In Deutschland wird beispielsweise auch direkt seitens Arbeitgeber (also quasi an der Quelle) die entsprechende Einkommenssteuer abgezogen.

    Ohnehin sind für Normalverdiener die Einkünfte aus einer beruflichen Tätigkeit weitaus bedeutender als jene seitens der Sparkonti. Das erinnert mich an die Idee von BR Merz, wonach seine Steuererklärung auf einem Bierdeckel Platz finden soll. Das unterstreicht, wie bedeutend die Einkommen aus der beruflichen Tätigkeit und wie unbedeutend die Erträge aus Vermögenswerten sind. Die ganze Debatte um Steuerhinterziehung oder -betrug dürfte denn auch wiederum vor allem «die oberen Zehntausend» betreffen, welche von diesen Erträgen leben…

  5. .: Zu Versteckte Bilder
    Die Aussage eines Bildes hängt immer von der subjektiven Empfindung des Betrachters ab. Die New Yorker 9/11 Witwe des Feuerwehrmanns von Ground Zero hegt sicher andere Gefühle beim Betrachten der Bilder, als der Schweizer 20minuten Pendler im neuen RBS Vorortszug.

    .: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
    Ohne Zweifel, dieser Spruch hat seine Berechtigung, nur kann man ihn halt positiv oder negativ auslegen. So kann mich mein Beifahrer schon mal auf einen Fussgänger oder ich als Kunde den Mechaniker auf die falsch montierten Räder aufmerksam machen.(nicht lachen, schon passiert.)
    Im vorliegenden Beitrag geht es jedoch nicht um Kontrolle im Sinne des Vier-Augen-Prinzips, sondern um Überwachung des Systems aufgrund pauschalisiertem Misstrauen.
    Mir graust’s vor staatlicher Willkür zum Wohle des Volkes.

    .: Krieg gegen den Terror
    Hach, des Legitimierungsfunktionärs liebstes Kind schlechthin.
    Etwas älter, aber immer noch lesenswert: Staatliche Willkür (Hans Boës, 2006 bei Telepolis):
    „[…]
    Bei alledem sollte berücksichtigt werden, dass die tatsächliche Gefahr durch den Terror von den Medien in einem extremen Masse aufgebauscht wird. Schaut man einmal auf die Statistiken, wird deutlich, dass selbst die Luftverschmutzung in Europa bei weitem ein größerer Killer ist als der angeblich so gefährliche Terrorismus.
    […]
    In den westlichen Industrieländern müsste man einen „Krieg gegen Überfettung und Bewegungsmangel“, einen „Krieg gegen den Zucker“, einen „Krieg gegen die Luftverschmutzung“ oder einen „Krieg gegen den Autowahn“ ausrufen, hätte man wirklich die Gefahrenpotentiale für die Bevölkerung und die hohen Opferzahlen im Sinn.
    […]
    Es ist für ein demokratisches System gefährlich, wenn die Kontrollfunktion der Medien von der Politik sabotiert oder manipuliert wird. Glücklicherweise hat das Internet zu einer neuen Fülle von Informationen beigetragen, wie man es vorher noch nicht kannte. Augenzeugenberichte werden innerhalb weniger Stunden verbreitet, kritische Diskussionen umspannen den Erdball in wenigen Tagen. Allerdings muss der Leser nach diesen Nachrichten suchen und bekommt sie nicht mehr, wie bei den Massenmedien, fertig vorverdaut serviert.“

    (Quelle: http://www.heise.de)

    Keep on bloggin‘!
    🙂

  6. Dein Beispiel scheint mir etwas zu hinken 🙂

    Dein Beifahrer würde nicht einsteigen, wenn er Dir nicht grundsätzlich vertraut. Er steigt nicht ein, um Dich zu kontrollieren. Die Kontrolle beruht vielmehr auf Freiwilligkeit, unter Umständen bittest Du sogar darum.

    Zu Deinem geklauten Text 🙂 : Mir gefallen solche Vergleiche, weil sie eben aufzeigen, was für ein verschobenes Weltbild wir manchmal haben (ich nehme mich da auch nicht aus). Irgendwer hat glaube ich sogar einmal ein Buch veröffentlicht mit solchen Vergleichen (so nach dem Motto: Es ist wahrscheinlicher, von einem herunterfallenden Ziegelstein getroffen zu werden als xyz).

    Zu den Medien: Sie lassen sich halt eben auch allzu leicht mit «spektakulärem Futter» füttern… Da fällt mir grad ein: Ich vermiss‘ irgendwie die Schweinegrippe 🙂

    Spass beiseite: Die «Übermediatisierung» kann sich auch ins Gegenteil wenden. Wenn morgen eine Pandemie ausbricht, dann weiss ich nicht, wieviele die Warnungen wirklich noch ernst nehmen…

  7. Als „Homo Digitalis“ interessiert mich eigentlich nur, wann ich endlich mein Cyberbrain einbauen oder noch besser mein Ghost grad in eine Ganzkörperprothese transferieren lassen kann… Dann interessieren mich auch Pandemien nicht mehr, trifft ja dann ohnehin nur solche mit veralteten Bio-Körpern…

    Dann allerdings, werden dann die Altersrentenbestimmungen garantiert überarbeitet werden müssen, denn solche wie mich leben bzw. existieren dann ewig. Wobei dann natürlich auch die Krankenkasse nicht mehr benötigt wird, dafür brauch ich dann ab und zu technischen Support für die Ganzkörperprothese… 😉

    Der nächste Schritt wäre dann für mich, mein Ghost grad ganz in den Cyberspace zu laden, dann entfällt auch die Ganzkörperprothese und im Cyberspace bin ich ja dann quasi Gott und existiere nur noch als reine Existenz… Dann brauche ich kurzfristig nur noch ein System und Strom, längerfristig nicht mal mehr das weil soweit entwickelt das ich überall bin und später ziehe ich mich dann als Energiewesen ins Universum zurück… 😉

    Denn mir war schon mit 9j (hab da auch mein ersten Computer bekommen) klar das Materie Schrott ist und ich am liebsten ohne Körper existieren möchte, später wurde mir klar, dass die Technologie mir dies irgendwann ermöglichen könnte…

    Und nun denke ich, solange wird es nicht mehr dauern und ich werde bereit sein wenn es dann los geht! Ich vermute es wird bald ein Quantensprung geben diesbezüglich und dann werden sich die Wege von „Homo Digitalis“ und „Homo Sapiens“ endgültig trennen!

    Womöglich ist nun auch klarer weshalb mich solche weltliche Dinge schon lange nicht all zu gross interessiert haben, sie sind für mich nur ein lästiges Übel, das man zwar „noch“ erdulden muss, aber hoffentlich nicht mehr lange!

    Und schlussendlich ist es weniger eine Frage der Technologie sondern vielmehr des Geistes und des Bewusstseins, denn gut möglich das der Quantensprung anders ablaufen wird als durch Technologie, doch wer dann nicht bereit ist der wird auf der Strecke bleiben bzw. eben weiter mit all den weltlichen Übeln leben… 😉

    Von daher weiss ich nun nicht ob es dann ein „digitales“ oder eben „geistiges“ Schlachtfeld ist, womöglich ist es auch eine Mischung von beidem…

  8. Ähem, genau das wollte ich eigentlich mit dem (positiven) Beispiel ausdrücken. Mein Beifahrer „hilft“ mir, unser System (Fahrzeug) schadlos durch den Raum zu bewegen, in dem er statt vertrauensselig zu Schlummern, auf die Strasse guckt. Ok, etwas unglücklicher Vergleich.
    Denn heute denken ja die Autos mit, wer braucht da schon Beifahrer (hüstel).

    Schweinegrippe Pandemie: Dafür haben wir doch jetzt die Nacktscanner, oder?
    😉

  9. @ Chris
    Wenn wir soweit sind, wozu gibt es uns dann noch?

    @ Bobsmile
    Jä so war das gemeint.

    Das Mitdenken der Autos ist wohl auch eine Folge unseres Multi-Taskings. Als Folge davon achtet man dann wohl noch weniger auf die Strasse…

    Nacktscanner: Da verwechselst Du wohl etwas… 🙂 .

  10. @Titus
    Nun ja, wozu gibt es uns denn überhaupt? 😉

    @Bobsmile
    Nicht mehr lange und es braucht nicht mal mehr Fahrer, dann steigt man ein und sagt den Zielort, der Rest wird erledigt… Und das schönste ist dann, wenn es zu schnell fährt oder es ein Unfall macht, war es eben das Es… 😀

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