Färbt sie röter!

Die so genannte «Swissness»-Vorlage soll den Mehrwert «Schweiz» durch einen verstärkten Schutz der Herkunftsangabe «Schweiz» schützen. Das ist gut. Notwendiger wäre aber eine weltweite Deklaration der Herkünfte sämtlicher Rohstoffe und Produkte.

Die Marke «Schweiz» in Form der Herkunftsbezeichnungen «Swiss Made», «Made in Switzerland» oder in Form des Schweizer Kreuzes hat einen Mehrwert. Dies geht auch aus einer Studie der Universität St. Gallen zum Thema «Swissness Worldwide» hervor. Die Schweizer Herkunft steht dabei für Exklusivität, Tradition und Qualität.

Dessen sind sich viele Hersteller bewusst – auch solche, welche gar nicht oder nur einen gewissen Teil ihrer Produkte in der Schweiz herstellen. Um die Konsumenten nicht zu täuschen und die Marke «Schweiz» an sich zu schützen, wurde die so genannte «Swissness»-Vorlage lanciert, welche zurzeit von der Rechtskommission des Nationalrats behandelt wird.

Neue, vorgeschlagene Regelung

Diese Vorlage sieht vor, dass das Schweizer Wappen (also das Schweizer Kreuz in einer Wappenform) grundsätzlich nur von der Eidgenossenschaft genutzt werden darf. Bei Naturprodukten, allem voran Nahrungsmittel (zum Beispiel Yoghurt), haben mindestens 80 % des Gewichts der Rohstoffe oder der Zutaten, aus denen sich das Produkt zusammensetzt, aus der Schweiz zu stammen.

Für die industriellen Produkte (zum Beispiel Uhren) müssen mindestens 60 Prozent der Herstellungskosten des Produkts in der Schweiz anfallen, wozu auch die Kosten für Forschung und Entwicklung angerechnet werden können.

Soviel zur Theorie.

Es zeigt sich bei dieser Vorlage, wie mit der Marken-Bezeichnung «Schweiz» gemauschelt wird und zwar im doppelten Sinne. So bezieht sich einerseits die Herkunft industrieller Produkte nicht etwa auf die Rohstoffe, sondern auf die gesamten Herstellungskosten, Forschung und Entwicklung inklusive.

Beim hiesigen Lohnniveau ist es keine Zauberei, 60 Prozent der Herstellungskosten in der Schweiz zu erzielen. Möglich ist das aber vor allem auch deshalb, weil auf dem Rohstoffmarkt die Preise ständig gedrückt werden, sodass die reinen Materialkosten tief bleiben.

Vermehrt Hungerlöhne dank «Made in Switzerland»?

Gemauschelt wird andererseits aber auch, weil durch diese Preisdrückerei die tatsächlichen Herstellungsbedingungen verborgen bleiben, insbesondere was die Arbeitsbedingungen für die Gewinnung der Rohstoffe oder die Herstellung von Teilfabrikaten im Ausland anbelangt.

Bleiben diese Kosten unter 40 Prozent, kann sich ein hiesiger Hersteller mit dem Label «Made in Switzerland» schmücken. Die zum Teil widrigen Arbeitsumständen werden dadurch «reingewaschen».

Oder andersrum gesagt: Wer das Label «Made in Switzerland» tragen will, ist sehr daran interessiert, dass die im Ausland anfallenden Kosten tief bleiben.

Die «Swissness»-Vorlage ist darum eine Einladung an die Exportwirtschaft, Rohstoffe zu so tiefen Preisen wie nur möglich einzukaufen und die Löhne für die Herstellungkosten von Teilfabrikaten im Ausland so tief wie möglich zu halten – und das in einer Epoche, in welcher dank Labels wie «Fair trade» das Bewusstsein für soziale Ungleichgewichte schon längst vorhanden sein sollte…

Süss die Schokolade, hart die Arbeitsbedingungen

Apropos «Fair trade»: Davon hatten wir es hier schon einmal. Es ging damals um Schokolade, «Schweizer» Schokolade, deren Kakao zu inakzeptablen Bedingungen gewonnen wird. Dazu nochmals dieser «Kassensturz»Beitrag vom 1. Dezember 2009:

«Färbt sie röter!» ist man versucht ob diesen Tatsachen über Produkte «Made in Switzerland» auszurufen – und zwar nicht wegen dem typischen Rot der Schweizer Flagge, sondern damit man das Blut nicht sieht, das an ihnen von den überbeanspruchten Kinderhänden klebt…

Derweil müssen wir uns hierzulande mit der Frage auseinandersetzen, wie man den Eigenantrieb der zunehmend gelangweilten Kinder und Jugendlichen fördert und in die richtigen Bahnen lenkt, sodass diese keine lebensbedrohlichen Dummheiten machen. Der Kontrast könnte nicht grösser sein…

Unter «bester» Gesellschaft

Aber machen wir uns nichts vor: Auch andere mauscheln, was die genaue Herkunft von Erzeugnissen anbelangt. Davon hatten wir es hier auch schon mal zum Thema «Aushungern und Ausbeuten» im Nahen Osten. Daraus sei hier nochmals der nachfolgende «Kassensturz»-Beitrag vom 22. Dezember 2009 gezeigt:

Auch im vorgängig gezeigten Fall geht es darum, dass uns Konsumenten ein «A» für ein «B» vorgemacht wird. Und auch hier geht es um eine Länder-Marke, nämlich das harmlos klingende «Made in Israel».

Doch es muss nicht immer um die Marke eines Landes gehen, um ein gutes, positives Image über ein Produkt zu verbreiten. Wo die geografische Herkunft nicht genutzt werden kann, setzt man eben einfach auf die klassischen Methoden, um eine Marke mit einem positiven Image zu besetzen.

Es geht dabei um Marken, welche unseren Alltag prägen und dank Werbung ein sauberes Image haben – vordergründig. Im Hintergrund kann jedoch eine sehr dunkle Seite auftauchen.

Coca Cola, Nokia, …

Schauen Sie sich dazu den nachfolgenden Beitrag von «betrifft: …» des SWR an, welcher über die Machenschaften von Coca Cola in den zunehmend von Wassernot geplagten Regionen in Indien und über die letzte Fussball-WM im 2006 in Deutschland berichtet:

Teil 1

Teil 2

Teil 3

Teil 4

Teil 5

Andrea Müller berichtet zudem in seinem Blog «contextlink» über Handys, welche allesamt das seltene Metall Tantal enthalten und aus Koltan-Erzen gewonnen wird – zu inakzeptablen Arbeitsbedingungen:

«Blood in the Mobile (Blut im Handy)» (Lese- und Trailer-Anschau-Empfehlung!)

«Made in…» ist veraltet

Gegen klare Regeln über die Herkunftsbezeichnung ist nichts einzuwenden. «Made in Switzerland» und die damit verbundenen Regeln dürfen aber nicht dazu führen, dass Hungerlöhne und erbärmliche Arbeitsbedingungen im Ausland gefördert werden, denn ansonsten werden sozial bewusste Konsumenten die Finger von «Made in Switzerland»-Produkten lassen…

Und: Sich nur auf das «Made in …» zu konzentrieren, ist zwar gängige Praxis, entspricht aber zugleich auch einer veralteten Denkweise. «Made in …» sagt nichts über die tatsächliche Herkunft der Rohstoffe aus und sagt erst recht nichts über die sozialen Umstände aus, welche hinter der Gewinnung von Rohstoffen oder der Herstellung von Teilfabrikaten im Ausland stecken.

Im 21. Jahrhundert könnte man erwarten, dass Angaben über die Entstehung von Produkten, von den sozialen Arbeitsbedingungen über den Bedarf an Energie für die Gewinnung und/oder Herstellung bis hin zum CO2-Ausstoss, weltweit per Mausklick abgerufen werden können. Stattdessen scheinen wir immer noch in der Kolonialzeit zu leben – zwar nicht politisch, dafür aber wirtschaftlich.

Die Globalisierung findet nicht nur auf der wirtschaftlichen Ebene statt, sondern auch auf der Ebene des Informationsaustausches. Wer das noch nicht verstanden hat, der sollte sich mit dem Schaffen von Transparenz über Herstellungsbedingungen, Kapitalerträge auf schwarzen Konten, finanziellen Zuwendungen an politische Parteien und ähnlichem beeilen.

Das verhindert nicht nur einen grossen Image-Schaden, sollten versteckt gehaltene Angaben dank globalem Informationsaustausch ans Tageslicht kommen. Es fördert vor allem auch ein positives Image.

Und das ist durch Transparenz mit weitaus weniger Aufwand zu erreichen statt andauernd ein beschönigtes Bild vermitteln zu müssen…

6 Antworten auf „Färbt sie röter!“

  1. Alle Labels (swiss made, Bio, Fair Traid etc.) haben nur einen Wert, wenn sie für den Käufer glaubwürdig sind.
    Wenn die Anforderungen tiefer angesetzt sind hat auch des Label weniger Wert.
    So wird irgendeinmal das Label swiss made gleich viel Wert sein wie das Label M-Budget.

    Irgendwo habe mal gelesen, dass ein Schweizer Automatic-Uhrwerk von ETA 100 Franken kosten. Diese sollen in 1500 bis 2000 fränkige Uhren eingebaut werden.
    Eine Uhr mit einem China-Uhrwerk sollte so als Schweizer Uhr durchgehen.
    Das kann es auch nicht sein

  2. Momentan läuft im Käfigturm in Bern die Ausstellung „Schweiz drauf… Schweiz drin?“, die sich eigentlich auch mit diesem Thema befassen müsste. Ob damit aber nur gut Stimmung für das im November 2009 vom Bundesrat verabschiedete Gesetzesprojekt «Swissness» gemacht werden soll, kann ich allerdings nicht beurteilen, da ich die Ausstellung (noch) nicht besucht habe.

    Die gemäss Bericht im „DerBund“ umstrittene Vorlage soll den Schutz der Herkunftsbezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes im Inland stärken und die Rechtsdurchsetzung im Ausland erleichtern.

    Gemäss geplanter Gesetzesrevision müssten bei verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten mindestens 80 Prozent des Rohstoffgewichts aus der Schweiz stammen. Dann wäre es wohl Essig mit der 85% Cacao-Schoggi von Federers süssem Sponsor. 😉

  3. Da muss ich Dich enttäuschen. Das Wort „Ausnahme“ taucht in der Botschaft zum Gesetzesentwurf über das neue Markenschutzgesetz wohl am häufigsten auf…

    So sieht denn der Entwurf unter Art. 48b (neu) vor:

    1 Die Herkunft eines verarbeiteten Naturprodukts entspricht dem Ort, wo mindestens 80 Prozent des Gewichts der Rohstoffe, aus denen sich das Produkt zusammensetzt, herkommen.
    2 Von der Berechnung nach Absatz 1 sind ausgeschlossen:
    a. Naturprodukte, die wegen natürlichen Gegebenheiten nicht am Herkunftsort produziert werden können;

    Da in der Schweiz bekanntlich keine Kakaobäume wachsen, kommt somit Abs. 2 zur Anwendung («die wegen natürlichen Gegebenheiten nicht am Herkunftsort produziert werden können»).

    Ich überlege mir daher ernsthaft, ob ich nicht irgendeinen Kiwi- und Ananas-Drink «Made in Switzerland» produzieren will… 😉

    Andere Vorschläge?

  4. Ich bin für Swiss Banana Flakes und Zitronengrassorbet.

    Gemäss der erwähnten St.Galler Studie erkennen 75% ein Schweizer Produkt am Schweizerkreuz. (Vorsicht, erkennen heisst nicht kaufen.)
    Und sie erwarten 70%-80% der Herstellung und Entwicklung in der Schweiz, nicht nur 60%.
    Aber eben, Erwartungshaltung und Wahrnehmung sind zwei paar Rohnersocken. Hübsch verpackt bleibt und schmeckt die Schweizer Schoggi eben (nach) Schweizer Schoggi.
    So wie Päcklitomatensuppe und eine richtige Tomatensu… , aber das ist eine andere Baustelle. 🙂

    @kikri/Uhrenbranche
    Leider profitieren von der „swissness“ – Vorlage wieder mal nur die grossen Konzerne (Swatch Group, Rolex und Co), die kleineren Uhrenunternehmungen (z.B. Mondaine) haben keine Möglichkeit, die Mehrkosten für 60% Schweizer Wertanteil bei Quarz und 80% bei mechanischen Uhren abzuwälzen, ohne an Konkurrenzfähigkeit zu verlieren. Das eben geschaffene Werk in Biberist SO und somit mehrere Arbeitsplätze, wären bereits schon wieder gefährdet.

    Aber das ist dann wohl der Preis, den die Gesellschaft für die aus dem Schweizer Selbstbewusstseins – Hype von 2007 entwachsene Edelmarke „swissness“ zu zahlen hat. Also, wer hat’s erfunden?

  5. Der Fall mit den Mondaine-Uhren kam ja kürzlich im «Eco».

    Wenn wir ehrlich sind, hat Mondaine jahrelang davon profitiert, Billig-Komponenten aus dem Fernen Osten einzukaufen und dann später unter dem Laben «Made in Switzerland» zu verkaufen.

    Vom sozialen Aspekt her spielt das Label eine zweitrangige Rolle. Was hier aufgrund dieser Vorlage deutlich wird, ist das bekannte «Nord-Süd-Gefälle». Das gilt übrigens auch für die anderen Beispiele oben: Steht beispielsweise «Nokia» drauf, haben wir Konsumenten den Eindruck, wir würden ein erstklassiges High-Tech-Produkt in den Händen halten. Und High-Tech kann doch nichts Schmutziges dran haben, nicht wahr?

    Das Label, ob nun «Made in Switzerland» oder «Nokia» oder «Coca Cola» oder … ist mir letzten Endes egal, sofern wenigstens die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer im Fernen Osten in etwa unseren Arbeitsbedinungen entsprechen (korrekter Lohn gemäss den örtlichen Gegebenheiten, Arbeitsvertrag, Kündigungsfrist, Arbeitslosenversicherung usw.). Das wird allerdings kaum möglich sein… 🙁

    Wir können den Spiess auch umdrehen: Durch den Einkauf ausländischer Billig-Komponenten hat Mondaine Arbeitsplätze ins Ausland verlagert – nur spricht davon niemand…

    Ich frage mich zudem, ob beispielsweise die Herstellung von Zifferblätter in der Schweiz soviel teurer sein soll. Ich sehe die Hauptarbeit vielmehr im Zusammensetzen der Uhr, was ja weiterhin in der Schweiz geschieht. Die einzige Erklärung scheint mir zu sein, dass die Herstellung dieser Komponente im Fernen Osten eben nicht so automatisiert erfolgt, wie ich mir das vorstelle…

    Last but not least: Wer eine Billig-Uhr kaufen will, der futiert sich um das Label «Made in Switzerland». Dem ist der Preis wichtiger. Und wer trotzdem darauf achtet, der zweifelt (zu Recht), ob eine «Schweizer» Uhr wirklich so billig sein kann…

    Die Sache hat allerdings auch einen berechtigten Haken: Andere Länder können weiter mauscheln, weil auch da niemand genau hinschaut – siehe Beispiel Nokia und Coca Cola. Darum bräuchte es die gewünschte Transparenz bezüglich Herkunft weltweit auf allen Produkten…

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