Kriminelle Schweizer ausschaffen – aber wohin?

Die so genannte «Ausschaffungsinitiative» der SVP und der direkte Gegenvorschlag des Parlaments wollen kriminelle Ausländer aus der Schweiz schaffen. Aber warum soll man kriminelle Schweizer nicht gleich behandeln und ebenso ausschaffen?

Es herrscht ein unheimlicher Konsens zwischen der rechtskonservativen SVP und dem bürgerlich dominierten Parlament: Verurteilte kriminelle Ausländer sollen ausser Landes geschafft werden.

Das geschieht nicht sofort, sondern erst nach dem Verbüssen der jeweiligen Strafe. Sinn und Zweck von Strafen ist es bekanntlich, dass ein Verurteilter durch die jeweilige Massnahme quasi «geläutert» wird, sodass er letzten Endes nicht mehr kriminell ist oder in die Kriminalität zurückfällt.

Wirkungslose Strafen?

Wer daran glaubt, entlässt somit einen Nicht-Kriminellen. Würde die Initiative oder der Gegenvorschlag angenommen, werden somit Nicht-Kriminelle in ihr Ursprungsland ausgeschafft.

Betrachtet man das aus kaltblütiger, volkswirtschaftlicher Sicht, ist das die dümmste Variante, denn diese «resozialisierten» Menschen werden nie mehr in der Schweiz arbeiten, kein Geld mehr in der Schweiz ausgeben und auch keine Steuern mehr in der Schweiz zahlen, um wenigstens teilweise die Kosten für die Verbüssung ihrer Strafe wieder «eintreiben» zu können. Der Volkswirt würde sagen: Ausser Spesen nichts gewesen…

Wer daran nicht glaubt, wer also meint, dass ein Krimineller immer und ewig ein Krimineller bleibt, der sollte konsequenterweise eine andere Forderung stellen: Lebenslange Verwahrung aller Straftäter, denn ein Krimineller bleibt bei diesem Glauben ja für immer und ewig ein Krimineller…

Die SVP mit ihrer Ausschaffungsinitiative wie auch die Mehrheit des Parlaments mit ihrem Gegenvorschlag tun nun so, als ob eine verbüsste Strafe wirkungslos bliebe. Sie fordern jedoch nicht eine lebenslange Verwahrung. Stattdessen sollen die angeblich noch immer kriminellen Ausländer ausgeschafft werden. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Das ist nicht etwa an den Haaren herbei gerissen. Im Abstimmungsbüchlein meint das Initiativkomitee klar und eindeutig: «Ein JA zur Ausschaffungsinitiative schafft Sicherheit». Schon alleine diese Aussage gaukelt vor, dass ausländische Straftäter auch nach Verbüssung ihrer Straftat immer noch kriminell sind, denn erst ihre Ausschaffung würde Sicherheit schaffen.

Und was ist eigentlich mit den kriminellen Schweizern?

Auch Schweizer müssten ausgeschafft werden

Eine Vergewaltigung ist eine Vergewaltigung, ein Raub ist ein Raub und ein Tötungsdelikt ist ein Tötungsdelikt – egal wessen Nationalität derjenige war, der eine solche Straftat verübt hatte. Sie wiegt nicht schwerer oder weniger schwer in Bezug auf die Nationalität.

Wenn man somit Ausländer ausschaffen will, welche solche Delikte begangen haben um damit angeblich mehr Sicherheit zu schaffen, dann müsste man konsequenterweise auch die kriminellen Schweizer ausschaffen. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Und eine lebenslange Verwahrung dieser angeblich «nicht heilbaren» Kriminellen, weil Strafen ja nach Ansicht der SVP und der Mehrheit des Parlaments wirkungslos seien, wurde selbst für kriminelle Schweizer nicht gefordert.

Natürlich würde das Ausschaffen von kriminellen Schweizern gegen Bundesverfassung und Völkerrecht verstossen. Aber wen kümmert das heutzutage noch in einem Land, dessen Parlament aus parteipolitischen und wahltaktischen Überlegungen wiederholt nicht den nötigen Mut hat, eine völkerrechtswidrige Initiative für ungültig zu erklären?

Schliesslich sollen sich die bösen Buben nicht hinter solchen Grundrechten verstecken dürfen (warum die wohl so heissen?), denn man will ja der «Kuscheljustiz» nicht noch Vorschub leisten.

Aber wohin abschieben?

Selbstverständlich müsste die Einführung eines solchen Ausschaffungszwangs für kriminelle Schweizer mit einem langen Katalog von Delikten begleitet werden. Ganz zuoberst stünde da eine Straftat, welche erst noch ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden müsste: Vorsätzliche Volksverdummung.

Dieser Straftatbestand ist zum Beispiel dann gegeben, wenn man in einem Abstimmungsbüchlein zur Ausschaffung von kriminellen Ausländern ganz zu Beginn den folgenden Kontext schafft:

Viele Schweizerinnen und Schweizer fühlen sich nicht mehr sicher im eigenen Land. Nicht nur ältere Menschen trauen sich abends nicht mehr aus dem Haus: Viele Jugendliche kennen Anmache, Pöbeleien und Schlägereien im Alltag. Nahezu die Hälfte aller Verbrechen in der Schweiz wird von Ausländern verübt.

Merke: Anmache, Pöbeleien und Schlägereien im Alltag werden nicht nur von Ausländern verübt, sind nicht zwingend ein Verbrechen und haben vor allem nichts mit jenem Katalog an Delikten zu tun, welcher von den Initianten in ihrer Initiative festgehalten wurde. Aber vielleicht merkt ja keiner, dass hier zwischen schlechten Manieren und schweren Straftaten nicht unterschieden wird…

Oder:

Der Anteil ausländischer Beschuldigter bei vorsätzlichen Tötungsdelikten liegt bei 59%, bei Vergewaltigungen gar bei 62%!

Vielleicht merkt auch da keiner, dass es noch einen Unterschied zwischen «Beschuldigten» und «Verurteilten» gibt… An dieser Stelle wird darauf verzichtet, weitere Beispiele aufzuführen, da ansonsten aus der vorsätzlichen Volksverdummung noch eine schwere vorsätzliche Volksverdummung wird. 

Bleibt abschliessend noch die Frage: Wohin sollen kriminelle Schweizer ausgeschafft werden? Bereits im Gespräch sind: Libyen, Afghanistan, Sibirien. Aber vielleicht fallen Ihnen ja noch weitere Destinationen ein…

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18 Antworten auf „Kriminelle Schweizer ausschaffen – aber wohin?“

  1. Wie immer! Anschaulich und leicht verständlich, lieber Titus.

    Starten wir die Unterschriftensammlung für die Straftat „Volksverblödung“.
    Ausgeschafft werden „Beschuldigte“ ins schwarze Loch.[LINK]
    😉

  2. @ Dan
    Gilt das auch für solche ohne „Migrationshintergrund“? Weil: Der Anteil beschuldigter Schweizer, die besagte Volksverblödung betreiben, dürfte wohl bei nahezu 100 % liegen…

    @ Mia
    Na wir wollen doch niemand unnötig zum „Strahlen“ bringen… 😉

  3. @Mia
    Gorleben? Erinnert mich nun an die Gegenwelt GOR, wäre womöglich auch was oder? Einfach alle nach GOR abschieben… *lol*

  4. Danke für diese erhellende Abhandlung.

    Obwohl mich das jetzt in ein schwarzes Loch stürzt, und meine vorgefestigte Meinung erst mal in einem Castor-Behälter versenkt wird.

    Ach, wenn doch alles so einfach wäre, wie es die SVP einem einreden möchte, die FDP hart, aber herzlich (v)erklärt und die Twitter-Parteien mit Kinderaugen beleuchten.

    Nein, Ja, vielleicht 2x Nein, uff, ich bin echt überfordert!

  5. @Bobsmile
    Gemäss der gfs-Umfrage von letzter Woche hat die Ausschaffungsinitiative deutlich Vorsprung gegenüber dem Gegenvorschlag und wird höchstwahrscheinlich angenommen. Unter diesen Umständen ist meiner Meinung nach der ausländischen Wohnbevölkerung am meisten gedient, wenn man Ja zum Gegenvorschlag stimmt, damit es überhaupt zu einer Ausmarchung kommt, und in der Stichfrage natürlich ebenfalls den Gegenvorschlag wählt. Im Grossen und Ganzen entspricht der Gegenvorschlag ohnehin der heutigen Praxis gemäss Ausländergesetz.

  6. @ Harald
    Umfragen sind eine Momentaufnahme einer repräsentativen Mehrheit. Deswegen ändere ich mein Stimmverhalten nicht.

    @ Bobsmile
    Ich stelle mich nicht dagegen, etwas gegen die Kriminalität zu unternehmen – unabhängig von der Nationalität. Aber sowohl die Initiative wie auch der Gegenvorschlag gauckeln mehr Sicherheit vor, indem ein ausländischer Straftäter nach Verbüssung seiner Strafe ausgeschafft werden soll.

    Natürlich gibt es keine absolute Garantie ob ein Straftäter anschliessend nicht mehr rückfällig wird. Das gilt für Ausländer wie für Schweizer. Wenn man aber ob der Wirksamkeit der Strafen oder des Strafenkatalogs zweifelt, dann sollte man unser Strafensystem hinterfragen und dieses allenfalls anpassen und zwar so, dass auch straffällige Schweizer (also jene, welche die genau gleichen Taten verübt haben) davon betroffen sind.

    Es macht keinen Sinn, Straftäter nach Verbüssung ihrer Strafe noch nach Nationalität zu „segmentieren“, um sie dann mit der Ausschaffung ein zweites Mal zu bestrafen. Sollte aber jemand der Meinung sein, dass das Sinne mache, warum werden dann die Schweizer nicht ebenso ausgeschafft, so wie ich das oben im Artikel mit einem Augenzwinkern dargelegt habe (wobei man diese Frage durchaus auch ernst nehmen kann)?

    Es gibt noch einen anderen Punkt, aber den thematisiere ich in einem separaten Artikel (voraussichtlich morgen).

  7. Die Schweizer sind die Eigentümer ihres Landes. Die Ausländer lediglich Gäste. Wer zwischen den beiden Gruppen keinen Unterschied macht, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er eine typisch deutsche Sichtweise pflegt. Nicht schweiz-deutsche, sondern selbstverleugnende deutsch-deutsche. Ihr seid die Deutschen unter den Schweizern. Und ich bezweifle, dass euch diese Vorstellung behagt. Die Vorstellung, die Schweiz wäre Niemandsland, das beliebig durch Fremde zu besiedelt ist, ist der Weg „heim ins Reich“. Gute Reise; die BRD wird sich über ein so reiches Bundesland freuen.

  8. @Titus
    Mit jahrtausend langer Arbeit, deren Ergebnis von von Eltern auf die Kinder übertragen wird.
    Bei den bewohnbaren Flächen in der Schweiz – auch in Deutschland – gibt es keine Flecken Erde, der irgenwie Natur wäre. Jeder Quadratmeter ist schon mehrmals umgebraben, verändert, bewirtschaftet worden. Und die Population der Europäer ist seit mindestens 7000 Jahren(!) erstaunlich stabil. Mancherorts gab es bereits zur Zeiten der Bandkeramiker ähnliche Besiedlungsdichte wie heute. Die Menschen, die hier leben werden durch ihre Arbeit und die ihrer Vorfahren zu Eigentümern, weil der Anteil der Arbeit den Anteil der ursprünglichen Natur bei weitem Übersteigt. Mitteleuropa ist kein Niemandsland und keine Regierung hat das Recht dieses Eigentum an Fremde zu verschenken. Schon gar nicht an Fremde, die hier auf Raubzug sind.
    Dass die heutige Erbengeneration es meint, dass das Eigentum nicht durch Arbeit entsteht, lässt sich durch die Lebensumstände der heutigen Generation erklären. Wenn man im Reichtum aufgewachsen ist, den man scheinbar ohne großartige Anstrengung hat, meint man, dass dieser Reichtum ein natürlicher Zustand wäre, den man mit Fremden zu teilen hat.

  9. @ Kristof
    Ich würde nicht so verallgemeinern, sowohl was die „Fremden“ anbelangt wie auch was die „heutige Erbengeneration“ betrifft. Zu Letzterer zähle ich auch und sehe es gar nicht so, dass materieller Reichtum ein natürlicher Zustand ist.

    Ich betrachte es eher als Glück oder Schicksal oder göttliche Fügung, als Sohn einer Schweizerin und eines Schweizers geboren worden zu sein. Womit ich, mein Körper, mein Geist und meine Seele, das verdient haben, kann ich nicht beantworten. Genauso wenig kann ich beantworten, weshalb andere dieses Glück nicht hatten.

    Wir vergessen manchmal, dass diese „Fremden“ keine Lobby haben. Hätten sie eine, würden sie wohl auch verstärkt darauf hinweisen, was sie in Deutschland oder der Schweiz in den letzten fünf Jahrzehnten geleistet haben. Das taten sie auch, weil wir sie darum gebeten hatten.

  10. Interessant argumentiert – gerade auch im Vergleich zu den Contra-Argumenten, die ansonsten vorgetragen werden!

    Natürlich würde das Ausschaffen von kriminellen Schweizern gegen Bundesverfassung und Völkerrecht verstossen.

    Die Bundesverfassung könnte man entsprechend anpassen. Was spricht aus völkerrechtlicher Sicht gegen das Ausbürgern von Straftätern?

  11. @ Martin
    Ich bin zwar kein Jurist, aber ich tippe mal sowohl aufs Völkergewohnheitsrecht und sicher auf Art. 15 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte:

    1. Jeder hat das Recht auf eine Staatsangehörigkeit.

    2. Niemandem darf seine Staatsangehörigkeit willkürlich entzogen noch das Recht versagt werden, seine Staatsangehörigkeit zu wechseln.

  12. Interessanter Beitrag. Vorallem der Aspekt, dass man ja eigentlich davon ausgeht, dass wer im Knast war, danach nicht mehr straffällig werden sollte. Nicht immer die Realität, aber trotzdem meines Wissens die Basis unseres Verständnisses von Bestrafung durch den Staat.
    Im Zusammenhang mit der Initiative bzw. dem Gegenvorschlag habe ich mir auch schon so meine Gedanken gemacht. Wer’s nachlesen mag:
    http://ahasoistdas.blogspot.com/2010/11/kampfarena.html
    http://ahasoistdas.blogspot.com/2010/11/ubers-ziel-hinaus.html

  13. @ Sensor
    Richtig, es gibt durchaus solche, welche rückfällig werden (egal zu wessen Nationalität sie gehören). Ich frage mich darum gelegentlich, ob unser heutiges „Bestrafungssystem“ immer oder noch richtig ist…

  14. Recht häufig habe ich mich ob Deiner Aussage, dass man auch kriminelle Schweizer ausschaffen soll (aber wohin?) genervt. Ich verstand Dein Gedankengut nicht. Kriminelle Schweizer sollen gefälligst ihre Strafe in den einheimischen Gefängnissen absitzen, denn dafür wurden sie gebaut, dafür sind sie da.
    Aber so wie es scheint, wurden und werden mehrheitlich unsere Gefängnisse für straffällige Ausländer gebaut. Sieh die Statistik.

    Und nun der momentane Aufschrei, dass wir unser Land nicht noch mehr verbetonieren sollen (diesen Aufschrei gab die SD schon vor Jahren durch).
    Aufgeschrien wird auch, weil wir so viele Ärzte importieren müssen. Warum wohl? Unseren Schülern, die die Matura machen wollen, verwehrt man den Einstieg, wegen nicht genügender Noten. Vergleiche mal einer die Matura mit dem Abitur.
    Ganz abgesehen, warum brauchen wir mehr Ärzte, mehr Wohnungen, mehr Strassen, mehr Sozialarbeiter, mehr Beamte?

    Ich schweife gerne aus, aber eigentlich wollte ich beim „Ausschaffen der Schweizer“ einhacken. Der Eisvogel empfahl mir ein Buch „Rauchen Sie? Verteidigung einer Leidenschaft“ Heute lese ich es bereits zum zweiten Mal, denn es ist mehr denn gut. Und eben, beim lesen, kam mir Deine nicht nachvollziehbare Aussage, von wegen kriminelle Schweizer ausschaffen wieder hoch. Titus, Du stehst mit solcher Aussage nicht alleine da und deshalb ein kleiner Ausschnitt: „Die Stadt Zürich droht Rauchern 1667 mit Landesausweisung, Auspeitschung oder Brandwunden“.
    Und nun wirds peinlicher: Der Berner Stadtrat erweitert 1661 die zehn Gebote um die Forderung „Du sollst nicht rauchen“

    Nun gut, es entzieht sich meiner Kenntnis, wieviele Zürcher wegen des Rauchens des Landes verwiesen wurden, aber denkst Du, kriminelle Ausländer hätten sie geduldet, Raucher hingegen nicht.

    Du gabst mir die Aufgabe ein Bild in den Farben meines Denkens (wie Du meinst und vermutest) zu malen. Keine Abstriche, nur schwarz und grau. Du weisst aber schon, dass grau im Gegensatz zu weiss und schwarz eine Farbe ist?
    Hab Dir eins schwarz-grau und eins grau-schwarz gemalt. Du hast mich rausgefordert, ich habs gemacht und somit kannst Du mich wie angedroht auf Deinem Blog „ausstellen“

    Aber um Dir die Bilder zu schicken (kriegst Du eh erst als Geburtstagsgeschenk) bräuchte ich Deine Postadresse.

  15. @ Ate
    In den Farben Deines Denkens? Ich dachte, ich hätte davon gesprochen, ein Bild mit nicht nur schwarz/weiss, sondern mit den unterschiedlichsten Grautönen zu malen. Aber es wird wohl schon so ähnlich herausgekommen sein und ich freue mich jetzt schon auf Deine Zustellung, obschon ich mich noch etwas gedulden muss. Du findest die Adresse hier.

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