Ein Wordle sagt mehr, aber weniger als 1000 Worte

Obwohl viele Parteien und deren Vertreter für die kommenden Wahlen Social Media nicht oder nur sehr beschränkt nutzen, brauchen die Wählenden trotzdem nicht auf moderne Mittel zu verzichten um sich über sie wortwörtlich ein «Bild» zu machen…

Noch immer schwappen zwei Flutwellen auf die Schweizer Bevölkerung zu: Jene der Wahlplakate und jene der Positionspapiere, welche sich auf den Websites der Parteien finden lassen. Was die einen an Inhalten vermissen lassen, kompensieren dafür die anderen.

Wortwolken

Dennoch haben sie vermutlich beide etwas Gemeinsames: Niemand mag sie mehr anschauen, schon gar nicht die Unmengen an Positionspapiere. Doch zum Glück gibt es Wordle!

Wordle generiert ab einem vorgegebenen Text eine «Wortwolke», wobei allgemeine Begriffe wie etwa «der», «die» oder «das» automatisch herausgefiltert werden. Je häufiger ein Wort auftritt, desto grösser wird das Wort visuell dargestellt.

Diesen Effekt hat man sich in der Augenreiberei zu Nutze gemacht und einmal alle Wahlthemen, Wahlprogramme, Wahlplattformen, Wahlversprechen oder Wahlverträge (die Dinger haben viele Namen) der grösseren politischen Parteien durch den Wordle-Schredder laufen gelassen (in alphabetischer Reihenfolge zum Parteien-Kürzel).

Aus Darstellungsgründen werden nachfolgend jeweils nur die 66 häufigsten Begriffe angezeigt (es hätte auch eine beliebig andere Anzahl sein können). Dies dürfte ausreichend sein um die häufigsten und weniger häufig verwendeten Wörter zu erkennen.

Da die Grünliberalen sowie die Piraten keine solchen Dokumente zu den kommenden Wahlen bereitstellten, sind die beiden für einmal noch davon gekommen… 🙂

Gedacht als Spielerei, sind die Resultate dennoch äusserst interessant, geben sie doch Aufschluss darüber, wie stark ein Thema oder ein Begriff betont wird (aber auch verinnerlicht zu sein scheint). Begriffe, welche kaum erwähnt (und wiederholt) werden, bleiben auch kaum haften.

Resultate im Einzelnen

BDP

BDP Wahlen 2011
Das Wahlprogramm 2011 der BDP (zum Vergrössern anklicken).

Der Blick von Weitem (verkleinerte Ansicht rechts) auf die Wahlthemen der BDP lässt die Wörter «Schweiz» und «BDP» am stärksten hervortreten. Die weiteren Beispiele unten zeigen jedoch, dass es zum «Courant normal» gehört, das eigene Land und die eigene Partei wiederholt zu erwähnen (dazu gehört auch der Slogan «Die neue Kraft», weshalb diese Begriffe nachfolgend nicht mehr erwähnt werden).

Ein detaillierterer Blick zeigt – nicht zuletzt auch im Vergleich zu den nachfolgenden Parteien – dass die BDP sehr vielfältige Themen erwähnt: Gesellschaft, Wirtschaft, Energie, Familie(n).

Was ebenfalls auffällt, sind die vielen eher positiv belegten Begriffe: fördern/fördert, unterstützt, Zukunft, Perspektiven, nachhaltige, ökologisch(e), Entwicklungsmöglichkeiten, Innovationen/Innovationskraft, sicher/Sicherheit.

Interessant sind natürlich auch jene Themen, welche überhaupt nicht auftreten. So scheinen etwa «Landwirtschaft» oder «Europa/EU» nicht zu den Top66 der am häufigsten vorkommenden Begriffe zu gehören.

CVP

CVP Wahlen 2011
Der Wahlvertrag 2011 der CVP (zum Vergrössern anklicken).

Wie bereits bei der BDP erwähnt, tritt beim Blick von Weitem auch beim Wahlvertrag der CVP der Parteiname und die Landesbezeichnung am stärksten in den Vordergrund.

Auffallend sind jedoch auch die Begriffe «fordern» sowie «mehr», wobei der zuletzt genannte Begriff häufig auch im fordernden Sinne zu verstehen ist (mehr finanzielle Sicherheit, mehr Transparenz usw.). Ob den Wählenden das unterstützende Fördern der BDP (siehe oben) nicht besser gefällt als das kompromisslos anmutende Fordern der CVP?

Was ebenfalls hervortritt, ist der Begriff «Familie/-n». Die Begriffe «Energie», «Umwelt» oder «Sicherheit» muss man hingegen suchen und dies obschon sie genauso wie die Familien einem Wahlversprechen entsprechen. Sie sind teilweise noch kleiner aufgeführt als «Initiative» oder «Infrastrukturen».

EVP

EVP Wahlen 2011
Die Wahlthemen 2011 der EVP (zum Vergrössern anklicken).

Da die Wahlthemen der EVP auf einer A4-Seite Platz fanden, ist das Wordle-Ergebnis mit Vorsicht zu geniessen. Dennoch fällt auf, dass die EVP den eigenen Parteinamen nicht so inflationär verwendet wie die anderen Parteien.

Und: Die EVP (das ,E‘ steht bekanntlich für evangelisch) ist die einzige Partei, welche von Religionsfreiheit spricht. Im Gegensatz dazu sucht man bei der früheren katholischen CVP vergeblich das Wort «Religion» oder «christlich» und dies obschon mit Hinblick auf diese Wahlen die CVP in über zehn Seiten das ,C‘ innerhalb der Bezeichnung CVP abhandelte.

FDP

FDP Wahlen 2011
Die Wahlthemen 2011 der FDP (zum Vergrössern anklicken).

Die FDP ist die Partei, für welche die «Liebe» zu den «Bilateralen» und zum «CHF» von grosser Bedeutung ist. So in etwa könnte man (fälschlicherweise) den Blick von weitem auf die hervortretenden Wahlthemen der FDP zusammenfassen.

Obschon die FDP als einzige Partei gegen «Bürokratie» kämpft und einem dieser Begriff häufig auf den Wahlplakaten begegnet, muss man ihn doch suchen. Der so genannte «Rentenkollaps», ebenfalls ein wichtiges Thema für die FDP, taucht zwar auf, allerdings auch nur sehr klein. Zu den Wahlthemen «Bildung», «Einwanderung» oder «EU-Beitritt» erscheint hingegen überhaupt kein Ausdruck.

Demgegenüber finden sich verschiedene Ausdrücke, bei denen sich die FDP über die anderen Parteien beklagt. Dazu gehört vor allem «Extremparteien» (ein Kandidat fürs Unwort des Jahres), aber auch «Polemik», «Missgunst», «Linke» und sogar «SP». Insgesamt entsteht so der Eindruck, dass man sich zwar wiederholt gegenüber den anderen abzugrenzen versucht, indem man schlecht über sie spricht und dabei ganz vergisst, die zentralen Begriffe zu den eigenen Wahlthemen zu betont. Ob das nicht auch unter Missgunst fällt…?

Grüne

Grüne Wahlen 2011
Die Wahlplattform 2011 der Grünen (zum Vergrössern anklicken).

Der Blick von Weitem auf die Ausdrücke der Wahlplattform der Grünen ergibt kein klares Themen-Bild. Die immer wieder verwendeten Begriffe «kommenden», «Legislatur», «Partei» oder «sowie» verwässern das Bild. Hingegen sprechen auch die Grünen häufig von «fordern» und «müssen».

Auffällig ist vor allem, was bei den Grünen ins Auge stechen sollte, dies aber nicht tut. So finden sich zwar typische Grüne-Begriffe wie «nachhaltige» oder «Umwelt». Doch Ausdrücke wie etwa «Energie», «AKW», «Ausstieg» oder «erneuerbar» fallen nicht unter die Top66 (war da was in Fukushima?). Sie scheinen noch weniger häufig erwähnt worden zu sein als «Bund», «Bildung», «Wirtschaft», «Verkehr» oder «Raumplanung».

SP

SP Wahlen 2011
Die Wahlplattform 2011 der SP (zum Vergrössern anklicken).

Bei der Wahlplattform der SP lässt der Blick von Weitem deutlich den Wahlslogan «Für alle statt für wenige» erkennen, wobei das Wort «alle» zu den Allgemeinwörtern gehört, welche automatisch herausgefiltert werden. Dieses «alle» kommt hingegen auch häufig über den Begriff «Bevölkerung» zum Ausdruck.

Beachtenswert ist auch die Tatsache, dass die SP im Gegensatz zu anderen Parteien eine ganz andere Sprache verwendet und darum offensichtlich nichts «fordert», dies obschon bei den Begriffen «Wohnraum» und «Mieten» Grund bestünde, es zu tun. Hingegen taucht auch hier häufig ein «mehr» auf.

Und was bei den Grünen fehlt, tritt stattdessen hier deutlicher hervor: «erneuerbaren» und «Energien». Dafür ist die «Umwelt» kein Thema. Erstaunlich ist, dass Kernbegriffe wie soziale Gerechtigkeit oder Gesundheitsversorgung nicht oder nur knapp in Erscheinung treten. Mit «Banken», «Boni», «Milliarden» und «Lohn» scheint die SP hingegen viel auf Vergangenes zurückzublicken.

SVP

SVP Wahlen 2011
Der Wahlvertrag 2011 der SVP (zum Vergrössern anklicken).

Das Bild von Weitem der Wahlplattform der SVP macht deren Fixierung auf die Themen «EU», «Ausländer» und «Zuwanderung» deutlich. Das ist nicht weiter überraschend. Überraschen tut hingegen die häufige Verwendung der Begriffe «Bundesrat» und «Ständerat».

Zwar ist bekannt, dass die SVP mehr Vertreter im Ständerat haben will. Doch nur die SVP macht aus dieser strategischen Absicht ein politisches Wahlkampfthema. Ähnlich fragwürdig ist die Fixierung auf den Bundesrat: Er tritt deshalb so häufig in Erscheinung, weil er – und nicht etwa das auftragserteilende Parlament – der Grund allen Übels sein soll.

Auffällig ist ebenfalls, dass kein anderes Thema als der Umgang mit Ausländern und dem Ausland in Erscheinung tritt. Umwelt, Energie, Arbeitsplätze, Wirtschaft usw. scheinen bei der SVP kaum von Interesse zu sein.

Und noch etwas fällt auf: Um die zehn Begriffe treten relativ stark in Erscheinung, etwa ebenso viele weisen eine mittlere Grösse auf. Der weitaus grösste Teil entfällt jedoch auf extrem klein geschriebene Begriffe.

Dabei handelt es sich um Begriffe, die in früheren Zeiten eine höhere Bedeutung hatten: «Grenzen», «Neutralität», «Unabhängigkeit», «Straftaten» oder «Strafrecht». «Volkswahl» oder «Volksinitiativen» scheinen wichtiger geworden zu sein. Und die Islamisierung der Schweiz? Ach ja, diese Gefahr ist nun dank Minarettverbot gebannt… 😉

 

7 Antworten auf „Ein Wordle sagt mehr, aber weniger als 1000 Worte“

  1. Diese Buchstabenbilder finde ich total witzig! (Aber irgendwie klappt hier was mit meinem Bowser nicht.)

  2. „Interessanter wäre die Auswertung meiner Meinung aber, wenn…“ Finde diese Buchstabenbilder schon so genügend interessant. Verstehe nicht, warum man nicht auch so einfach Freude daran haben und zeigen kann.

  3. @ Harald
    Vielen Dank für den Hinweis bzw. Link.

    Spannend finde ich noch den Vergleich zwischen dem, was „wahlvertraglich“ primär versprochen wird (siehe oben) und dem, was medial primär zu verbreiten versucht wird (Wortwolken der Media-Work). Da gibt es massive Unterschiede.

    Und: Die Wortwolken von Media-Work passen (subjektiv empfunden) eher zu den Werbekampagnen der Parteien als die Wortwolken der Wahlverträge/Wahlplattformen/Wahl…usw. Da stellt sich dann die Frage, welches Chamäleon man wählen soll… 😆

    Interessant wären sicher auch noch Wortwolken mit nur den Verben, denn sie drücken eine Aktivität aus. Da ich schon genug Aufwand hatte, die beim „Copy-Pasten“ auf zwei Zeilen getrennten Wörter wieder zusammenzusetzen (und Kopf- und Fusszeilen zu bereinigen), verzichte ich auf eine weitere Fleissarbeit…

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