Alles oder nichts oder das kleinere Übel

Die Volksrechte sollten dazu genutzt werden, grundsätzliche Anliegen durchzusetzen, welche von der Politik bisher verkannt wurden. Sie zur Durchsetzung einer Maximalforderung zu nutzen, könnte hingegen kontraproduktiv sein.

Das Steuerabkommen mit Deutschland ist in der Schweiz unter Dach und Fach, zumindest was die Behandlung dieses Dossiers im Schweizerischen Parlament anbelangt. In Deutschland selber ist bekanntermassen eine Zustimmung in der Länder-Kammer, dem dort genannten Bundesrat, hingegen gar nicht sicher.

Steuerschuld getilgt – wenn auch anonym (?)

Nun regt sich aber auch in der Schweiz noch Widerstand: Währenddem die SP Schweiz vergangene Woche entschied, doch nicht das Referendum gegen die Steuerungsabkommen zu ergreifen, wollen dies stattdessen nun die Jungsozialisten (JUSO) tun.

Die SP Schweiz erklärt ihren Entscheid wie folgt:

«Den Verzicht aufs Referendum begründet die GL ausserdem mit anderen Prioritäten – namentlich der laufenden Unterschriftensammlung zur Erbschaftssteuer-Initiative.

Die JUSO wiederum schreibt Folgendes zu ihrem Entscheid, das Referendum zu ergreifen:

«Es darf nicht sein, dass Sonderrechte für einige superreiche Steuerflüchtlinge eingeführt werden.»

Die so genannten «Quellensteuerabkommen» sehen vor, dass direkt an der Quelle Steuern auf den Kapitalerträgen wie etwa Zinsen oder Dividenden erhoben werden. Dies geschieht durch die jeweilige Geschäftsbank (UBS, CS usw.). Diese überweist den fraglichen Betrag an die Eidgenössische Steuerverwaltung und diese wiederum ans nationale Steueramt des jeweiligen Landes.

Die Kunden bleiben dabei anonym, währenddem sie zugleich ihrer Steuerschuld nachgekommen sind. Eine Vermögenssteuer, so wie wir das in der Schweiz kennen, gibt es in Deutschland seit 1997 nicht mehr, und auch in Österreich hat die Vermögenssteuer gemäss OECD keine grosse Bedeutung. Somit spielt es keine Rolle, wenn im erwähnten Abkommen die Besteuerung des Vermögens selbst nicht behandelt wird (vermutlich gerade deswegen nicht).

Als Laie in Sachen Steuerabkommen ist es schwer nachvollziehbar, wo hier nach Ansicht der JUSO irgendwelchen «Superreichen» Sonderrechte eingeräumt werden. Diesen Vermögenden werden ja so oder so Steuern abgezogen, wenn nicht unter ihrem bekannten Namen im Heimatland Deutschland, so dann eben anonym in der Schweiz.

Und wenn der Schuss nach hinten losgeht?

Und selbst wenn es tatsächlich Vorteile gäbe für Deutsche, welche einen Teil ihres Vermögens in der Schweiz «geparkt» haben: Soll deswegen gleich das gesamte Abkommen über Bord geworfen werden?

Spielen wir das einmal durch: Angenommen, das von der JUSO ergriffene Referendum käme zustande. Das würde bedeuten, dass das Steuerabkommen mit Deutschland vorerst nicht in Kraft treten kann, da ja zuerst das Schweizer Stimmvolk darüber abzustimmen hätte.

Letzteres könnte frühestens anfangs März 2013 geschehen. Weil erst anschliessend klar ist, ob dieses Abkommen überhaupt umzusetzen ist, können die entsprechenden Arbeiten für die Umsetzung auch erst nach dieser Abstimmung definitiv in Angriff genommen werden. Somit dürfte sich das Inkrafttreten wohl mindestens auf den 1. Januar 2014 verzögern.

Das Abkommen mit Deutschland sieht eine rückwirkende Steuerbelastung vor. Von diesem Standpunkt her spielt es also keine grosse Rolle, wenn sich das Ganze um ein Jahr verzögerte. Aber: Kommt es zu einer Ablehnung des Referendums, musste Deutschland unnötigerweise auf die dringend benötigten Milliarden warten.

Käme es sogar zu einer Annahme des Referendums, gälte wieder der Status quo. Das heisst, es wäre weiterhin möglich, dass deutsche Vermögen auf Schweizer Banken gar nicht versteuert würden. Ebenfalls fällt dann natürlich die rückwirkende Steuerbelastung weg, womit Deutschland nicht zu den erhofften Milliarden käme.

Die JUSO bekämpft dieses Steuerabkommen mittels Referendum aber natürlich nicht, damit weiterhin deutsche Vermögen unversteuert auf Schweizer Banken liegen können, sondern damit ein «besseres» Abkommen ausgehandelt wird.

Sollte das Schweizer Stimmvolk dieses Referendum überraschenderweise annehmen, blieben die Beweggründe für dessen Annahme (beziehungsweise für die Ablehnung dieses Steuerabkommens) aber dennoch unbekannt.

Die SVP beispielsweise bemängelt nämlich ebenfalls diese Steuerabkommen – natürlich aus ganz anderen Gründen als die JUSO. Es wäre darum falsch anzunehmen, dass eine Ablehnung des Steuerabkommens einem Auftrag an Parlament und Bundesrat entspricht, ein noch «besseres» Steuerabkommen mit Deutschland auszuhandeln.

Selbst wenn sich dank Nachbefragungen bei den Stimmenden herausstellen würde, dass die Ablehnung dieses Abkommens mehrheitlich gemäss den Gründen der JUSO erfolgte, dürfte es Jahre dauern, bis ein neues, «besseres» Abkommen auf den Beinen stünde und alle demokratischen Hürden in beiden Ländern genommen hätte. In der Zwischenzeit wartet Deutschland weiterhin auf die erhofften Steuermilliarden…

Der Weg zu einem «besseren» Steuerabkommen im Sinne der JUSO wäre somit lange und steinig, währenddem das Risiko, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren gar kein Abkommen in Kraft tritt, relativ gross ist.

Jetzt befürworten, Mängel später beheben

Die deutschen «Superreichen» werden in dem Falle der JUSO danken können, denn ihnen werden weitere Jahre eingeräumt um sich nach einer anderen «Lösung» umzuschauen. Gemeint ist damit, dass die Betroffenen bereits in der Vergangenheit keine Skrupel kannten, ihre Vermögen in der Schweiz nicht in ihrem Heimatland zu deklarieren, ergo werden sie bestimmt auch in Zukunft Mittel und Möglichkeiten finden, dem deutschen Steuervogt zu entgehen.

Das kann bedeuten, die Vermögen in ein anderes Land ohne Steuerabkommen mit Deutschland zu transferieren oder sogar in die Schweiz umzuziehen. In diesen Fällen würde auch kein automatischer Informationsaustausch nützen, denn diesen bräuchte es dann zwischen der Schweiz und Deutschland gar nicht mehr.

Deutlich wird dabei aber auch, dass das Problem der Steuerflucht – oder des Steuerwettbewerbs für «Superreiche» – nicht bilateral und auch nicht nur auf europäischer Ebene gelöst werden kann. Es bräuchte eine identische, weltweite Handhabung dieser Personen.

Wenn man sich vor Augen führt, dass nicht einmal in den 26 Kantonen der kleinräumigen Schweiz «Superreiche» gleich gehandhabt werden, gehört die Vorstellung einer gleichen Handhabung auf weltweiter – oder wenigstens auf europäischer Ebene wohl definitiv ins Land der Träume.

So bleibt nichts anderes übrig, als wenigstens den Weg der kleinen Schritte einzuschlagen. Das bedeutet, diese Steuerabkommen jetzt so zu befürworten, dafür aber mittels einer nächsten Etappe auf eine Verbesserung allfälliger Mängel hinzuarbeiten.

2 Antworten auf „Alles oder nichts oder das kleinere Übel“

  1. Gilt eigentlich das Steuerabkommen für beide Seiten? Was passiert mit den Schweizern, die ihr Geld im Ausland „angelegt“ haben, zum Beispiel in Süddeutschland?

Kommentare sind geschlossen.