Frauen und Politik?

Vieles, das heute (glücklicherweise) als selbstverständlich gilt, hat noch nicht lange Bestand. Dazu gehört das Wahl- und Stimmrecht für Frauen, welches dieser Tage Anlass zu einem kurzen Rückblick gibt.

Die gestrige Tagesschau erinnerte in einem Bericht daran, dass (erst) vor 20 Jahren, im Frühjahr 1989, im Kanton Appenzell Ausserhoden als zweitletzter Kanton das Frauenstimm- und -wahlrecht eingeführt wurde.

«…ohne Rechte dürfen wir, mit Rechten müssen wir…»

Um einen zeitlichen Kontext zu geben: Im gleichen Jahr, genau heute (1. Juli) vor 20 Jahren, fand die erste Loveparade in Berlin statt. Kontrastreicher kann das Bild kaum sein zwischen der flippigen, Körperkult-orientierten Techno-Welt und der «heilen», bewusst konservativ gehaltenen Welt im Appenzellerland nach dem Motto «Frauen haben von Politik sowieso keine Ahnung und gehören hinter den Herd»…

Auf nationaler Ebene brauchte es mehrere Anläufe bis die Schweizer Männer 1971 den Frauen das Stimm- und Wahlrecht einräumten. Dazu ein kleines, bemerkenswertes Detail: Währenddem der Kanton Glarus am 7. Februar 1971 zu 59 Prozent Nein zu dieser Vorlage sagte, stimmte er schon drei Monate später an der Landsgemeinde vom 2. Mai 1971 der Einführung der gleichen Rechte auf kantonaler Ebene zu.

1959: frauenstimmrecht nein!

Quelle: Flickr/Stadtwanderer, (c) Stadtwanderer
 

Langer Kampf um gleiche Rechte

Im Kanton Ausserhoden «trotze» man der kantonalen Einführung wie bereits schon erwähnt noch beinahe zwei Jahrzehnte lang. Und den Innerhodenern musste das Bundesgericht 1990 in Erinnerung rufen, dass (schon damals) die Gleichstellung von Mann und Frau auch auf kantonaler Ebene zu gelten habe…

Doch die Schweiz war nicht das letzte europäische Land, welches trotz Lobeshymne auf sein direktdemokratisches System und seinen Einsatz für die humanitäre Sache den Frauen die gleichen politischen Rechte lange Zeit vorenthielt: Erst heute vor 25 Jahren (1984) stimmten die Liechtensteiner der Einführung der politischen Gleichberechtigung in ihrem Ländle zu.

Heute nicht mehr erwähnenswert?

Ob diese späte Einführung den Liechtensteinern peinlich ist, da das offizielle Fürstentum Liechtenstein nichts dazu verlauten lässt, auch das Liechtensteiner Volksblatt nichts darüber erwähnt und einzig das Liechtensteiner Vaterland auf dieses bedeutende Ereignis – es ging doch immerhin um die Hälfte der Bevölkerung – hinweist?

Zurück zur Schweiz: Bei der aktuellen Suche um die Nachfolge von Bundesrat Pascal Couchepin stellt sich die früher häufig sehr verkrampft geführte Diskussion um die «Frauenfrage» nicht mehr. Das kann durchaus als positives Zeichen gewertet werden, obschon sich die Frage wohl auch deshalb nicht mehr so dringend stellt, weil bereits drei Frauen im Bundesrat sitzen.

Und vielleicht wird die Schweiz bald etwas haben, was wohl nur wenige Länder vorweisen können: Eine Frauen-Mehrheit in der Landesregierung.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Wirtschaft (endlich) nachzieht…

12 Antworten auf „Frauen und Politik?“

  1. Zu den Liechtensteinern: Auf dem Platz vor dem Parlamentsgebäude in Vaduz gibt es eine Ausstellung zum Thema Frauenstimmrecht.

    Zu sehen sind unter anderem alte Flyer, Plakate usw. Sie zu lesen ist wie das Eintauchen in eine andere Welt. Zugegeben, diese Ausstellung kommt etwas verschupft daher auf diesem grossen Platz, aber es gibt sie, und die erfrischenden Argumente der damaligen Kämpferinnen für das Frauenstimmrecht zu lesen, ist ein Aufsteller, denn es sind nicht verbitterte Töne, die da anklingen, sondern (zum grössten Teil) humorvoll aufmüpfig hinterfragende.

  2. Zur Wirtschaft: nach 15 Jahren als Selbständige mit eigener Firma und vertieftem Einblick in die Arbeitgeberwelt, wage ich zu behaupten, dass viele Frauen das gar nicht wollen. Dieses Gehetze, dieses totale Vereinnahmtwerden von der Arbeit, dieses „alles oder gar nichts“, diese Ränkespiele, diese Verhaltensmuster, in die man gedrängt wird usw.

    Um es positiv zu formulieren: Viele Frauen, die in der Lage wären, in der Wirtschaft bis nach ganz oben zu kommen, wollen das irgendwann gar nicht mehr, weil sie mehr vom Leben wollen, als 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, für eine Firma Gewehr bei Fuss zu stehen. Ich denke, viele Frauen hinterfragen fixe Strukturen und zum Teil birnenweiche ungeschriebene Regeln heftiger und nachdrücklicher als Männer, die sich in dieses Rennen stürzen und dabei oft alles andere (auch das Leben um sich herum) ausblenden.

    Darum sehe ich die starken Frauen in kleinen, eigenen Firmen, in denen sie ihre eigenen Strukturen aufbauen, vielleicht sogar als Einfrauunternehmen, in denen sie ihre Ziele setzen und ihre Ideale ausleben, in denen sie sich ihre Freiräume erhalten und nicht vergessen, auf eigene Bedürfnisse zu hören.

    Diese Firmen sind dann halt vielleicht nicht gerade die grossen globalen Player; es kann auch ein ganz normaler eigener Coiffeursalon oder der eigene Blumenladen sein. Solche und ähnliche gibt es zuhauf, viele erfolgreich geführt von Frauen. Nur redet von denen niemand. Oder man belächelt sie. Zu unrecht.

    Also: Genau hingucken, sich bewusst machen, dass KMUs und Kleinstunternehmen auch ein Bestandteil der Wirtschaft sind, und dann nochmals nachrechnen. Die Frauen SIND in der Wirtschaft tätig. Und im Gegensatz zu manchem hohen (männlichen) Tier auf irgendeiner Teppichetage, das jeden Tag eine Unmenge Geld „verbrennt“ (ist ja nicht das Geld des hohen Tiers), erwirtschaftet manch eine Kleinunternehmerin Jahr für Jahr einen (nicht so grossen) Profit. Oder: Während hohe (männliche) Tiere massenhaft Leute entlassen, beschäftigt die Kleinunternehmerin halt nur ein paar Angestellte, die aber langfristig.

    Du siehst, Titus, ich sehe das mit den Frauen in der Wirtschaft pragmatisch anders. Es ist halt wie überall. Ein paar Wenige tummeln sich in den Schlagzeilen, der Rest tut seine Arbeit.

  3. Da muss ich mich ganz schnell dem letzten Kommentar von Frau Zappadong anschliessen und dehne das Ganze auch auf die männliche Welt aus. Denn auch hier gibt’s so Einige, die das Hamsterrädeln, Treten, Gemobbe und sonstige Ellenbögeln nicht aushalten und lieber – wenn auch auf kleiner Flamme – das eigene Ding durchziehen. Stichwort: Herzensbusiness.

  4. @ Frau Zappadong
    Ich wollte mit dem letzten Satz natürlich nicht sagen, dass Frauen in der Wirtschaft nicht tätig sind (selbst Hausfrauen üben in meinen Augen eine «wirtschaftliche Tätigkeit» aus, wenn ich das so nennen darf).

    Die genannten Beispiele decken sich auch mit meinen Beobachtungen. Ich habe aber auch den Eindruck, dass die Betreiberin der Geschenkboutique, des Blumenladens usw. eher eine «Wiedereinsteigerin» ist und zwar nicht in ihrem erlernten Beruf, da sie aus «familiären Gründen» zu lange «weg vom Fenster» war.

    Genau da orte ich das Problem und genau das meinte ich: Die Wirtschaft ist heute noch zu unflexibel, um Frauen auch dann noch eine Anstellung zu ermöglichen, wenn sie Kinder haben. Es kann, muss sich aber nicht um eine Frau handeln, die früher in der Teppichetage arbeitete (oder dies anstrebt).

    Es kann sich ja auch um eine Fachspezialistin wie z. B. eine Biologin oder eine Arztassistentin oder … handeln, alles Fachkräfte, welche laufend am Ball bleiben müssen um den Anschluss der weiteren Entwicklung nicht zu verpassen.

    Da die Kinder auch einen Vater haben, möchte vielleicht auch dieser sein Pensum reduzieren ohne deswegen in seiner bisherigen Tätigkeit eingeschränkt zu werden («Du kannst nicht mehr XYZ machen wenn Du nur noch 70 % arbeitest») oder – er wird gar zum Hausmann und sie geht arbeiten. Solche Modelle sind hierzulande noch ziemlich unbekanntes Land. Ich meine gehört zu haben, dass die nordischen Länder da weiter sind, weil sie auch unverkrampfter damit umgehen.

    Es geht somit nicht bloss nur um die Frauen. Es geht darum, die Kompetenzen einer Person unabhängig von Alter, Pensum und Geschlecht in den Vordergrund zu stellen statt wie heute bei der Personalselektion diese Aspekte immer im Hinterkopf zu haben…

  5. habe grad – mit etwas verspätung – ein themenverwandtes editorial aus dem hause köppel / weltwoche plus kommentar gelesen in sachen kinderschafts-urlaub einer managerin.

    drum meine diesbezügliche fragen: habe ich da was verpasst, oder wie um alles in der welt kommt das blatt im jahr 2009 zu solchen ‚themen‘?

    es kann ja wohl kaum damit getan sein, das blatt einfach als nonsense abzutun; worum geht’s wirklich bei solcher schreibe?

  6. Ich bin mir nicht sicher, welche Ausgabe mit welchem Thema Du ansprichst. Ich habe online in jüngster Zeit etwas in der Ausgabe 22/2009 gefunden, wobei der Leitartikel online nicht verfügbar ist, jedoch das Editorial und die Leserbriefe (in der nächsten Ausgabe). Und die Offline-Version liegt mir nicht vor.

    Der erste Satz des ersten Leserbriefs lautet: «Seit Jahren spürt die Weltwoche akribisch diesem Gender-Thema nach.»

    Vielleicht beantwortet das Deine Frage?

  7. Von einem Wochenmagazin, das sich so nennt, erwarte ich eigentlich andere Themen. Vielleicht wird daraus ja einmal die «Schweizerwoche», wobei dann vermutlich die Kollegen von «Schweizerzeit» nicht besonders glücklich wären 😉

    Ich habe ja nichts gegen das Aufgreifen kontroverser Themen. Es kommt aber immer darauf an, wie man das Thema angeht und was man daraus macht. Im Grunde würde es bei einer WW reichen, einfach nur das Thema bekannt zu geben um zu wissen, was der jeweilige Redaktor dazu meint. Dies auch deshalb, weil schon frühere Ausgaben Ähnliches enthielten (siehe z. B. die weiter oben verlinkten Artikel)…

  8. Zu dem Thema wird eben auch Politik gemacht – natürlich von Frauen, die eben genau dieses „Recht“ einklagen, 160%-Jobs (womöglich mit 100% Aufwand oder noch weniger, welch Subversion!) ausüben zu können.
    So gesehen kann ich nur sagen: Es wäre uns vielleicht noch mehr geholfen, wenn Frauen ihre Energie tatsächlich in alternative Job-Modelle und KMU’s stecken würden und uns Mammutjäger (ich muss jetzt dann mal auf Elefantenjagd gehen) damit noch mehr zum Nachdenken brächten.

  9. Lieber Titus, erlaube mir zu Deinem Artikel noch folgende Bemerkungen:
    Ich glaube, mich entsinnen zu können, dass die zwei unterschiedlichen Abstimmungsergebnisse in Glarus innert drei Monaten nicht zuletzt auf die verschiedenen Abstimmungsrituale zurück geführt wurden. Im einen Fall konnte man „geheim“ an der Urne abstimmen, im anderen tagte eine Landsgemeinde…
    Und zu Appenzell: Es gab nicht wenige Frauen, die sehr stark pro Tradition eintraten und das Stimmrecht gar nicht wollten. Auch politisch aktive Frauen, die zum Teil recht plausibel erklärten, wie der politische Prozess die Diskussion am Familientisch einschloss und der Mann den Entscheid oder die Meinung dann auch nach aussen vertrat…
    Wie oft neutralisieren sich Haushalte eigentlich an der Urne gleich selbst?
    Und Appenzell: Ich kann mich täuschen. Aber ich glaube, Appenzell hat zu den ersten Kantonen gehört, die eine Frau in die Regierung gewählt haben. Vielleicht hat es sich um eine jener Frauen gehandelt, die zuvor ihre Praxis nicht zuletzt am Familientisch gesammelt und gelernt hatte, sich nachhaltig durchzusetzen…

  10. Das ist richtig: Eidgenössische Abstimmungen werden an der Urne gefällt, kantonale «im Ring» auf dem Glarner Zaunplatz. Ob das öffentliche Abstimmung einen Einfluss hatte, ist eine gute Frage. Wenn ich mich richtig entsinne, hatten die Appenzeller auch mehrere Abstimmungen gebraucht, welche immer jeweils genau gleich öffentlich waren. Demzufolge wäre es nicht unmöglich gewesen, dass auch die Glarner nein gesagt hätten…

    Noch ein Wort zum Familientisch und dem Hinaustragen einer Meinung: Ich war letzten Oktober an einer Frauen-Stadtführung, das heisst, es standen die Frauen unserer Stadt im Zentrum. Ich glaube in den 1930er Jahren bestreikten diese zum Beispiel die Bauern, welche immer höhere Preise für Milch verlangten.

    Daran zeigt sich auch, was andernorts genau gleich galt: Die Frauen waren nicht etwa nur für den Haushalt im Sinne von putzen, waschen oder kochen zuständig, sondern sie waren diejenigen, welche die Güter eines Haushalts verwalteten, von den Reserven in der Speisekammer bis hin zur «Goldtruhe». Mit anderen Worten: Frauen hatten im Haushalt eine sehr wichtige Stellung, wichtiger als wir heute oftmals annehmen – aber eben nur zu Hause…

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