Leben spenden hat seinen «Preis»

Gewiss haben Sie schon von Organspenden gehört. Aber haben Sie sich auch schon einmal damit auseinandergesetzt und sich gefragt, was dies für Sie oder Ihre Angehörigen bedeuten würde?

Nach 2007 und 2008 läuft heute die diesjährige Info-Kampagne seitens Bundesamt für Gesundheit (BAG) ab, mit welcher die Bevölkerung verstärkt auf Transplantationen beziehungsweise aufs Transplantationsgesetz aufmerksam gemacht werden sollen. Sie haben in den letzten Tagen bestimmt auch den entsprechenden TV-Spot oder ein entsprechendes Plakat-Sujet gesehen.

BAG Organspende Info-Kampagne 2009

Aber haben Sie sich wirklich einmal ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt? Oder denken Sie bei dem Thema einfach nur ans «Ausschlachten» eines toten Körpers und die ethische Frage, ob man das überhaupt darf?

Nach Konsultation der informativen und sehr umfangreichen BAG-Website www.transplantinfo.ch greift die Augenreiberei einige Aspekte daraus ansatzweise auf. Dies geschieht nicht zuletzt auch deshalb, weil wohl viele auch falsche Vorstellungen zu diesem Thema haben. Für eine vollständigere Sichtweise besuchen Sie die vorgängig erwähne BAG-Website.

Auch zu Lebzeiten

Wer den Begriff «Organspende» hört, der denkt spontan an Organe von verunfallten und dabei verstorbenen Personen, welche an Erkrankte weitergegeben werden sollen.

Dabei sind Organe nur eine von drei Transplantationsformen. Daneben gibt es auch noch jene von Gewebe (zum Beispiel Haut) wie auch von Zellen (Blutstammzellen). Und – besonders wichtig – eine solche Spende muss nicht immer erst dann erfolgen, wenn der Spender verstorben ist. Als Beispiel sei hier der Fall genannt, bei dem eine Mutter eine gesunde Niere ihrer erkrankten Tochter spendet.

Spenden in dieser Form, also unter Blutsverwandten, sind grundsätzlich am Erfolgreichsten, da weniger Abstossreaktionen auftreten. Auf psychologischer Ebene sind sie jedoch am Problematischsten denn: Wie verändert sich das Verhältnis zwischen Spender und Empfänger, wenn trotzdem eine Abstossreaktion auftritt?

Ein solcher Schritt will somit gut überlegt und vorbereitet sein. Am genannten Beispiel lässt sich auch gut erkennen, dass es auch um Aspekte gehen kann, die weiter als den rein operativen Eingriff gehen (wie eben zum Beispiel die psychologischen Folgen).

Häufig anonyme Spende

Nicht immer eignet sich jemand aus der Familie für eine dringend benötigte Spende. In solchen Fällen muss auf möglichst «kompatible» Spender zurückgegriffen werden.

Die potentiellen Spender werden in der Regel dank einer Datenbank gefunden, welche die typischen Merkmale des Spenders enthalten und mit dem Empfänger übereinstimmen. Der Spender bleibt gegenüber dem Empfänger anonym (einschliesslich des medizinischen Teams auf Empfängerseite). Damit soll auch verhindert werden, dass Spender (oder deren Angehörige) nicht plötzlich (finanzielle) Forderungen gegenüber dem Empfänger stellen können.

Auch hierbei kann es sich um so genannte Lebendspenden handeln. Als Beispiel sei die Spende von Blutstammzellen genannt. Wer eine Behandlung wegen Leukämie hinter sich hat, ist anschliessend für die «Wiederaufnahme» der Blutbildung häufig auf eine solche Spende angewiesen.

Das Finden eines solchen Spenders ist jedoch äusserst schwierig, da dafür eine Gewebe-Typologisierung (HLA-System) notwendig ist, welche weit über die bekannte, sehr einfache Typologisierung der Blutgruppen hinausgeht. In der Schweiz gibt es dazu nur gerade mal rund 20’000 spendewilligen Personen. Dabei gilt: Je mehr Spendewillige, desto höher die Chance, eine Übereinstimmung zu finden.

Nicht in jedem Fall muss eine Lebendspende anonym ablaufen. Wenn zum Beispiel nur eine Übereinstimmung der Blutgruppe für eine Organspende erforderlich ist, könnte durchaus auch eine bekannte Person in Frage kommen, die für eine entsprechende Spende bereit ist (analog dem oben genannten Beispiel Mutter/Tochter). Auch hier gilt es allerdings, ein besonderes Augenmerk auf die psychologischen Folgen zu richten.

Physische Lebenserhaltung und Hirntod

Nach heutiger Auffassung gilt jemand als tot, wenn das Hirn nicht mehr reagiert (Hirntod). Um dies festzustellen, gibt es heute umfangreiche Tests.

Das heisst, dass jemand zwar noch physisch am Leben ist, indem seine Atmung und der Blutkreislauf künstlich aufrecht erhalten werden. Sein Hirn reagiert jedoch unwiderruflich nicht mehr.

Für Angehörige ist es in dieser Situation schwierig zu verstehen, dass diese Person eigentlich tot ist. Versetzt man sich hingegen hundert Jahre zurück, also zu einem Zeitpunkt ohne die heutigen technischen Mittel, müsste es uns eher unverständlich erscheinen, dass jemand auf diese Weise noch physisch am Leben erhalten werden kann…

Wer zu Lebzeiten zustimmte, im Todesfall seine Organe zu spenden, der muss physisch am Leben erhalten werden, damit die fraglichen Organe bis zu deren Entnahme weiterhin versorgt werden.

Auch dies dürfte für die Angehörigen nicht einfach sein. Deshalb ist es wichtig, mit diesen über dieses Thema zu sprechen, um so frühzeitig Klarheit zu schaffen – auch um des Seelenfriedens der Angehörigen im Todesfall.

Unentgeltlich

Eine Spende, egal welcher Art, erfolgt hierzulande immer kostenlos.

Das macht durchaus auch Sinn, denn schliesslich soll man nicht des Geldes wegen spenden, sondern aus einer bestimmten Überzeugung heraus.

Illegaler Organhandel

Es gibt ihn, leider, den illegalen Organhandel, bei welchem vor allem in Schwellenländern aus niederen Gründen benachteiligten Menschen Organe quasi für ein Butterbrot entnommen werden.

Stünden ausreichend Organe zur Verfügung, würde man diesem illegalen Handel den Nährboden entziehen. Auf der anderen Seite soll aber eine ausreichende Anzahl Organe nicht bedeuten, dass es in jedem Fall ein «Recht auf Organe» gibt.

Ausdrücklicher Wille

Niemandem werden hierzulande einfach so Organe entnommen. Dafür ist eine ausdrückliche Willensäusserung notwendig. Hierbei gilt zuerst der Wille der verstorbenen Person. Hat sie sich dazu nicht geäussert, kann auch ein Angehöriger (oder eine andere Vertrauensperson) einer Organspende zustimmen oder eine solche ablehnen.

Zurzeit läuft eine Debatte darüber, ob jemand, welcher zu Lebzeiten sich nicht ausdrücklich gegen eine Organspende äusserte, nicht quasi automatisch als Organspender zu betrachten sei.

Da es sich doch um ein sehr heikles Thema handelt, meint man dazu in der Augenreiberei: Nein. Vielmehr sollen möglichst viele sich ausdrücklich Gedanken zu diesem Thema machen und dann ihren (Un)Willen zum Ausdruck bringen.

Spendekarte

Apropos Wille zum Ausdruck bringen: Die jüngste Version der Spendekarte der Stiftung swisstransplant enthält nicht mehr nur die Möglichkeit zu sagen «ich will», sondern auch «ich will nicht». Es ist sogar möglich, die Zustimmung nur zu einzelnen Organen zu geben.

Zudem kann auch angegeben werden, dass eine Vertrauensperson über die Entnahme entscheiden soll. Von dieser Option rät man in der Augenreiberei eher ab, da von dieser Vertrauensperson – nebst der Bewältigung des Todesfalls – doch eine ziemlich schwierige Entscheidung verlangt wird.

Entscheiden SIE deshalb selber – und zwar zu Lebzeiten!

Positionsbezug des Autors

Ich bin regelmässiger Blutspender (sofern es die Umstände erlauben) sowie potentieller Blutstammzellenspender (Lebendspende). Ebenso habe ich mich für die Spende sämtlicher Organe ausgesprochen.

Warum?

Im Vordergrund steht der relativ egoistische Gedanke, vielleicht selber einmal in die Lage zu gelangen, auf ein Organ, auf Gewebe oder Zellen angewiesen zu sein. Es kann jedoch keine Hilfe geben, wenn niemand für Spenden bereit ist.

Datenschutzrechtliche Bedenken habe ich keine. Die noch nicht abgeschlossene Diskussion, in einem amtlichen Dokument seinen Spende(un)willen zu vermerken, läuft zurzeit in die Richtung, dass im Rahmen der neuen Versicherungskarte ein Vermerk möglich sein soll (also auch kein muss), ob eine Spendekarte, über welche ja auch sein Unwille ausgedrückt werden kann, vorhanden sei oder nicht (entgegen diesem Interview hat der Nationalrat nur knapp der Annahme einer Motion zugestimmt und nicht etwa einem entsprechenden Vermerk in ID oder Pass).

Datenschutzrechtlich bedenklicher sind wohl vielmehr die anderen Angaben auf der fraglichen Versicherungskarte als ein «Spendekarte vorhanden: Ja/Nein»…

Zweifel ob der korrekten Zuteilung habe ich auch keine. Im Gegenteil: Ich bin froh, mich gegebenenfalls nicht mit dieser schwierigen Aufgabe auseinandersetzen zu müssen (das kann ich dann ja auch nicht mehr).

Selbst wenn die Zuteilung nicht korrekt erfolgen würde (was das auch immer heissen möge), so wird jemand meine Spende bekommen, der sie dringend braucht.

Schliesslich steht auch der Gedanke im Vordergrund, weshalb ich im Todesfall – salopp ausgedrückt – von Würmern gefressen oder kremiert werde soll, statt das ein Teil meines noch intakten physischen Seins einer anderen Person, welche ohnehin schon vor dem Organempfang viel Leid ertragen musste, neues Lebensglück schenken könnte. Die Würmer finden auch sonst noch was zu futtern 🙂 .

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6 Antworten auf „Leben spenden hat seinen «Preis»“

  1. Ich bin Alltags-Motorradfahrer, 44 und gesund, gehöre also trotz Fahr-Weise.ch-Leitsatz statistisch einer Risikogruppe an, und damit zu den potentiellen Organspendern.

    Bei bobsmiles zu Hause wurde das Thema schon letztes Jahr diskutiert und in Folge haben ich und meine Frau die Karte ausgefüllt.
    (Wir stellen im Todesfall alle Organe zur Verfügung, die Würmer sollen Kompost fressen.)

    Das Tolle daran ist, es braucht keinen Notar, ich konnte mich in Ruhe damit auseinander setzen und meine Angehörigen sind von dieser zusätzlichen Last befreit.

    So oder so, der Tod wird früher oder später eintreten, schlagen wir ihm also ein Schnippchen und lassen Teile von uns weiterleben.
    😉

    Übrigens sollte ich mich unbedingt wieder mal zum Blutspenden anmelden …

  2. Ich bin völlig einverstanden mit dir, bobsmile. Deine Denkweise gefällt mir gut. Meiner Meinung nach braucht ein toter Körper die gesunden Organen nicht mehr… Gruß,Kevin

  3. Hallo monika (bzw. Kevin?)
    Deine Zustimmung hat mich zwar gefreut, leider kamen aber gemischte Gefühle auf, als ich deinem Link folgte, der mich zum blog „Tagesgeld Berlin“ führte und mir dort der Beitrag „Fett absaugen“ ins Auge sprang, in dem behauptet wird, dass dies die einzige nachhaltige Methode sei, Fettzellen abzubauen.
    (Örg, mir wird schlecht.)

    Sorry, aber wer ausgewogenem Essen und Sport (bzw. Bewegung) die Nachhaltigkeit und langfristige Wirkung abspricht, bei dem habe ich Mühe ob er/sie bezüglich „Organspende“ wirklich lautere An- und Absichten hegt.

    BTW: monika/Kevin, im Impressum des „Tagesgeld Berlin“ blogs fungiert die Online Solutions Group, eine Web Marketing Firma. Dein Arbeitgeber? Bitte zerstreue meine Bedenken nach einem plumpen Spamversuch, möglicherweise hast du das mit dem Hohelied auf das „Fettabsaugen“ nur als Satire gedacht?

    (@Titus: sorry, dass ich hier deine Bloghütte für den Offtopic strapazierte. Aber ich wollte es gerne im Zusammenhang lassen.)

  4. Kein Problem, Bobsmile.

    Die Antwort von Monika befand sich ursprünglich unter den Spam-Antworten, unter welchen ich auch schon andere, definitiv nicht unlautere Antworten fand (auch ich kam andernorts schon da rein).

    Mit Deinem Verdacht hast Du in diesem Fall aber wohl schon recht. Ich werde in Zukunft wohl jede Antwort einer Gewissensprüfung des oder der Kommentator/-in unterziehen müssen, insbesondere dann, wenn sie im Spam-Filter landen 🙂

  5. Ich bin mit dem Autor ganz einer Meinung. Wir haben das Thema auch schon im Ergänzungsfach Life Science durchgenommen und eine entsprechende Exkursion ins Spital unternommen.
    Einerseits besteht beim Empfänger das Problem der
    Abstossungsreaktion. Je mehr verschiedene Antikörper der Empfänger besitzt, desto kleiner ist seine Auswahl an kompatiblen Organen. Die Spende Mutter an Kind ist dabei eher selten möglich, da das Kind oftmals schon während der Schwangerschaft Antikörper gegen die spezifischen Antigene der Mutter gebildet hat.

    Warum viele Angehörige eine Organentnahme beim Verstorbenen ablehnen, wird sich nicht rational erklären lassen. Vielleicht spielen da irrtümlicherweise spirituelle Werte mit (Seele muss intakt bleiben) oder die Verbliebenden fühlen sich in ihrer Vorstellung verletzt, der Tote liege jetzt nicht mehr „als Ganzes“ unter dem Grabstein.

  6. Danke Dir, Simon.

    Das Beispiel Mutter/Tochter könnte natürlich auch anders lauten, also z. B. eine Spende unter Geschwister (was vermutlich auch altersmässig besser wäre?).

    Zur Frage der Angehörigen: Wenn jemand unverhofft stirbt, dann wird er von Amtes wegen gerichtsmedizinisch untersucht (was war die Todesursache, lag ein Gewaltverbrechen vor usw.). In so einem Fall haben die Angehörigen nicht einmal die Möglichkeit, dagegen zu sein dass die verstorbene Person nicht «auseinandergenommen» wird. Somit ist das Bild der «Unversehrtheit» schon deshalb veraltet, weil es nicht in jedem Fall gelten kann…

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