Substanz statt Kosmetik

Die stark gebeutelte Zeitungsbranche ist in diesen Tagen wenigstens optisch mehr denn je in Bewegung. Doch ob diese Bewegung in die richtige Richtung geht, bleibt eher ungewiss…

Diese Woche wartete die «alte Tante», die NZZ, mit einem neuen «look and feel» auf, wie das auf neudeutsch heisst. Die «Bleiwüste» solle verschwinden. Eleganter und aufgeräumter solle sie daherkommen, meint der NZZ-Chefredaktor, Markus Spielmann. Auch inhaltlich soll sich einiges verändern.

Mediales JeKaMi

Nächste Woche soll der Tages-Anzeiger folgen und auch der inzwischen 50-jährige Blick wird in Kürze (wieder einmal) verändert. Unerwähnt bleiben an dieser Stelle all die weiteren angekündigten Redesigns von Regional- und Lokalzeitungen.

Der Medienwissenschaftler Vinzenz Wyss meint dazu in diesem Artikel:

«Ein wunderschönes Layout nützt nichts, wenn die Substanz fehlt.»

«Sie (die Leserschaft) wird sofort durchschauen, ob es sich um reine Kosmetik handelt oder ob tatsächlich journalistische Leistungen angeboten werden, die einen Mehrwert darstellen zu dem, was wir im Geröll der Medienlandschaft ohnehin überall schon haben.»

Ein wahres Meisterstück an Substanzlosigkeit bis hin zu totaler Ignoranz – mit welchem Layout auch immer – leistete sich die Deutschschweizer Presse diese Woche.

So verstarb vergangenen Montag Abend Roger de Diesbach. Er ist der Inbegriff des recherchierenden Westschweizer Journalismus und förderte in seiner Laufbahn einige politische «Ungereimtheiten» zu Tage, was ihn schliesslich auch zu einem Betroffenen bei der so genannten Fichen-Affäre machte.

Er setzte sich auch immer vehement dafür ein, dass nicht der Stutz (hier wörtlich: «le pognon»), sondern die Qualität die Triebfeder von Verlagen sein müsste, weil er davon überzeugt war, dass nur dies den Erfolg einer Zeitung langfristig sichern würde.

Roger de Diesbach:
«Le seul et unique devoir du journaliste est d’informer. Sa seule justification est de rechercher la vérité et les faits»

Ein Blick in die Online-Portale zeigt, dass seine Tätigkeit zugunsten des recherchierenden Qualitätsjournalismus vorwiegend in den Westschweizer Medien gewürdigt wurde, allen voran in der Freiburger Tageszeitung «La Liberté», welcher er einige Jahre als Chefredaktor vorstand und redaktionell wieder auf Vordermann brachte.

Bedenkliche Medien-Bilanz

In den Deutschweizer Online-Portalen finden sich ausgerechnet beim Gratisblatt «20 Minuten» sowie beim Branchenblatt «persönlich» einige wenige Zeilen über seinen Tod. Diese verweisen jedoch nicht auf sein Engagement um den recherchierenden Qualitätsjournalismus.

Irrtum vorbehalten finden sich weder bei der NZZ noch beim Tages-Anzeiger, dem Bund oder beim Schweizer Fernsehen auch nur ein Wort zum Hinschied, geschweige denn zu den Bemühungen Roger de Diesbachs. Dabei hätte es – um über einen aus den eigenen Reihen zu berichten – nicht einmal viel Recherche gebraucht.

Es scheint fast so, als ob man selbst in den Redaktionsstuben alles totschweigen will, das im Ansatz mit Qualitätsjournalismus und nicht zuletzt auch mit dem Überleben gewisser Redaktionen zu tun hat.

Ohne zuweilen unbequeme Menschen wie Roger de Diesbach haben die schweizerischen Medien den Titel «Vierte Staatsgewalt» nicht verdient. Und die Leserinnen und Leser haben diese Medien auch nicht verdient, könnte man ob dieser Ignoranz meinen. Die anstehenden Miss Schweiz-Wahlen sind in der Rubrik «People» eben bedeutender…

Als Medienkonsument ist darum das beste Gedenken an Roger de Diesbach das ständige Einfordern von mehr recherchierendem Qualitätsjournalismus.

 

4 Antworten auf „Substanz statt Kosmetik“

  1. Als ich dieses Zitat von de Diesbach las, war mir klar, dieser Mann stammt aus einer anderen Welt: „Wer sich zum Lautsprecher der Mächtigen …. macht, ist kein Journalist.”

    Heute, wo gerade die Journalisten gar nichts anderes kennen als ihrem Arbeitgeber nach dem Mund zu schreiben und sich darin gefallen, den Blogs an den Karren zu fahren wo sie nur können, da diese ja des Verlegers Geschäftsmodell zu gefährden scheinen.

  2. Ich sag nur: „Papier ist out!“

    Wann kann man die tägliche Zeitung endlich auf sein E-Book runterladen oder wenigstens auf sein IPhone etc. Gerade heutzutage wo soviel Wert auf Öko gelegt wird, sollte man solche Ein-Tages-Fliegen-Papierdinger eigentlich abschaffen… Ich meine mich interessiert der Inhalt, die Software eben die Substanz und nicht die Hardware bei einer Zeitung, und der ist heutzutage ja digital vorhanden… Also warum den Umweg über das analoge Trägermaterial Papier? Und wenn die es schaffen soviel gratis Papierzeitungen auf die Strasse zu stellen, dann wird es ja doch wohl auch möglich sein jeden Tag den Inhalt gratis auf E-Books downloadbar zu machen, das wäre doch mal eine Neuerung…

  3. Glaubt man einigen Fachzeitschriften, sollen sich in Kürze (was auch immer das heissen mag) E-Books verstärkt verbreiten. Trotzdem glaube ich nicht an ein sofortiges Verschwinden der «Papierdinger», da es noch einige ältere Generationen gibt, welche nichts anderes als Papier kennen.

    Und selbst wenn es morgen nur noch digitale Informationsträger gibt, ist das keineswegs ein Garant für eine gute journalistische Qualität…

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