Vergangenen Montag feierte Berlin und die Welt den Fall der Berliner Mauer vor zwanzig Jahren. Ein anderes Mauerwerk scheint derweil leider mehr denn je Bestand zu haben…
Am Tag, als die Welt den Fall der Berliner Mauer vor zwanzig Jahren unter anderem auch als «Sieg über den Kommunismus» feierte, gab’s einen Riss – wenn auch einen sehr kleinen Riss – in die Mauer rund ums Westjordanland.
Eine symbolische Aktion
Einige Palästinenser waren mutig genug, trotz zu erwartendem und schliesslich auch eingetroffenem «Kugelhagel» ein Stück der Mauer herauszureissen:
Ob es sich um eine geplante oder eher spontane Aktion handelte, welche just auf den 9. November 2009 fiel, ist umstritten. Sicher ist, dass sich die zahlreichen Staatschefs lieber im Scheinwerferlicht der Feierlichkeiten zu Berlin sonnten als sich um dieses Gefängnis diese israelische Sperranlage zu kümmern.
Sicher ist auch, dass gerade wegen dieser Feierlichkeiten dieser symbolische Akt des Mauereinrisses eher unterging.
«No more walls»?
Und sicher ist auch, dass die internationale Staatengemeinschaft nichts aus der Geschichte gelernt hat. «No more walls» wurde leider bis heute zu keinem Leitgedanken in der internationalen Politik.
Dabei könnte die groteske Idee, sich mit einem Mauerbau von einem «anderen System» abzugrenzen, die Berliner Mauer durchaus zum Vorbild gehabt haben.
Es bleibt zu hoffen, dass die Palästinenser nicht vierzig Jahre brauchen, um mittels friedlicher Montagsdemonstrationen auf die unbefriedigende Situation aufmerksam zu machen und dass sich dabei auch zahlreiche Israelis anschliessen, welche der Realität mit Vernunft entgegenblicken.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt…
@titus:
was mich diesbezüglich ziemlich pessimistisch stimmt: hast du irgendwo in den massen-medien einen entsprechenden bericht – berlin/palästina gesehen?
wenn also nicht hingesehen wird, dürfte die israelische trennmauer kaum von selber in sich zusammen brechen…
Nein, «natürlich» nicht. Zusammenhänge zwischen einzelnen Ereignissen werden ja kaum mehr erstellt… 🙁
Der israelische Staat knallt Menschen von Helikoptern aus ab, er bombardiert den Gazastreifen nach Belieben und errichtet eine DDR-würdige Mauer… trotzdem kann er, resp. sein Fonds für Landentwicklung, immer noch in der NZZ mit Inseraten für testamentarische Vermächtnisse werben…
Die längst gefallene Berliner Mauer wird gefeiert und glorifiziert. Die aktuell „wirkende“ Mauer in Palästina, z.B. auch in Behtlehem, wo die israelischen Mauer die Stadt mehr oder weniger eingeschlossen und erwürgt hat, wird verschwiegen. In der Weihnachtsgeschichte, die schon bald wieder in fast jedem Schaufenster zur Verkaufsförderung zu sehen sein wird, kommt dann allerdings wieder das „historische“ Bethlehem zu Vorschein, die Krippe, der Ochs und der Esel, die glücklichen Hirten auf dem Feld, die Könige aus dem Mohrenland, das nidliche Kindlein in der Krippe, alles zu den zuckersüssen und kitschigen Klängen von „Merry Cristmas“ aus dem Hintergrundlautsprecher.
Gerade die Weihnachtszeit wäre eigentlich hervorragend geeignet, Zusammenhänge aufzuzeigen und Verlogenheiten konsequent aufzudecken. Nur wer hat daran schon ein Interesse daran und zudem ist die Gefahr nicht zu unterschätzen, am Schuss ein ähnliches Schicksaal zu erleiden, wie derjenige, welcher in Bethlehem vor mehr als 2000 Jahren das Licht der Welt erblicht hat.
Solche Berichte liest man meistens leider nur in den Blogs.
Und bis Israel der ganzen Welt zu glauben gibt, dass ihre Mauer mit der ehemaligen Berliner Mauer nichts gemeinsam hat, sondern: „Der Sicherheitszaun bezeichnet eine zukünftige Grenze zwischen zwei Nationen, die nicht in einem Staat zusammenleben, sondern vielmehr ihr gemeinsam bewohntes Land in zwei getrennte Staaten teilen wollen.“(Quelle: israel.net / Eldad Beck) wird die Situation kaum ändern und die Mauer noch lange dort bleiben, wo sie ist.
Übrigens: „Sicherheitszaun“??? Unter Zaun verstehe ich etwas anderes. Von mir aus ist das eine regelrechte Betonmauer….
@ Bruno Zoller
Gemäss Ihrer Anfrage habe ich das fragliche Inserat nach Ihrem Kommentar eingefügt (zwar ungewöhnlich, aber wichtig, um den Kontext zu verstehen).
@ Christian
Vielleicht sollten wir einmal ein Krippenspiel aufstellen, durch welches eine Mauer verläuft. Ich frage mich grad, auf welcher Seite Josef und auf welcher Maria steht…
@ Lucia
Den Begriff «israelische Sperranlage» habe ich Wikipedia entnommen. Kann man dieser Enzyklopädie weiter glauben, soll es – nebst Betonstücke wie im Video oben – andernorts auch tatsächlich Zäune geben (das könnte André vielleicht noch abschliessend beantworten). Schlussendlich spielt das aber keine Rolle, denn «das Ding» sperrt ein.
Es gibt auch israelische Stimmen, die gegen die Mauer sind und zwar mit der Begründung, dass dadurch Tatsachen geschaffen werden, sprich dass die Zwei-Staaten-Lösung damit betoniert werden und ein einziger Staat Israel nicht mehr möglich werde.
Interessant ist ja auch die Feststellung, dass in Europa die zwischenstaatlichen Grenzen fallen, währenddem sie im Nahen Osten aufgebaut werden. Es hat bei uns Jahrzehnte gebraucht, bis es soweit war. Auch daraus könnte man lernen, nämlich indem man eben nicht solche Abgrenzungen aufbaut, welche dann erst nach Jahrzehnten wieder fallen…
@Titus
Besten Dank.
@ christian & titus:
numen kurz: in bethlehem gibt es holzkrippen zu kaufen, durch die mitten hindurch eine mauer verläuft…
@ lucia:
wording ist ein sehr entscheidender punkt im nahost-konflikt. diesbezüglich:
– anti-appartheit-mauer
– trennanlage
– terror-sicherung
– sperranlage
– sicherheitsanlage
und alle bedeuten sie eben etwas anderes.
rund ein drittel der Trennanlage / Sicherheitsmauer besteht aus sieben metern hohen beton-platten, die restliche Strecke besteht aus ebenso hohen elektronisch gesicherten, teils mit schussanlagen, ausgerüsteten drahtzäunen, vorgelagert eine mehrere meter breite sicherheitszone.
noch entscheidender: die aktuelle linienführung der israelischen Trennanlage / Sicherheitsmauer verläuft in 82 prozent hinter der sog. grünen linie (die nach dem 1967er krieg im waffenstillstands- abkommen vereinbart wurde und allgemein als territoriale grenze zwischen israel und den palästinensischen Gebieten betrachtet wird). was dazu führt, dass weitere 9 prozent an palästinensischem land de facto annektiert werden.
und noch wichtiger: mauert sich jemand ein oder grenzt sich jemand ab, der eine vision hat?
@Titus und André
Herzlichen Dank für diese wichtigen Erläuterungen, die helfen, sich von aussen ein besseres Bild über diese sinnlose Massnahme zu machen. Hoffen wir, dass dieses Video und die Bilder des symbolischen Akts des Mauereinrisses von möglichst vielen Menschen in der Welt wahrgenommen werden.