487 Tage

Manchmal, so scheint es uns in unserem Alltag, vergeht die Zeit viel zu schnell. Wir laufen dabei Gefahr, Wichtiges zu vergessen. Und was uns als «zu schnell» vorkommt, kann für andere zu lange sein…

Der folgende Artikel erscheint im Rahmen einer gemeinsamen Aktion. Weitere Artikel dieser Aktion in anderen Blogs sind am Schluss des Artikels aufgeführt.

Erinnern Sie sich noch daran, was Sie am 19. Juli 2008 machten? Das war übrigens ein Samstag. Stand vielleicht eine Grillparty an? Waren Sie eventuell in einem See oder in einem Fluss baden? Oder lagen Sie irgendwo im heissen Süden an einem Strand und genossen die Ferien?

Ein Blick auf die damalige Tagesschau hilft Ihrem Erinnerungsvermögen vielleicht weiter. Demnach befand sich die Affäre um den damaligen Armeechef Roland Nef gerade auf einem ihrer Höhepunkte.

Barack Obama war zu einem Besuch in Afghanistan eingetroffen – damals noch als US-Präsidentschaftskandidat der Demokraten, welchem der politische Gegner mangelnde Erfahrung in der Aussenpolitik vorwarf.

Und es gab Stau am Gotthard und zwar in beide Richtungen. Doch darauf wären Sie bestimmt auch selber gekommen, schliesslich wiederholt sich dieses Schauspiel alle Jahre wieder.

Am 19. Juli 2008 geschah aber noch etwas ganz anderes.

Eine Odysee beginnt

So wurden an diesem Tag die beiden Geschäftsleute Rachid Hamdani und Max Göldi in Libyen festgenommen.Darüber berichtete die Tagesschau nicht.

Auch die Verhaftung von Hannibal Gaddafi vier Tage zuvor blieb lange unerwähnt. Erst am 23. Juli 2008, als die Verhaftung der beiden Schweizer bekannt wurde, standen wir plötzlich vor dem, das wir heute einfach nur «Libyen-Krise» nennen.

Seither wurden viele erfolglose Schritte auf diplomatischer Ebene unternommen, um die beiden frei zu bekommen.

Seither haben viele von uns viel darüber geschrieben, diskutiert und gestritten und uns nicht gescheut, mit dem Finger auf alle möglichen Beteiligten zu zeigen.

Seither wurden viele Klagen erhoben, Forderungen gestellt und zuweilen groteske Vorschläge für die Freilassung der beiden Schweizer gemacht.

Seither gab es viele Skandälchen um Indiskretionen und vorenthaltene Informationen auf der Schweizer Polit-Bühne.

Einseitiger Fokus

Und obwohl sich eigentlich immer alles um die Freilassung der beiden drehte, hat niemand wirklich an die beiden Schweizer und ihr Schicksal gedacht.

Zu sehr haben wir uns bis anhin vom Gefühl blenden lassen, dass Rechtsstaatlichkeit überall herrsche und das ungerecht sei, was nicht rechtsstaatlichen Prinzipien folge.

Damit soll nicht der Rechtsstaat Schweiz in Frage gestellt werden. Doch wir wissen alle, dass Rachid Hamdani und Max Göldi nicht wegen persönlichen Vergehen festgehalten werden, sondern als Reaktion auf einen rechtsstaatlichen Akt.

Ob die Umstände der Verhaftung von Hannibal Gaddafi umgekehrt rein rechtsstaatlich korrekt waren und das Vorgehen verhältnismässig war – so wie wir das von unserem Rechtsstaat ungeachtet von Herkunft, Rasse oder persönlichem Vermögen auch erwarten – werden wir vielleicht nie genau erfahren. Aber wir können bei uns dank dieser Staatsform wenigstens darüber diskutieren.

Moralische Unterstützung

Die beiden Festgehaltenen bezahlen auf jeden Fall einen hohen Preis für unser Land. Ihnen, und auch ihren Angehörigen, zollt unsere volle moralische Unterstützung für diese zweifellos zermürbende Situation, welche sie nicht selber verschuldet haben.

Seit der Verhaftung der beiden Eidgenossen am 19. Juli 2008 sind inzwischen 487 Tage vergangen.

Diese 487 Tage sind zwar vergangen, werden für die beiden Betroffenen aber nie vergessen sein.

Sorgen wir im Gegenzug dafür, dass wir sie auch nicht vergessen!

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2 Antworten auf „487 Tage“

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