Am kommenden Wochenende stimmt die Schweiz darüber ab, ob sie der Volksinitiative «Für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» zustimmen oder ob sie sie ablehnen will.
«Gerade in der heutigen Wirtschaftskrise steht die GSoA-Initiative völlig quer in der Landschaft», schreibt das Nein-Komitee auf seiner Website zu dieser Initiative. Diese Aussage treibt einen zur Frage, ob es denn der Rüstungsindustrie in zwei Jahren, wenn es der Wirtschaft wahrscheinlich wieder gut geht, besser passen würde, sie abzuschaffen… Wohl kaum.
Manipulierende Aussagen über Arbeitsplätze
Der mögliche Verlust von Arbeitsplätzen ist das Hauptargument all jener, welche weiterhin eine Schweizer Rüstungsindustrie befürworten. Die Zahlen, welche Befürworter und Gegner anführen, sind dank einer Studie identisch: Die Rüstungsindustrie inklusive Zulieferfirmen beschäftigen rund 5’100 Angestellte.
Dazu schreiben die Freunde der Rüstungsindustrie auf ihrer Website:
Eine Studie des renommierten Instituts BAK Basel Economics zu den Auswirkungen eines Exportverbots für Wehrtechnikgüter kommt zu einem klaren Schluss: Über 5100 Arbeitsplätze in der Schweiz würden durch das Ausfuhrverbot von Kriegsmaterial und besonderen militärischen Gütern direkt und ersatzlos wegfallen (Wehrtechnik-Industrie plus Zulieferbetriebe). Diese Zahl wird mehr als doppelt so gross, wenn die schädlichen Auswirkungen auf Produktion und Handel von Dual-Use-Gütern und von zivilen Produkten berücksichtigt werden. Total wären also über 10‘000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt von einem Exportverbot betroffen.
Bei diesem Text wird schlichtweg manipuliert, denn so wie er da steht, suggeriert er, dass das BAK Basel Economics von «über 10‘000 Arbeitsplätze» spreche. Dem ist aber nicht so!
Die so genannten «schädlichen Auswirkungen auf Produktion und Handel von Dual-Use-Gütern» – also von Gütern, die sowohl im zivilen wie auch im militärischen Bereich verwendet werden können – sind einschliesslich des Faktors 2 («doppelt so gross») eine reine Erfindung der Initiativ-Gegner, welcher jeder Grundlage entbehrt (zumindest wird keine Grundlage angegeben).
Die BAK-Studie spricht in diesem Zusammenhang lediglich von «möglichen Kollateralschäden», ohne diese jedoch zu beziffern. Wohl nicht umsonst haben die Gegner der Initiative die BAK-Studie auch gar nicht verlinkt…
Eine dieser Firmen, welche von Dual-Use-Gütern betroffen ist und deswegen kürzlich vor allem von den Initiativgegnern in die Schlagzeilen gezogen wurde, ist die Vibro-Meter AG in Fribourg.
Deren CEO, Peter Huber, droht gleich mit einer Schliessung des gesamten Werks, sollte die Initiative angenommen werden. Dabei machen die betroffenen Güter nach firmeneigenen Angaben gerade einmal 10 % des gesamten Umsatzes aus.
Es gibt jedoch auch Stimmen, die der Aussage klar widersprechen, dass eine Annahme der Initiative tatsächlich Auswirkungen auf die Vibro-Meter hätten.
Diese Drohung, sämtliche 500 Stellen bei Vibro-Meter wegen 10 % problematischem Umsatz nach Frankreich zu verlegen, kann man nicht wirklich ernst nehmen. Man muss sich das einmal vorstellen: Wohl nur wenige der 500 Angestellten wären bereit, nach Frankreich umzusiedeln.
Folglich müssten in Frankreich zuerst irgendwo auf der grünen Wiese neue Werkhallen aufgebaut werden. Dann ginge es darum, gegen 500 Angestellte zu suchen und auszubilden – und dies alles nur wegen 10 % des Umsatzes? So blöd wird ja wohl kein CEO sein und falls doch, dann sollte man diesen wohl exportieren…
Interessant ist hierbei ja auch, dass man schweizweit nur von diesem Fall etwas zu hören bekam. Wo sind all die anderen Firmen, die gemäss den Zahlen oben seitens Initativgegnern auch irgendwo um die 5000 Angestellte ausmachen?
Innovative Industrie?
Der Bundesrat nennt im Abstimmungsbüchlein die Rüstungsindustrie einen «innovativen Industriezweig». Wenn das nicht leere Worte sein sollen, dann dürfte es diesem Industriezweig ja eigentlich leicht fallen, mit neuen Innovationen auch neue Geschäftsfelder zu eröffnen.
So überrascht es auch nicht, dass selbst die RUAG im Geschäftsbericht 2008 schreibt:
Zum anderen konnten aber auch neue Märkte bei der Herstellung von anspruchsvollen Metallkomponenten erschlossen und neue Kunden gewonnen werden, insbesondere im zukunftsträchtigen Bereich der Alternativenergien.
Erfreulicherweise findet sich die RUAG Aerospace denn auch unter den «Specialized Partners» des ambitiösen Solarimpulse-Projekts von Bertrand Piccard.
Ohnehin ist die Schweiz im Bereich der Alternativenergien im Rückstand. Einen Ausbau dieses Bereichs geht genau in die Richtung, welche auch die Befürworter der Initiative vorschlagen. Gar von 63’000 Arbeitsplätzen spricht eine Studie des Bundesamts für Energie!
Aufträge für diese Branche auf sicher
Selbst wenn man diese Möglichkeit ausser acht lässt, so kann sich die metallverarbeitende Industrie, zu welcher die Rüstungsindustrie zweifellos auch zählt, kaum über potentielle oder bereits erteilte Aufträge beklagen.
Letzteres ist der Fall beim Milliarden-Auftrag der SBB an Stadler Rail. Woher soll dieses Unternehmen, vom SVP-Nationalrat Peter Spuhler geführt, die dafür notwendigen Mitarbeiter akquirieren? Vielleicht aus dem Ausland, obschon zurzeit alle über zu viele EU-Bürger in der Schweiz Klagen und daher die Personenfreizügigkeit in Frage stellen?
Trifft es sich da nicht gut, dass ein anderer Rüstungsbetrieb, die Mowag, sich quasi «gleich nebenan» befindet und deren Mitarbeiter wohl mit Handkuss bei Stadler Rail aufgenommen würden?
Das Infrastruktur-Departement UVEK spricht von einer Zunahme des öffentlichen Verkehrs von 45 % bis ins Jahr 2030. Dafür braucht es natürlich auch das notwendige Rollmaterial, welches sicher auch eines der betroffenen Unternehmen liefern könnte.
Die RUAG, welche nach Angaben der Initiativbefürworter nur noch 15 % der Angestellten im Rüstungsbereich beschäftigt, arbeitet denn auch schon mit Bombardier zusammen, ein Unternehmen, welches auch schon Rollmaterial für die Schweiz baute. Somit sind sicher auch längerfristig unzählige Aufträge dieser Branche gewiss.
Relative Sicherheit
Auch das zweite Argument der Initiativgegner, wonach unsere territoriale Sicherheit gefährdet sei durch die Abhängigkeit vor Wehrtechnik kann man nicht ganz ernst nehmen.
Die Rheinmetall Airdefence (ehemals Oerikon-Bührle-Konzern), welche Luftabwehrsysteme herstellt, gehört heute zur deutschen Rheinmetall-Gruppe. Die Mowag, welche Panzer herstellt, gehört wiederum zur amerikanischen General Dynamics-Gruppe.
Vom Radschützenpanzer der Mowag wird nach Angaben der Initiativbefürworter gerade einmal das Chassis und die Antriebswelle gefertigt. Die Motoren, das Getriebe, die Gefechtstürme, selbst die Reifen werden im Ausland eingekauft.
Ohnehin braucht man kein Prophet zu sein um zu wissen, dass das rohstoffarme Land Schweiz in jedem Fall von entsprechenden Importen abhängig ist. Mit Holz, oder gar mit Käse, lassen sich keine Wehrgüter produzieren…
Soll das Unabhängigkeit vom Ausland sein?
Doch damit nicht genug: Im Gegensatz zu allen anderen Gütern haben Waffen eine spezielle Bedeutung. Sie erlauben, bestimmte Machtverhältnisse aufrecht zu erhalten oder zu verändern.
Wer liefert uns die Garantie, dass Waffen «Made in Switzerland», mit welchen solche Machtverhältnisse aufrecht erhalten oder verschoben werden, nicht eines Tages Konsequenzen für uns haben? Unberechenbare Fanatiker (man nennt sie auch Terroristen), könnte das auf den Plan rufen…
Ist es da nicht ziemlich scheinheilig, von einer Gefährdung der eigenen Sicherheit zu sprechen, wenn wir nicht weiterhin selber Waffen produzieren – und vor allem auch exportieren?
Und wie passt das mit unserer hoch gelobten Neutralität zusammen? Ist es da nicht noch scheinheiliger, Kreti und Pleti Waffen zu liefern, dann die Hände von uns zu strecken und zu sagen «wir sind neutral»?
Das Problem Mensch
Schweizer Waffenexporte gelangen dank strikten Exportkontrollen nicht in falsche Hände, meinen die Gegner weiter. Doch die An- und Absichten von Menschen können sich ändern. Die Waffen und deren Zerstörungspotential bleiben indes gleich.
Deutschland, geprägt durch den 2. Weltkrieg, war dafür ausgerüstet, mit seiner Armee das eigene Land zu verteidigen – und nicht mit den eigenen Waffen wieder in fremde Länder wie Afghanistan zu ziehen. Schon alleine daran lässt sich erkennen, wie diese An- und Absichten eines Landes ändern können, eines Landes, welches an sich ähnlich «tickt» wie die Schweiz.
So überrascht es auch nicht, dass damit Schweizer Rüstungsgüter, nach Deutschland exportiert, in Afghanistan zum Einsatz kommen. Es wäre ja auch naiv zu glauben, dass Schweizer Wehrgüter nur für Übungen und später einmal fürs Museum hergestellt werden…
Natürlich gibt es keinen Weltfrieden, sollte die Schweiz morgen keine Wehrgüter mehr herstellen. Es wäre auch falsch zu glauben, dass die einkaufswilligen Parteien von einem Waffenkauf absehen würden, nur weil die Schweiz ein Exportgesuch abgelehnt hätte.
Doch es macht einen Unterschied, ob wir uns darüber Gedanken machen müssen (ja, das müssen wir!), was mit Gütern geschieht, die fürs Töten und fürs Zerstören konzipiert wurden.
Übrigens, Friedenssicherung mag man kurzfristig mit Waffen erreichen. Doch gerade die zermürbende Situation im Irak und in Afghanistan zeigen, dass das auf die Dauer nicht funktioniert. Dafür braucht es andere Rezepte, auf die die grossen Nationen dieser Welt jedoch noch nicht gekommen sind (mehr über ein mögliches «Rezept» folgt in Kürze).
Waffen wie Lego
Das Problem beim Export von Waffen sind nicht die Waffen selbst. Das Problem sind die Menschen hinter den Waffen – und diese Menschen exportieren wir nicht mit und können sie auch nicht kontrollieren.
Wir verlangen vom Waffenabnehmer nicht einmal eine Garantie für eine lebenslange korrekte Verwendung zu den gleichen Bedingungen, welche bei der Beurteilung des Exportgesuchs herrschten. Eine solche Garantie wird wohl auch deshalb nicht verlangt, weil ein Fetzen Papier gar nichts bringt. Zu schnell können Waffen für andere Zwecke eingesetzt werden. Das weiss man wohl auch in der Rüstungsindustrie.
Dass die Menschen und nicht die Waffen das Problem sind, zeigt sich alleine schon bei diesen Waffen-Narren bezüglich AUR der Firma Steyr (Armee Universal Gewehr):
«It’s like a Lego-Set-Gun. And frankly, it just looks cool» sagt darin so ein Grünschnabel, den es wohl selbst schon vom Rückschlag der AUG ins Hinterland pustet. Bedenklich, wenn Menschen über Waffen reden, als wäre es ein Spielzeug und dieses Ding vor allem wegen seines Looks cool finden…
Wirtschaftsfaktor «Konflikte»
Übrigens, das DEZA und das SECO, letzteres auch zuständig für die Bewilligung von Exportgesuchen, geben jährlich unzählige Millionen aus für den so genannten «Wiederaufbau» von Regionen, welche von Kriegen zerstört wurden, so zum Beispiel in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens.
Das sind 100 % Steuergelder, währenddem nur ein Bruchteil der Gewinne der Rüstungsindustrie als Steuereinnahmen wieder in die Staatskasse fliessen. Auch gilt es nicht zu vergessen, dass der Steuerzahler für die inländisch produzierten Rüstungsgüter ohnehin einen hohen Preis zahlt, da wegen des Arguments der Unabhängigkeit vom Ausland jeder Preis bezahlt wird, welcher die RUAG & Co. vorgeben.
Auch ohne diese kalulatorischen Faktoren der Geldflüsse ist und bleibt es makaber, einerseis Waffen durch mehr oder weniger private Unternehmen zu exportieren und andererseits anschliessend wieder staatliche Gelder «fürs Aufräumen» auszugeben.
Die Schweiz hat nicht nur besseres zu exportieren als Waffen. Mit einer Umlagerung der Rüstungsindustrie auf erneuerbare Energien würde sie sich für zukünftige Generationen wesentlich sinnvoller engagieren.