Eis aufm Gleis

Schneefall und Sonnenschein wechseln sich in diesen Tagen ebenso schnell ab wie Temperaturen über und unter dem Gefrierpunkt. Die Folge: Vereiste Fahrbahnen. Das schafft selbst im Bahnverkehr Probleme.

Die Lebensdauer von Schneeflocken ist dieser Tage besonders kurz. Kaum sind sie gefallen, tauen sie auf und führen zu nassen Fahrbahnen.

Spätestens in der Nacht sinken die Temperaturen unter den Gefrierpunkt, womit auch die nassen Fahrbahnen vereisen. Das gängigste Mittel dagegen ist Streusalz. Wie kürzlich bekannt wurde, neigen sich dessen Vorräte nun aber langsam dem Ende zu.

Schneeflocken machen allerdings auch keinen Halt vor den Gleisen des öffentlichen Verkehrs. Ihnen widerfährt das gleiche Schicksal wie den Strassen und den Trottoirs: Sie vereisen.

Auch im Schienenverkehr

Was viele dabei nicht wissen: Auch die Bahnen setzen Streusalz ein, um gegen vereiste Gleise anzukämpfen. Zwar riskieren Bahnen kein Ausrutschen in irgendeine Richtung wie im Strassenverkehr (der Begriff «Gleis» ist eine abgekürzte Schreibweise von Gleit-Eisen).

Vereiste Gleise haben aber Auswirkungen auf den Bremsweg, denn das Rollmaterial schliddert darauf genauso wie bremsende Verkehrsteilnehmer im Strassenverkehr, wenn auch wortwörtlich in geordneten Bahnen.

Weil nun das Streusalz immer weniger wird, überlegt man sich auch bei den Bahnunternehmen, wie man diesen Vereisungen anderweitig entgegentreten könnte. Besonders aktiv ist man bei der Suche nach Alternativen bei den SBB.

Diese haben die Variante «Kieselsteine», wie sie im Strassenverkehr alternativ zur Anwendung kommt, gleich im Vornherein ausgeschlossen, wie der Leiter Winterdienst bei den SBB, Hugobert Sommer, erklärt. Sie würden nicht lange auf den Gleisen bleiben und könnten zudem noch die Scheibenbremsen blockieren, womit auch noch der letzte Rest an Bremswirkung flöten ginge.

Welche Alternative?

Auch die Variante «Sand» komme nicht in Frage. Nach wie vor ist zwar noch immer jede Lokomotive mit einem Sandstreuer ausgerüstet, um bei Anstiegen, wie sie in der bergigen Schweiz häufig vorkommen, die Haftreibung zu erhöhen.

Doch einerseits verfügt nur die Lokomotive über eine solche Vorrichtung, nicht das dahinter angehängte Rollmaterial. Damit verzögert sich das vollständige Abbremsen massiv.

Andererseits befürchtet man, dass nach einiger Zeit zu viel Sand zwischen den Gleisen zu liegen käme. Die Züge müssten sich dann quasi wie durch Sanddünen durcharbeiten…

Darum, so Hugobert Sommer, übe man nun das kontrollierte Ausgleiten lassen des rollenden Zuges. Konkretes Beispiel: Züge von Bern oder Biel nach Zürich dürften bereits in Aarau nicht mehr beschleunigen, sondern liesse man einfach ausrollen. Gemäss den bisherigen Tests würde die Restgeschwindigkeit reichen, um sanft in den Hauptbahnhof Zürich zu gleiten.

Im Hauptbahnhof Zürich, bekanntlich ein Kopfbahnhof, trainieren übrigens bereits heute schon Angestellte von Railclean das Auftauen der Gleise, damit wenigstens dort die Züge ihre volle Bremswirkung entwickeln können und nicht in den Puffer prallen. Dazu werden die Gleise mit warmem Wasser besprüht, welches mit der Abwärme der Bratwurst- und Marroni-Stände aufgewärmt wird.

Der Umwelt zuliebe

«Diese Aufwärmmethode wurde uns vom Bundesamt für Energie so empfohlen», meint Sommer weiter. Man würde damit trotz ausserordentlicher Situation einen aktiven Beitrag gegen den zunehmenden Energieverbrauch und schliesslich zum Klimaschutz leisten.

Sorgen bereitet den SBB hingegen der umgekehrte Weg auf der Paradestrecke zwischen Zürich und Bern. Im Grauholz-Tunnel würden nämlich die Rollwerke durch die im Tunnel vorherrschende Erdwärme aufgewärmt. Dadurch können die bisher gesammelten Erkenntnisse übers Ausrollen-lassen so kurz vor dem Bahnhof Bern nicht angewandt werden.

Dies zeigte sich in den bisher durchgeführten Tests, wonach die Züge entweder bereits schon in Bern-Wankdorf zum Stehen kamen oder dann erst in Bern-Bümpliz, also vor oder nach dem Hauptbahnhof Bern.

In der Not zeigt man sich jedoch erfinderisch und offen für weitere Alternativen. Darum ist Sommer zuversichtlich, dass ein Test mit einem eher ungewöhnlichen Material den erhofften Erfolg bringt: Dung aus dem Berner Bärenpark soll die Gleise zwischen Grauholz-Tunnel und Bahnhofseinfahrt warm halten…

😉

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Sie haben den Eindruck, man hätte Ihnen soeben einen Bären aufgebunden? Recht haben Sie! Nutzen Sie den öffentlichen Verkehr nicht nur, aber auch in diesen kalten Tagen, denn es ist immer noch eines der sichersten Verkehrsmittel, das auch ohne umweltschädigendes Streusalz auskommt.
Und: Sie verursachen damit garantiert keinen Unfall!

12 Antworten auf „Eis aufm Gleis“

  1. Ich finde es ehrlich gesagt ein bisschen krass wie viel Tonnen Salz da auf die Strassen gekippt wird… Ich frage mich auch, wird das Salz danach irgendwie wieder aus dem Wassen (Kläranlage) herausgeholt und wiederverwertet oder was? Und hat man früher nicht Erde gesalzen damit nichts mehr wächst? 🙁

  2. Und ich frage mich gleich noch was, warum wurde ausgerechnet dieses Jahr, wo es vergleichsweise wenig Schnee und Eis sowie seit Jahren ohnehin an sich sehr moderate Temperaturen herrschen, das Salz knapp? Ich erinnere mich an Winter da war es -20°C und da wurde nie von knapp werdendem Salz oder ähnliches berichtet… Liegt es womöglich daran, dass man früher sparsamer war und heute einfach zu früh und erst noch Tonnenweise streut?

  3. @ Chris
    Das ist eben das Problem: Salz verdampft nicht einfach so, sondern greift vor allem die Vegetation unmittelbar neben den Strassen an.

    Mir scheint rein subjektiv, dass man heute eher zum Streusalz greift als früher, wo man noch häufiger Kieselsteine ausstreute. Vor- und Nachteile haben für die Fahrzeuge beide.

    Es ist gut möglich, dass die Fördermengen von Salz heute grösser sind und dessen Beschaffung einfacher ist als jene von Kieselsteinen und darum eher gesalzen wird.

    Andererseits sind vielleicht auch unsere Ansprüche gestiegen. Wer trägt denn heute noch Winderschuhe mit einem vernünftigen Profil?

    Ich bin überzeugt, dass es bestimmt auch eine natürliche Variante von Streusalz geben könnte – wenn man denn danach suchen würde…

  4. Ja, wenn die Leute bei Eis Spikes an die Schuhe montieren und die Fahrzeuge bei dermassen schlechten Strassen Schneeketten montieren und/oder langsamer fahren würden, dann bräuchte auch nicht soviel Salz gestreut werden. Zudem nützt soviel ich weiss Salz nicht mehr viel bei wirklich tiefen Temperaturen. Was den Split betrifft, ist es denen dann jeweils zu lästig danach alles wieder aufzusammeln, beim Salz muss man sich ja vermeintlich nicht mehr kümmern, dafür landet es im Wasser und sicher auch in der Erde.

    Und eben wird das Salz was in die Kanalisation geht, was ja Strassenmässig wohl 90% tut, dann wieder aus dem Wasser rausgeholt? Denke schon oder? Ich meine irgendwohin geht das Zeugs ja und das Wasser aus dem Hahnen ist „noch“ nicht salzig… 😉

    Hmm, Fahrzeuge mit Reifen die automatisch Spikes ausfahren, das wär doch was, sieht man ja in Filmen manchmal, aber eben da gibt es auch Fahrzeuge die dank Antigrafantrieb gar keine Reifen mehr benötigen, da wär das Problem ja dann auch erledigt… 😀

  5. Salz aus der Kläranlage holen?
    Vergiss es, ist unmöglich.

    Salz ist ein natürliches Produkt: direkt aus der Erde geholt.

    Ich habe die Geschichte so in Erinnerung:
    Bis vor ca. 15 Jahren wurden alle „Schwarzgeräumt“, also vollgesalzt.
    Dann hat man aus Umweltschutzgründen nur noch die Hauptstarssen und heickle Stellen schwarzgeräumt, den Rest nur gepflügt und Splitt drauf verstreut.

    Das scheint (nach meiner Beobachtung) immernoch so zu sein.

    Die Behörden scheinen sich gesagt zu haben: die Klimaerwärmun komme, es wird nicht viel Schnee geben also müssen wir auch nicht viel Salz einkaufen und lagern.

  6. Warum unmöglich? Es gibt doch Entsalzungsanlagen, also geht das garantiert… Die einfachste Art und Weise Salz aus Wasser zu gewinnen ist verdampfen, zurück bleibt dann das Salz, so holt man es ja auch aus dem Meerwasser raus… Aber geil, das (Schwarzräumen = vollgesalzen), weil Schwarz-räumen, das tönt irgendwie nach etwas kriminellem… 😉

  7. Tolle Geschichte. Wäre am anfang sogar fast darauf reingefallen. 😉 Toll Geschrieben und dann noch diesen „Glaubwördigen Ton“ einfach Genial. Mein kompliment für soviel Fantasie. 🙂

  8. Klar kannst du das Wasser verdampfen.
    Du brauchst nur immens viel Energie.
    Nachher hast du einen „Verdampfungsrückstand“ mit Salz, Kot, WC-Papier, Seife…, alles, was in der Kläranlage ankommt.
    Wohin damit?

    Seit kurzem wohne ich in einem kleinen Kaff auf dem Land.
    Hier wird nur gepflügt, obwohl einige Strassen mehr als „ein bisschen“ Gefälle haben.
    Letzte Woche war hatte es an einem Tag (Freitag?) Glatteis.
    OK, da haben sie gesalzt.

    So sollte es sein.
    Autofahrer, Velofahrer und Fussgänger müssen sich nur den Verhältnissen anpassen.

  9. Danke Dir, Hermi.

    Jetzt könnten wir darüber spekulieren, wie oft sonst Dinge glaubwürdig geschrieben werden, die aber auch nicht wahr sind und bei denen am Schluss dann keine Fussnotiz zu finden ist… 😉

  10. @ Bert
    Der obige Artikel ist Ende Januar 2010 (also im Winter) in der Rubrik „Augenzwinker“ erschienen und war dementsprechend nicht ernst gemeint.

    Die Aussage im Blick-Artikel würde ich nicht überbewerten. Der ETH-Vertreter mag in der Theorie sicher recht haben, Die praxiserprobten Lokführer dürften aber das Laub- und/oder Eisproblem sicher kennen und wissen dementsprechend darauf zu reagieren – sofern es für einen tonnenschweren Zug mit einer Länge von mehreren hundert Metern und Bremsen an jedem Wagen überhaupt ein Problem ist… Darum würde ich dem letzten Absatz mehr Gewicht geben, wonach die Lokführer das Problem beim Zeitdruck sehen.

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