Volkszählungen finden in der Schweiz jeweils alle 10 Jahre statt. Die Letzte wurde im Jahre 2000 durchgeführt, womit wir heute, im 2010, wieder in einem «Volkszählungsjahr» wären. Doch nichts ist mehr, wie es einmal war – und darum läuft die Volkszählung ab diesem Jahr anders ab als bis anhin…
Bestimmt erinnern Sie sich noch an die kürzlich durchgeführte Anti-Minarett-Abstimmung und an die Diskussionen davor und danach. Einige sprachen dabei davon, dass es in der Schweiz 300’000 Muslime gäbe, andere erwähnten die Zahl 400’000 und wiederum andere meinten, es wären 350’000 – oder vielleicht doch eher 380’000?
Dieses Zahlen-Dilemma rührt daher, dass es niemand so richtig weiss. Die letzten verlässlichen Zahlen sind schon zehn Jahre alt. Seither ist der Anteil an Moslems an der Gesamtbevölkerung aufgrund des Balkankrieges und den dadurch ausgelösten Flüchtlingsstrom aus dieser muslimisch geprägten Region sicher gestiegen. Aber um wie viel?
Antworten dank «Volkszählung»
Darüber Auskunft gäbe eine Volkszählung, wobei – es geht schon längst nicht mehr nur ums Zählen der Bevölkerung. Das mochte damals, vor rund 2000 Jahren vielleicht noch so gewesen sein, als Josef und Maria nach Bethlehem pilgerten, um an der von Kaiser Augustus befohlenen Volkszählung teilzunehmen.
Heute, beziehungsweise vor zehn Jahren, ging es unter anderem darum, dass jeder Fragen wie «Welche Sprachen beherrschen Sie?» oder «In welcher Sprache denken Sie?» beantwortete.
Das ist bereits wieder vorbei. Der gesamte Prozess zur Erhebung von Angaben aus der Bevölkerung wurde nämlich komplett überarbeitet. So sind neu vier Arten von Statistiken vorgesehen:
In diesem ersten Teil «Harmonische Daten» geht es ums «Grundlagenwissen» zu den Basisstatistiken, im zweiten Teil um jenes bezüglich der anderen drei anderen Statistik-Arten.
Der dritte Teil beleuchtet kritisch den Statistikerhebungsprozess und zeigt einige Fragezeichen und «Unklarheiten» (oder Ungereimtheiten) auf. Dazu ist das Wissen aus den beiden ersten Teilen von Vorteil.
Jahrelange Vorbereitung
Die rechtliche Grundlage für diese neue Form der «Volkszählung» bildet das Volkszählungsgesetz (VZG) und die Volkszählungsverordnung (VZV), welche beide in den letzten Jahren im Hinblick auf die diesjährige Volkszählung überarbeitet wurden und rechtzeitig in Kraft getreten sind.
Begründet wird dieser Systemwechsel von der schriftlichen Befragung alle zehn Jahre hin zu den oben erwähnten, jährlich erhobenen Statistiken mit einem steigenden Bedarf an statistischen Informationen einerseits und den Kosten für die Erhebungen bei den Kantonen und Gemeinden andererseits.
Das neue System sei zudem eine Entlastung für die Befragten und die Gemeinden, meint das Bundesamt für Statistik (BfS) als hauptsächliche Profiteurin der erhobenen Informationen weiter.
Wie der Aufstellung oben entnommen werden kann, sind somit nicht mehr alle gleichermassen von der «Volkszählung» betroffen. Drei der vier Statistik-Arten werden mittels Stichproben erhoben, das heisst, nach dem Zufallsprinzip trifft es den einen oder den anderen unter uns.
Volkszählung mittels Datenaustausch
Was uns alle betrifft, dem Einzelnen aber keinen Aufwand verursacht, ist die Erhebung der so genannten Basisstatistiken. Wie oben angegeben erfolgt hier ein automatischer Datenaustausch.
Automatischer Datenaustausch?
Genau. Die Basisstatistiken werden aufgrund der Angaben einerseits aus den Einwohnerregistern sämtlicher Gemeinden und Kantone und andererseits aus dem eidgenössischen Gebäude- und Wohnungsregister (GWR) erzeugt, welche in beiden Fällen den Weg zum BfS in digitaler Form zurücklegen.
Die rechtliche Grundlage für diese Datenübermittlung an die Bundesstatistiker in Neuenburg findet sich nebst dem bereits erwähnten Volkszählungsgesetz (Art. 5 VZG) auch im eidgenössischen Registerharmonisierungsgesetz (RHG) und der dazugehörenden Verordnung (RHV), welche beide vor allem für den neuen Statistikerhebungsmodus geschaffen wurden.
Diese neue Gesetzgebung regelt die Fragen nach dem Was, Wie, Wann und Wohin bezüglich benötigter Statistik-Daten. Notwendig wurde sie, weil die Einwohnerregister der rund 2700 politischen Gemeinden in den 26 Kantonen unterschiedlich gehandhabt werden. Ein Zusammenführen von Daten wäre schier unmöglich, würde das Registerharmonisierungsgesetz nicht einen gemeinsamen Nenner vorgeben.
Personendaten
Bei den Personendaten, also den Daten aus den Einwohnerregistern, welche übermittelt werden, handelt es sich im Detail um die folgenden Angaben:
Diese Angaben sollen dazu dienen, demografische Informationen über den Stand und die Struktur der Bevölkerung, über natürliche und räumliche Bevölkerungsbewegungen und über den Stand und die Zusammensetzung der Haushalte zu liefern. Gleichzeitig erlauben sie so genannte «Bevölkerungsbilanzen». (Art. 4 VZG)
Wie der Tabelle oben entnommen werden kann, ist die neue 13-stellige AHV-Nummer das führende Identifikationselement. Diese Nummer wird jedem Neugeborenen bereits mit dem Eintrag ins Personenstandsregister durch die Zivilstandsämter vergeben.
Neu ist zudem, dass jede Person einem Gebäude, einer Wohnung und einer Haushaltsart zugeordnet wird. Dies erfolgt mittels den eidgenössischen Gebäude- sowie Wohnungsidentifikatoren. Diese Zuordnung erfolgt innerhalb der Einwohnerregister. (Art. 10, Abs. 4, lit. b VZV)
Der Gebäudeidentifikator (EGID) besteht schon länger, der Wohnungsidentifikator (EWID) ist hingegen neu. Darum muss dieser erst pro Wohnung im eidgenössischen Gebäude- und Wohnungsregister (GWR) generiert beziehungsweise zugeordnet werden. «Die industriellen Werke oder andere registerführende Stellen» liefern dabei die entsprechenden Angaben an die Einwohnerämter, spielen somit quasi Handlanger für die Erhebung der Basisstatistiken. (Art. 8 RHG)
Sollte jemand umziehen, muss er dies dem Einwohneramt innert 14 Tagen melden. Tut er dies nicht, kann das Einwohneramt Auskunft bei Arbeitgebern, Vermietern oder anderen Logisgebern verlangen. Die Post teilt zudem den Einwohnerämtern die Zustelladresse dieser nicht angemeldeten Personen mit. (Art. 11, lit. a + Art. 12, Abs. 1 + 2 RHG)
Das Registerharmonisierungsgesetz tangiert nicht etwa nur die Personen aus den kommunalen und kantonalen Einwohnerregistern. Es gilt in gleichem Masse auch für:
- das Personenstandsregister «Infostar» des Bundesamts für Justiz
- das zentrale Migrationinformationssystem «ZEMIS» des Bundesamts für Migration
- das Informationssystem «Ordipro» des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (Personen der ausländischen Konsulate und Botschaften)
- das Informationssystem «VERA» des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (Auslandschweizer)
- das zentrale Versichertenregister der Zentralen Ausgleichskasse ZAS
- das zentrale Rentenregister der Zentralen Ausgleichskasse ZAS
- das Sachleistungsregister der Zentralen Ausgleichskasse ZAS
- die Stimmenregister der Gemeinden und Kantone
Diese Register sind allerdings weniger mit Hinblick auf die Basisstatistiken betroffen, sondern vielmehr im Rahmen bereits bestehender Statistikerhebungen gemäss Statistikerhebungsverordnung und dessen Anhang. Das Registerharmonisierungsgesetz liefert somit Anlass, quasi Ordnung ins Daten-Wirrwarr der Bundesregister zu bringen.
Daten über Gebäude und Wohnungen
Nebst den Personendaten aus den Einwohnerregistern werden auch die Daten aus dem eidgenössischen Wohnungs- und Gebäuderegister (GWR) zu Basisstatistiken verarbeitet.
Sie liefern Angaben über den Bestand, das Alter, die Struktur, die Infrastruktur und technische Ausstattung der Wohnungen und Gebäude sowie über die Wohnversorgung und Wohnverhältnisse. (Art. 5 VZG)
Hierbei handelt es sich um die folgenden Merkmale:
Da wie oben erwähnt eine Verknüpfung zwischen Personen- und Gebäude-/Wohnungsdaten erfolgt, weiss der Dateninhaber, also das BfS, relativ detailliert über eine Person Bescheid.
Zeitliche Aspekte
Die Datenlieferungen ans BfS aus den genannten Registern haben jeweils pro Quartal zu erfolgen. Die Datenlieferanten haben dafür jeweils einen Monat Zeit. Somit müssen beispielsweise die Daten per 31.03.2010 bis spätestens Ende April 2010 beim BfS sein. (Art. 8, Abs. 2 RHV)
Zu liefern ist immer alles, also nicht bloss was geändert hat oder neu ist, sondern auch was unverändert geblieben ist. Ihre Angaben werden dadurch viermal jährlich nach Neuenburg übermittelt. Sollten Sie umziehen oder nicht mehr unter uns weilen, werden Ihre Daten noch die nächsten zwölf Monate von Ihrem bisherigen Einwohneramt übermittelt. (Art. 8, Abs. 3 RHV)
Das BfS wertet diese Angaben jährlich aus und veröffentlicht sie bis spätestens am 31. August des Folgejahres. Somit dürften wir spätestens am 31. August 2011 erfahren, wie viele Einwohner die Schweiz im 2010 zählte. (Art. 18, Abs. 1 VZV)
Das Volkszählungsgesetz hält zudem fest: «Der Bundesrat stellt die Wohnbevölkerungszahlen alle vier Jahre verbindlich fest und veröffentlicht diese im Bundesblatt.» Massgebend seien jeweils die Zahlen aus den Erhebungen, welche jeweils im ersten Kalenderjahr nach den Gesamterneuerungswahlen des Nationalrats durchgeführt würden. (Art. 13 VZG)
Die angesprochenen Wahlen finden im 2011 wieder statt. Das erste Kalenderjahr nach diesen Wahlen ist 2012. Somit zählen die Erhebungen aus dem Jahr 2012, welche gemäss VZV spätestens am 31. August 2013 zur Verfügung zu stehen haben.
Weitere allgemeine Aspekte
Die Herrschaft über die Daten der Basisstatistiken der Volkszählung liegt beim BfS. Dieses sorgt auch dafür, dass nach Bereinigung der Daten diese anonymisiert und Personenbezeichnungen vernichtet werden. Ein Grossteil der Daten pro Person darf aber trotzdem für (weitere) statistische Erhebungen verwendet werden. (Art. 12, Abs. 1 + 3 VZG; Art. 26 VZV)
Veröffentlichte Erhebungen dürfen keine Rückschlüsse auf die betroffenen Personen erlauben. Zudem untersteht jeder dem Amtsgeheimnis, wer diese Daten bearbeitet. Sie sind des Weiteren sicher aufzubewahren und zu übermitteln/transportieren. (Art. 12, Abs. 4 + 6 VZG; Art. 25, Abs. 1 + 4 VZV)
Datenaustausch zwischen den Registern
Das Registerharmonisierungsgesetz zielt nicht nur darauf ab, standardisierte Daten ans BfS zu liefern, sondern zusätzlich auch noch den elektronischen Datenaustausch zwischen den Einwohnerregistern im Falle eines Umzugs zu ermöglichen. (Art. 10 RHG)
Es handelt sich dabei um die gleichen Daten, wie sie auch für die Basisstatistiken verwendet werden (siehe Tabelle oben unter «Personendaten»).
Quellen:
- Volkszählungsgesetz (inoff. Abkürz.: VZG)
- Volkszählungsverordnung (inoff. Abkürz.: VZV)
- Registerharmonisierungsgesetz (RHG)
- Registerharmonisierungsverordnung (RHV)
- Amtlicher Katalog der Merkmale (Merkmalskatalog)
- Gebäude -und Wohnungsregisterverordnung (GWR-VO)
- Statistikerhebungsverordnung (inoff. Akürz.: StatErh-VO)
- Website des Bundesamts für Statistik (BfS): Registerharmonisierung
- Website des Bundesamts für Statistik (BfS): Volkszählung
Hier geht’s zum Teil 2.
2 Antworten auf „Harmonische Daten / Teil 1“