Mediale Diskussionskultur

Politische und politisch angehauchte Diskussionssendungen am Fernsehen waren vor wenigen Jahren ein Renner: Man rannte vor den Fernseher, um sie nicht zu verpassen. Sie sind auch heute noch ein Renner – nur rennt man heute eher von ihnen weg…

«Arena» und «Club» gehörten früher zu Sendungen, welche man quasi sehen musste um zu wissen, in welche Richtung die öffentliche Diskussion (oder die Beeinflussung der «öffentlichen Meinung») geht. Heute verpasst man indes nichts mehr, wenn man sie nicht sieht. Während der gleichen Zeit ein Buch zu lesen bringt einen weiter…

Nahe am Kindergarten…

Schon seit Monaten schaue ich praktisch keine der beiden Sendungen mehr. Das hat nicht damit zu tun, dass es mir zeitlich nicht passen würde. Dank SF-Videoportal oder Podcast kann jeder auch im Nachhinein die beiden Sendungen verfolgen.

Nein, es hat andere Gründe, weshalb ich da nicht mehr reinschaue. Ein Grund hat mit der Diskussionskultur und der Diskussionsdisziplin der Teilnehmer zu tun.

Sätze wie «Lassen Sie mich ausreden», «Jetzt bin ich dran» und «Ich habe sie vorher auch ausreden lassen» sind häufig zu hören. Sie sind ein Zeichen mangelnder Diskussionsdisziplin. Als Zuschauer frage ich mich darum oft, wie «hochkarätig» die Teilnehmer wirklich sind, wenn sie sich wie im Kindergarten aufführen…

Eine wirkliche Diskussionskultur sucht man ebenfalls vergebens. In der ersten Phase solcher Diskussionen leiern die Teilnehmer häufig einfach ihre üblichen, vielfach schon bekannten Argumente herunter.

Die zweite Phase ist geprägt von gegenseitigen Anschuldigungen: «Wir waren ja schon immer dafür, aber Ihr seid dagegen gewesen». Oder: «Wie können Sie heute für/gegen etwas sein, wo Sie doch selber in der Vergangenheit nicht besser/anders waren.»

Die letzten Phase verläuft etwa im Sinne von «wie zu beweisen war, haben wir Recht und die Anderen Unrecht». Inzwischen etwas abgekämpft glaubt jeder, eine medial-verbale Schlacht gewonnen zu haben.

Sachlich formulierte Argumente? Fehlanzeige!

Ich weiss ja nicht, wie es anderen ergeht, aber bei mir bleibt am Schluss vor allem eine Frage: Wer hat sich nun mit den bereits bekannten Positionen besser in Szene gesetzt.

Da es sich hierbei aber nicht um ein Rhetorik-Seminar handelt, deren Teilnehmer es zu beurteilen gilt, sollte wohl eher die Frage im Zentrum stehen: Wer vermochte mich mit sachlich formulierten Argumenten zu überzeugen?

Über alle drei Phasen hinweg vermisse ich genau das: Sachlich formulierte Argumente. Natürlich dürfen sie gelegentlich emotional geäussert werden, wozu auch schon einmal eine etwas höhere und lautere Stimme erklingen kann.

Doch diese Form der Darlegung seiner «Argumente» wird von den Diskussionsteilnehmern inzwischen sehr inflationär verwendet. Manche Sendungen kommen nur laut daher. Das nutzt ab – und es löscht einem ab.

Die vorgetragenen Argumente sind dabei oftmals keine. Entweder sind es Anschuldigungen an die Gegenseite (siehe Phase 2) oder man unterstreicht wohl aus ideologischen Gründen ganz einfach die eigene Position, von der man glaubt, dass sie gut und richtig ist (Phase 3). Das ist aber noch kein Argument.

So wird das Ganze zum allgemeinen Hick-Hack zwischen Pro und Contra, häufig zwischen links und rechts.

Zu viele «déjà-vus»

Ein anderer Grund, weshalb ich diese Sendungen nicht mehr sehen mag, liegt in den Teilnehmern selbst. Geschätzte drei Viertel davon sind bekannte Gesichter mit bekannten Positionen. Der letzte Viertel der Teilnehmerrunde wird «angereichert» mit eher unbekannten Personen.

Trotz unterschiedlichen Schwerpunktthemen verlaufen dadurch Diskussionen immer etwa in den gleichen Fahrwassern. Dass man diese auch einmal verlässt, ist eher selten. Neue Ideen oder Gedankenansätze, welche es bestimmt gibt, werden dadurch bereits im Keim erstickt, weil man gar nicht erst nach dem Keim sucht.

Dies fördert die heute vorhandene, unbefriedigende Diskussionskultur und zwar nicht zuletzt auch deshalb, weil die bekannten Gesichter durch eine wiederholte Einladung in ihrem Ton und in ihrer Art bestätigt werden. So schiesst weiterhin jeder gegen jeden, jeder ist der Beste und Argumente bleiben auf der Strecke. Ein toller Club, diese Arena.

Man mag den Ablauf ändern, man mag das Dekor ändern: Das alleine führt inhaltlich noch zu keiner Änderung der Diskussionskultur. Es ist die Teilnehmerzusammensetzung, welche geändert werden müsste.

Wie würde wohl eine Diskussion verlaufen, wenn drei Viertel der Teilnehmer neue Gesichter wären? Bei fast acht Millionen Einwohnern sollte es doch möglich sein, regelmässig «frisches Blut» in diese Diskussionssendungen zu bringen…

Oder haben die immer gleichen Personen etwa ein Meinungsmonopol? Werden sie deshalb immer wieder eingeladen, weil sich hinter ihnen eine mächtige Lobby verbirgt, welche die Meinungen zu ihren Gunsten beeinflussen kann und/oder will?

Überforderte Moderatorin

Ein letzter Grund, weshalb ich insbesondere einen «Club» nicht mehr anschauen mag, liegt in der Moderation von Christine Maier. Sobald die Wellen verbal etwas höher schlagen, verliert sie regelmässig die Oberhand – und dies bei gerade einmal bei sechs Teilnehmern. Müsste sie eine «Arena» moderieren – ach lassen wir das Gedankenspiel… 😉

Auch thematisch kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie gelegentlich nicht weiss, wovon die Rede ist und wie es mit einer Sache steht. In diesen Fällen, so mein Eindruck, weicht sie der Situation aus, indem sie einem schweigenden Teilnehmer eine thematisch völlig andere Frage stellt, als kurz zuvor noch nicht abschliessend diskutiert wurde.

Unsäglich ist ihr häufig geäussertes «ich möchte jetzt…». «Ich möchte jetzt über die Frage X diskutieren», «ich möchte jetzt aufs Thema Y zu sprechen kommen» usw. Dazu gehört natürlich auch die negierte Form: «Ich möchte jetzt wirklich nicht über Z diskutieren».

Dass sie einen neuen Punkt oder Aspekt zu einem Thema anspricht, dagegen ist nichts einzuwenden. Ihr Ich-möchte-jetzt kommt aber immer dann, wenn die Wellen hochschlagen. Statt dass etwas ausdiskutiert wird, das die Teilnehmer offensichtlich bewegt, würgt sie so die Diskussion ab.

Sie, die Frau Maier, würgt ab. Denn sie möchte jetzt – nicht die Zuschauerin oder der Zuschauer in den Schweizer Stuben und nicht die Diskussionsteilnehmer im Studio. Die Ich-Form in der Moderation einer Diskussionssendung, das macht sich einfach verdammt schlecht. Da gehört zwingend ein Wir hin.

So Ich-betont wie sie offensichtlich ist, überrascht es dann auch nicht, wenn sie auch einmal ihre persönliche Meinung einfliessen lässt. Moderatoren hätten in dieser Funktion eigentlich keine Meinung zu haben – oder aber sie werden auch als Diskussionsteilnehmer bezeichnet.

Nicht-Politiker sind überzeugender

Am Dienstagabend dieser Woche blieb ich bei SF1 hängen und kam wieder einmal in den «Genuss» einer «Club»-Sendung. Sie steht stellvertretend für oben Geschriebenes und war eine einzige Katastrophe: Das übliche Hick-Hack mit durchaus auch peinlichen Auftritten und Argumenten, mehrheitlich undisziplinierte Teilnehmer und eine überforderte Moderatorin.

Am Ende der Sendung war ich vor allem um eine Erkenntnis reicher: Ich hätte 75 Minuten früher ins Bett gehen sollen. Denn dass jene beiden inhaltlich und von ihrem Auftritt her am ehesten überzeugten, welche nicht aktiv in der Politik sind, Rolf Soiron und Thomas Minder, hätte ich mir schon im Voraus denken können…

Leider lässt sich die angesprochene Sendung nicht (oder noch nicht?) einbinden. Sollten Sie sie noch nicht gesehen haben, können Sie das hier direkt im SF-Videoportal nachholen – falls Sie 75 Minuten vergeuden möchten…

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5 Antworten auf „Mediale Diskussionskultur“

  1. „Während der gleichen Zeit ein Buch zu lesen bringt einen weiter…“ JA!!!

    „Ich hätte 75 Minuten früher ins Bett gehen sollen.“ JA!!!

    Lieber Titus,
    die zwei JA wollen eigentlich nur sagen, dass ich beide Sendungen seit langer Zeit nicht mehr anschaue. Und ehrlich, dabei trauere ich vergangenen Zeiten nach, als im SF die Telearena http://www.1897.ch/geschichte/telearena.htm
    oder die Telebühne augestrahlt wurde. Das waren noch Sendungen :):):)

  2. Huch, was hast Du denn da für eine Antiquität ausgegraben? 🙂

    Da bin ich nun zu jung, um diese zu kennen. Und wenn ich das von Dir verlinkte Thema anschaue, hätte man mich damals wohl auch kaum schauen lassen.

    Ich kenne nur noch und seeeehr vage den Teleboy (das liegt vermutlich an der Figur des hin- und herwackelnden Teleboys, welche einem als Kind haften bleibt). So oder so: Eine politische Sendung war das ja ganz und gar nicht… 🙂

  3. @Titus
    Jessesnei, das mit der Antiquität berührt mich jetzt fast peinlich… 😉
    Die Telearena hatte natürlich nichts gemein mit dem wackelnden Te- Te- Teleboy des Kurt Felix 😉 , sondern war ein Format, das (auch) politische Themen zum Inhalt hatte. Ich erinnere mich an hochstehende, hochspannende Sendungen und an Themen, die sehr brisant waren. Damals…

  4. Ich gucke beides seit JAHREN nicht mehr. Ist wie Twitter: Alle brüllen ihre Positionen in den Raum, keiner hört zu. Nur dass bei Twitter die Nachrichten nacheinander eintrudeln, während sie in der Arena und im Club gleichzeitig gerufen werden – und man minutenlang kein Wort von dem versteht, was gesagt wird.

    Ernst nehmen kann ich so was nicht.

  5. …und bei Twitter gibt’s glaube ich maximal 140 Zeichen pro gebrüllte Position. Braucht’s eine Twitter-Arena? 😉

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