Im letzten Beitrag ging es um die orientierungslos wirkenden westlichen Regierungen. Dieser Beitrag behandelt einen möglichen Grund für unser heutiges «Dilemma».
Obschon immer mehr Personen aus der Kirche austreten und obschon die meisten westlichen Länder (wenigstens auf dem Papier) Religionsfreiheit kennen, sind diese Länder kulturell doch immer noch vom Christentum geprägt. Wir «Westler» sind uns dessen aber nicht immer ganz bewusst.
Dies soll kein religiöser Diskurs werden. Doch die religiöse Prägung der aktuellen Kultur hat massgeblich Einfluss auf unser alltägliches Verhalten und unsere heutige Gesellschaftsordnung.
Unterschiedliche Jenseitsvorstellungen…
Ob es in einer Religion nur einen Gott oder mehrere Götter gibt, ist an dieser Stelle nebst zahlreichen anderen Unterschieden eher zweitrangig. Anders sieht es hingegen mit der Frage nach den Vorstellungen übers «Jenseits» aus.
Die christliche Welt ist geprägt von der Vorstellung über Himmel und Hölle. Nach dem Ableben gelangt man in eines der beiden und zwar für ewig. Demgegenüber kennen fernöstliche Religionen wie der Hinduismus oder der Buddhismus die Wiedergeburt.
Beiden Jenseitsvorstellungen ist gemein, das sie quasi Ansporn sind, im aktuellen Leben «Gutes» zu tun: Die Christen wollen dadurch in den Himmel (oder ins Paradies) gelangen und die Hindus beispielsweise wollen in einem neuen, besseren Leben wiedergeboren werden.
Die unterschiedlichen Jenseitsvorstellungen führen aber zu einer anderen Orientierung darüber, was und wie man sich im aktuellen Leben verhält: Die Christen kennen nur ein Leben, also muss man in diesem einen Leben quasi «Vollgas» geben, um in den Himmel zu gelangen. Verpatzt man diese eine Chance, wird man dann halt eben für ewig in der Hölle schmoren…
Demgegenüber hat beispielsweise ein Hindu mehrere «Chancen». Sein Verhalten orientiert sich eher an der Kontinuität, weniger am einmaligen und schnellen Erfolg im aktuellen Leben.
…führen zu unterschiedlichem Verhalten
Auch wenn wir in der westlichen Welt den christlichen Glauben nicht mehr so stark pflegen wie frühere Generationen, hat dieser kleine aber bedeutende Unterschied über die Vorstellungen des Jenseits unsere Kultur und damit unsere Gesellschaft massgeblich geprägt.
Deutlich macht dies Devdutt Pattanaik, ein indischer Arzt und Tausendsassa. Er spricht im nachfolgenden Video unter anderem über die unterschiedlichen Kulturen zwischen Ost und West, welche nicht zuletzt von den unterschiedlichen Religionen und deren Jenseitsvorstellungen geprägt sind:
(Klicken Sie bei Bedarf auf «View subtitles» für deutsche Untertitel.)
Wenn wir uns weniger an einem Leben orientieren würden, sondern von mehreren Leben ausgingen, würden wir uns dann insgesamt nicht «nachhaltiger» verhalten und mehr auf Kontinuität Wert legen statt auf den schnellen, einmaligen Erfolg? Würden wir dann – sinnbildlich gesprochen – aus einer Zitrone immer den letzten Tropfen herauspressen oder nicht doch eher auch der «Nachwelt» noch etwas überlassen?
Übrigens, man muss nicht zwingend an Wiedergeburt glauben. Es reicht, auch nur an die Nachkommen zu denken – auch eine Art von Wiedergeburt – um etwas über das eigene Leben hinaus zu handeln…