Mehr Teamplay

Die Fixierung auf einzelne wenige Personen ist immer auch ein Klumpenrisiko. Als Team verteilt sich das Risiko und man kann oftmals mehr erreichen. Das bedingt allerdings, dass «Ikonen» ihre Rolle ändern oder gleich abtreten müssten…

Vor rund zwei Wochen wurde bekannt, dass der Aargauer SVP-Ständerat Maximilian Reimann im 2011 nicht mehr für den Ständerat kandidieren werde. Ihm soll gemäss Entscheid der Aargauer SVP Ulrich Giezendanner nachfolgen, welcher heute im Nationalrat sitzt.

Zur Begründung hiess es, dass damit ein «Generationenwechsel im Ständerat» erzielt werden solle. Reimann, der vor seinem heutigen Ständeratsmandat bereits im Nationalrat sass, soll im 2011 jedoch wieder für den Nationalrat kandidieren um dort «die ältere Generation sowie das Fricktal zu repräsentieren». Auf der Nationalratsliste der SVP Aargau wird auch Giezendanner enthalten sein – sicher ist sicher…

Jung, jünger, am ältesten

Mit Jahrgang 1942 wird Reimann nächstes Jahr 69 Jahre alt sein, bei Giezendanner werden es mit Jahrgang 1953 58 Jahre sein. Auch wenn ihr Altersunterschied 11 Jahre beträgt, sind sie doch beide in einem Alter, in dem andere in den (vorzeitigen) Ruhestand treten (müssen), sofern sie es sich leisten können.

Am Tag nach der vorgängig genannten Ankündigung der SVP Aargau ging «10vor10» der Frage nach, ob Christoph Blocher bei den Wahlen im 2011 wieder für den Nationalrat kandidieren werde. Er wird dann 71-jährig sein.

Er selber hält sich bedeckt. Ohne eine Gegenstimme wünschen sich einige seiner Parteikollegen jedoch, dass er wieder kandidiere:

Blocher ist quasi ein Selbstläufer. Er würde auch ohne viel Wahlpropaganda gewählt. Auch Reimann dürfte sich keine Sorgen um seine Wahl in den Nationalrat machen. Der eine wird dann 69-jährig, der andere 71-jährig sein.

Politischer Etikettenschwindel

Im Ständerat mag in den Reihen der SVP mit Giezendanner ein Generationenwechsel in Form einer Verjüngung stattfinden. Im Nationalrat dürfte das Gegenteil der Fall sein, sofern nicht auch noch ein paar junge, frische SVP-Mitglieder nachrücken.

Doch seien wir realistisch: Selbst wenn Jüngere nachrücken, so werden sie neben den bisherigen «SVP-Grössen» kaum viel zu sagen haben. Selbst gestandene SVP-Politiker, wie im oben gezeigten Video einmal mehr deutlich wird, geben unverhohlen zu, wer in den eigenen Reihen das Sagen hat: Christoph Blocher.

Für das, was er in den vergangenen Jahren mit «seiner» SVP erreichte, verdient er durchaus Respekt. Von der kleinsten Regierungspartei ist heute die SVP die grösste und damit die einzige, welche zweifellos Anrecht auf zwei Bundesratssitze hätte.

Doch die Sitzzahl alleine im eidgenössischen Parlament oder in den kantonalen Parlamenten, oder das Anrecht auf eine bestimmte Sitzzahl in der schweizerischen Regierung sind kein Massstab für den Erfolg eines Politikers oder einer Partei.

Sofern sich Christoph Blocher und seine Partei wirklich in den Dienst für eine bessere Schweiz stellen, ist eben auch relevant, was beide fürs eigene Land insgesamt erreicht haben.

Dies zu messen, ist natürlich schwierig. Sicher aber ist, dass die Erfolge der SVP mit einigen «Kollateralschäden» verbunden sind. Auf dem Weg «nach oben» wurden unzählige Male die Ellbogen eingesetzt.

Relativer Erfolg

Gegenüber den anderen Parteien kam es so zu einer Verhärtung der Fronten und zu einer polarisierenden Gesprächskultur. Man sucht nicht das Miteinander unter Berücksichtigung aller verschiedenen Strömungen und Meinungen, sondern man arbeitet (prinzipiell) gegeneinander. Die SVP hatte es vorgemacht, die anderen Parteien scheinen es inzwischen nachzuahmen…

Die Zeiten von 1848, als es mit der FDP nur gerade eine Partei gab, diese Zeiten sind schon lang vorbei. Mehrere Parteien konnten sich inzwischen etablieren und das ist auch gut so. Keine von ihnen hat hierzulande aber eine absolute Mehrheit.

Das heisst, um voranzukommen und um das Land in seinen politischen Entscheiden nicht zu blockieren, sind Gespräche mit anderen Parteien zwingend notwendig. Und genau darum ist eine gute Gesprächs- und Streitgesprächskultur auch so wichtig.

In diesem Sinne kann man sich fragen, ob Christoph Blocher, quasi ohne Rücksicht auf Verluste und nur fokussiert auf die Durchsetzung der SVP-Ideologie, der Schweiz letzten Endes aufgrund der heutigen, verhärteten Gesprächskultur nicht mehr Schaden als Nutzen zugefügt hat.

Und so könnte es auch sein, dass er mit seiner heutigen Rolle, in welcher er – und nur er – aus dem Hintergrund heraus die Fäden zieht, seiner Partei mittelfristig schaden wird.

Es ist untypisch für die Schweiz, dass eine Person in der Politik eine so zentrale Rolle spielt. Das gefällt nicht allen und so kann es auch nicht überraschen, dass es mit der BDP zu einer Abspaltung kam – ein weiterer Kollateralschaden des Ellbogen-Vorgehens.

Gibt es eine SVP nach Blocher?

Eine so zentrale Rolle ist auch ein «Klumpenrisiko». Blocher kann jedoch nicht ewig diese zentrale Rolle spielen. Und was geschieht dann mit einer SVP, wenn aus dem Unterbewusstsein vieler Wählerinnen und Wähler der Namen Blocher zu streichen ist, sobald die Bezeichnung «SVP» auftaucht?

Die letzten Tage und Wochen bezüglich UBS-Vertrag haben gezeigt, dass auch eine SVP einen Zick-Zack-Kurs fahren kann. Bestand beispielsweise bisher die SVP immer darauf, dass internationale Verträge dem Volk vorgelegt werden müssten, war gestern von SVP-Fraktionspräsident Caspar Baader zu hören, dass man den UBS-Vertrag nicht einmal dem fakultativen Referendum unterstellen wolle.

Dieses Verhalten kann einen Vorgeschmack für die «nach-Blocher-Zeit» geben. Eine klare Haltung dürfte zunehmend fehlen, die individuellen Meinungen der einzelnen Politiker, welche durchaus auch widersprüchlich sein können, rücken wieder in den Vordergrund, so wie das bei anderen Parteien auch der Fall ist.

Christoph Blocher täte darum seiner Partei einen grossen Gefallen, wenn er sich um die Zeit nach ihm kümmern würde und sich langsam zurückzieht. Sich darum zu kümmern heisst, wieder zu einem Meinungsfindungsprozess ohne Blocher zurückzufinden. Die – provokativ ausgedrückt – Standard-Frage «Was meint Christoph?» gehört vergessen.

Es heisst aber auch, Jüngeren Platz zu machen. Die heutige Generation scheint – siehe Video oben – dermassen auf diesen einen Mann fixiert zu sein, dass es ihr schwer fallen dürfte, ohne Blocher zu leben.

Jüngeren Platz machen…

Sie haben mindestens auch ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn sie nicht mehr in Blochers Fahrwasser die gleichen und inzwischen abgetretenen Argumente herunterträllern können, sondern wieder selber Argumente finden und mit weitaus weniger rhetorischer Brillanz vortragen müssen.

Niemandem könnte der Wandel zur «Post-Blocher-Zeit» besser gelingen als neuen Kräften, welche noch nicht so sehr auf die Blocher-Schiene «trainiert» sind. Auf jeden Fall führt Blochers Rückzug alleine oder der Abtausch von Sitzen zwischen National- und Ständerat noch zu keinem Generationenwechsel.

Die «Hypothek Blocher» ist aber auch eine Hypothek für die anderen Parteien. Unter den gegebenen, bisherigen SVP-Umständen haben sich – bildlich gesprochen – einige Mitglieder der anderen Parteien zu bissigen, zähnefletschenden Hunden entwickelt, denen man manchmal gerne einen Maulkorb verpassen möchte.

Hierfür reicht es, sich die Debatte der letzten Tage im Nationalrat zum UBS-Vertrag anzuschauen. Auch wenn man inhaltlich gleicher Meinung ist: C’est toujours le ton qui fait la musique…

Andere Parteimitglieder wiederum sind – erneut bildlich gesprochen – zu schüchternen Schosshündchen mit einem unsicher wirkenden Blick geworden, welche nicht mehr wissen, wofür sie einstehen sollen.

So überrascht es nicht, dass jüngst neu entstandene Parteien Erfolge feiern. Viele Wählerinnen und Wähler haben nämlich genug von bissigen Hunden auf der einen und zahnlos wirkenden Hunden auf der anderen Seite.

…in allen Parteien

Darum täte es auch diesen Parteien gut, wenn sie an den nächsten Wahlen frische, unverbrauchte Gesichter präsentieren würden. Nur so setzen sie den Grundstein für einen Image-Wechsel, welcher zwingend notwendig ist, damit die etablierten Parteien wieder wählbar werden. Ein neues Parteiprogramm reicht dafür nicht.

Und wenn von links bis rechts neue Gesichter eine starke Präsenz haben und damit keines von ihnen (noch) keine Ikone ist, ist wieder Teamplay gefragt. Dann klappt es bestimmt auch wieder besser mit der Gesprächskultur. Und wenn man sich dadurch wieder zu Lösungen durchringen kann, kommt auch das Land wieder vorwärts.

Als Vorbild könnten sich die Parteien die Schweizer Fussballmannschaft nehmen. Bisherige Ikonen fallen aus oder kommen kaum zum Zug – und plötzlich ist erst recht Teamplay gefragt – mit beeindruckendem Ergebnis…

Hopp Parteien, hopp! 😉

8 Antworten auf „Mehr Teamplay“

  1. Deine Fragen in Ehren. Doch hast Du Dir auch einmal folgende Frage gestellt: Weshalb überhaupt Parteien?

    Parteien sind PRIVATE VEREINE. Und denen haben wir die Macht übergeben, die sie natürlich nicht mehr herausrücken möchten.

    Jede Entscheidung wird immer zuerst auf die Auswirkungen im Hinblick auf die eigene Partei und deren Hintermänner und Sponsoren geprüft. Alles, was dem eigenen Klüngel schadet, wird verworfen.

    Wir, also das Volk, spielen bei solchen Überlegungen immer nur die Rolle der zu melkenden Milchkuh. Solange dieser Parteienklüngel existiert und bestrebt ist, seine Macht und seine Pfründe immer weiter auszudehnen, ist es egal, wer gewählt wird – ob alt, ob jung, ob Blocher oder Team.

    Wir könnten uns doch selbst regieren – wir könnten unabhängige, integere Menschen wählen, die uns vertreten. Die Gesetze könnten wir selbst erstellen und darüber abstimmen. Wofür brauchen wir bitteschön Parteien – die sind immer nur in IHREM SINNE parteiisch.

  2. So kategorisch würde ich das nicht äussern. Aber den Eindruck, dass viele weniger ans Wohl aller und stattdessen eher ans Wohl Einzelner denken, diesen Eindruck teile ich. Das wird vor allem dann deutlich, wenn Argumente etwas fadenscheinige daher kommen…

    Ansonsten halte ich es für legitim, dass Parlamentarier die Interessen einer bestimmten Gruppe vertreten, also beispielsweise einen Arbeitgeber- oder einen Arbeinehmer-Verband. Knacknuss ist dabei vor allem die Frage, wie stark diese vertreten sein sollen/dürfen.

    Für problematischer halte ich den Einsitz in Verwaltungsräten. Zwar sind diese Interessenverbindungen jeweils bekannt. Unbekannt bleibt jedoch, was damit sonst noch für Verbindungen einher gehen (ich spreche vom sozialen Netzwerk auf dieser Ebene) und sich in der Meinungsbildung der jeweiligen Politiker niederschlägt…

    Zur Rolle der Parteien: Ich fürchte, dass sehr viele Wählerinnen und Wähler überfordert wären, müssten sie geziehlt einzelne Personen auswählen.

    Die Gewählten wären wiederum selbst dankbar, wenn es in ihren Reihen Spezialisten in Sachen Wirtschaft, Finanzen, Gesundheitswesen, Sozialwerke usw. gibt, denn niemand kann über alles Bescheid wissen. Dieses Wissen ist insbesondere dann notwendig, wenn es um die Beurteilung einer Vorlage und das Auffinden von Argumenten pro/contra geht.

    Insofern helfen Parteien sicher auch, Politik für die Wählenden und die Gewählten zu vereinfachen und auf einen Nenner zu bringen. Wie stark das allerdings (noch) notwendig ist, wage ich nicht zu beurteilen. Hierzu empfehle ich noch Mark Balsigers Gedanken in diesen Blog-Beitrag im Wahlkampfblog.

  3. Die Blocher-Fixierung hält unvermindert an. In den eigenen Reihen, bei den Gegnern und Medienschaffenden und damit auch in der breiten Öffentlichkeit. Selbst in ausländischen Medien gilt dasselbe: Gestern sprach ich mit einem Korrespondenten der „Financial Times“ sowie des „ORF“. Für sie bzw. ihre Heimatredaktionen ist die politische Schweiz dann Thema, wenn es um Blocher geht.

    Auch wenn Christoph Blocher einmal im echten politischen Ruhestand sein sollte, wird die SVP noch viele Jahre von seinem Namen profitieren können.

    Ich gehe hier zwei Wetten ein und stelle eine These auf:

    1. Die SVP wird bei den Nationalratswahlen 2011 über die 30-Prozent-Marke hinaus kommen (heute 28,9% und seit Einführung des Proporzwahlsystems die Bestmarke)
    2. Christoph Blocher wird 2011 als Nationalrat kandidieren und, wie Titus es antönt, problemlos gewählt

    These:
    Blocher wird von seiner Fraktion erneut für den Bundesrat nominiert – auf einem Zweierticket. Auf diese Weise ermöglicht er dem Zweitbesten die Wahl, analog dem Voprgehen im Dezember 2008 als Ueli Maurer als Zweitbester nominiert worden war.

  4. Nach meiner Auffassung dürfte die SVP den Zenit erreicht haben. Genauso wie einige SVP-Mitglieder zur BDP gewechselt haben, werden wohl auch einige SVP-Wähler zur BDP wechseln. Letztere wird sicher auch noch einige Stimmen von bisherigen CVP-/FDP-Wählern erhalten.

    Wie sich jüngst im Kanton Bern gezeigt hat, hängt vieles aber auch von der Wählermobilisierung ab. Und schliesslich können Wahlen immer wieder ganz anders herauskommen, als ursprünglich erwartet, wie sich ebenfalls vor kurzem in den Niederlanden zeigte.

    Darum wage ich die Wette bezüglich 30-Prozent-Marke nicht einzugehen. Ganz ausschliessen kann man es nicht, aber es scheint mir im Moment eher unwahrscheinlich.

    Zum zweiten Punkt brauchen wir nicht zu wetten, denn da teile ich Meinung.

    Bei Deiner These habe ich nicht ganz verstanden, in welchem Zusammenhang hier ein Zweierticket aufgestellt werden soll. Sprichst Du von BR EWS Sitz?

  5. Angeregt durch BodeständiX Kommentar dreh‘ ich den Spiess mal um und werfe allgemein die folgenden Fragen in den Raum:

    – Wäre es realistisch, ohne Partei in einen Wahlkampf zu steigen?
    – Gilt das für alle drei Ebenen (kommunal, kantonal, national)?
    – Was bräuchte es dazu (nebst ein paar zehntausend Franken)?

  6. @ Titus

    Bloss noch schnell zu Präzisierung meines vorgängigen Postings, das in der Tat nicht klar formuliert ist: Der Sitz von BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf steht im Dezember 2011 zur Disposition.

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Parlament von der arithmetischen Konkordanz abweicht. Die BDP müsste etwas über 10 Prozent Wähleranteil erreichen, um legitim einen Bundesratssitz zu beanspruchen. Das wird ihr nicht gelingen, ausserhalb der „Strongholds“ Bern, Glarus und Graubünden hängen die Trauben sehr hoch für diese Partei.

    Auf das SVP-Ticket kommen die Namen Ueli Maurer und Christoph Blocher. Zweiteren wird man nicht (mehr) wählen, dafür einen wilden oder halbwilden Kandidaten, der erst im Verlaufe der Wahlgänge ins Spiel gebracht wird.

    Ziemlich abenteuerlich, diese These, ich weiss. Aber wenn die 3 Mitteparteien tatsächlich paktieren sollten, ist dieses Powerplay eine Option.

  7. Jetzt habe ich’s verstanden. Nebst den BR Leuthard und Burkhalter wird im Moment ja so ziemlich an jedem Bundesratsstuhl gesägt. Die Ausgangslage könnte also bereits vor den Wahlen 2011 eine ganz andere sein…

    Sicher ist auf jeden Fall, dass bei diesen parteipolitischen «Spielchen» ein Lamentieren über die Qualität der Bundesräte vor allem seitens Parlamentariern unangebracht ist. Sie wählen ja schliesslich andauernd die zweitbesten Kandidaten…

  8. Noch mehr Kollateralschäden wegen fehlendem Teamplay: Der Westschweizer Yvan Perrin, einer von fünf Vize-Präsidenten (zu welchen auch Blocher gehört), wirft den Bettel hin. Hier im Original (oder hier) nachzulesen (die Zeitung «Sonntag» spricht bereits von «Ex SVP-Vice» 😉 ).

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