Fangt die Grossen!

Seit der Bankenkrise standen vor allem die Manager und deren Löhne im Zentrum der Kritik. Darum konzentrieren sich viele Massnahmen vor allem gegen Lohnexzesse im Management, schliesslich ist das auch politisch attraktiv. Vergessen gehen dabei die Verwaltungsräte, deren Entlöhnung und vor allem deren Rolle. Dies zeigt sich jüngst wieder im Fall der Thurella AG.

Wenn eine Person das Gesicht eines Unternehmens verkörpert, dann ist das meistens der Direktor Generaldirektor Geschäftsleiter CEO. Er ist in der Regel derjenige, welcher im Namen des jeweiligen Unternehmens nach aussen zur Öffentlichkeit wie nach innen gegenüber den Mitarbeitern auftritt.

Demgegenüber fristen Verwaltungsräte eher ein Schattendasein. Manchmal erscheinen sie einem schon fast so lichtscheu wie eine Fledermaus. Das gilt selbst für die eigenen Mitarbeiter, und so überrascht es auch nicht, dass viele Angestellte häufig weder den Namen noch das Abbild eines Verwaltungsrats kennen.

Häufig unterschätzte Rolle

Nur an der Generalversammlung zeigt sich Letzterer meistens in corpore vor den Eigentümern, den Aktionären. Dieses «meistens» rührt daher, weil das Schweizer Aktienrecht einen Widerspruch beinhaltet: Es obliegt zwar in der Regel dem Verwaltungsrat, die Generalversammlung einzuberufen. Teilnehmen müssen die Mitglieder von Gesetzes wegen aber nicht. Sie sind lediglich «befugt», daran teilzunehmen (OR Art. 699, 702a).

Wie auch immer: Da eine Generalversammlung keine öffentliche Veranstaltung ist und da auch die Aktionäre insgesamt ein eher eingeschränkter (früher auch häufig ein erlauchter) Kreis ist, steigert sich auch durch die Teilnahme an der Generalversammlung die Bekanntheit von Verwaltungsräten kaum.

Das erstaunt, denn der Verwaltungsrat hat gemäss Schweizerischem Obligationenrecht die Oberleitung einer Aktiengesellschaft inne. Die gleiche gesetzliche Grundlage schreibt hingegen das Vorhandensein einer Geschäftsleitung nicht zwingend vor (OR Art. 716a). Der Verwaltungsrat kann, muss aber keine Geschäftsleitung einsetzen (OR Art. 716 Abs. 2).

Das Aktienrecht schreibt weiter vor, dass «der Verwaltungsrat die Gesellschaft nach aussen vertritt», er kann diese Aufgabe aber auch an Dritte delegieren wie eben zum Beispiel an einen Geschäftsführer CEO. Zudem kann der Verwaltungsrat diese Vertretungsaufgabe nicht ganz abtreten, denn mindestens ein Mitglied – möglich sind aber auch alle – muss auch dazu befugt sein (OR Art. 716b, 718).

Der Verwaltungsrat hat somit Aufgaben, welche weit über das landläufig bekannte Bild des Festlegens oder Absegnens irgendeiner Strategie hinaus gehen. Wenn er diese Aufgaben an einen CEO oder weiteren Mitgliedern der Geschäftsleitung delegiert, dann müsste er diesen ständig auf die Finger schauen, denn er hat in diesem Fall die Oberaufsicht wahrzunehmen (OR Art. 716a Abs. 1 lit. 5).

Haftbar für vieles

Sollte er die Geschäftsführung tatsächlich an einen Dritten delegieren, haftet er letzten Endes trotzdem (OR Art. 754):

1   Die Mitglieder des Verwaltungsrates und alle mit der Geschäftsführung oder mit der Liquidation befassten Personen sind sowohl der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen.

2   Wer die Erfüllung einer Aufgabe befugterweise einem anderen Organ überträgt, haftet für den von diesem verursachten Schaden, sofern er nicht nachweist, dass er bei der Auswahl, Unterrichtung und Überwachung die nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat.

Ausgenommen von der Haftung ist der Verwaltungsrat demnach nur dann, wenn er seine Sorgfaltspflicht (OR Art. 717 Abs. 1) ausreichend wahrnimmt.

Wenn also ein vom Verwaltungsrat beauftragter Geschäftsführer ein Unternehmen ohne Wissen des Verwaltungsrats quasi «gegen die Wand fährt», dann muss dieser Geschäftsführer ziemlich heimtückisch vorgegangen sein. In diesem Fall müsste eigentlich gegen diesen Klage eingereicht werden.

Wahrscheinlicher ist allerdings, dass ein Geschäftsführer im Wissen des Verwaltungsrats, also im vollen Wissen der Oberleitung handelt, weil er eine beabsichtigte Handlung zuvor dem Verwaltungsrat zur Genehmigung unterbreitete und es erst dann zu einem Untergang oder Beinahe-Untergang kommt, nicht zuletzt auch deshalb, weil der Verwaltungsrat vermutlich nicht ausreichend seine Oberaufsicht wahrgenommen hatte.

Vielfach wird in solchen Situationen der CEO auf die Strasse gestellt. Das ist praktisch, denn den kann man auch jederzeit loswerden (OR Art. 726). Fristlos entlassene Verwaltungsräte gibt es hingegen nicht…

Wenn ein CEO per sofort entlassen wird und dabei keine Klagen gegen ihn wegen Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht eingereicht wird, dann hat sicher nicht – oder nicht nur – der Geschäftsführer, sondern vor allem auch der Verwaltungsrat versagt.

Darum ist es immer wieder stossend, wenn ein Teil oder gar das gesamte Management eines Unternehmens ausgewechselt wird, nicht aber der Verwaltungsrat selbst.

Soviel zur Theorie. Wechseln wir nun zur Praxis.

Merkwürdige Begründung

Letzte Woche kündigte die Thurella AG an, dass sie den Abfüllbetrieb in Eglisau per Ende Jahr schliessen will. Zusammen mit weiteren Restrukturierungsmassnahmen, welche darauf hinauslaufen, sich wieder aufs Stammgeschäft zu konzentrieren, sollen bis Ende Jahr rund 100 von 220 Arbeitsplätzen verloren gehen.

Was tragisch klingt und auch tragisch ist, wirft sehr viele Fragen auf – die offensichtlich niemand stellt.

So wird die Schliessung mit der mangelnden Auslastung in Eglisau beziehungsweise den zu hohen Betriebskosten begründet. Tatsächlich hat die Thurella von der Feldschlösschengruppe anfangs März dieses Jahres die Mitteilung erhalten, dass «Schweppes» zur Auslastung des Feldschlösschen-eigenen Werks ab 2011 in Rhäzüns und eben nicht mehr im fremden Werk in Eglisau abgefüllt werden soll.

Davon ist zwar in der Medienmitteilung zur «tiefgreifenden Restrukturierung» nichts zu entnehmen. Dies kann jedoch einer anderen Medienmitteilung sowie dem Geschäftsbericht 2009 entnommen werden. In Letzterem heisst es:

Der Verwaltungsrat kommt aufgrund dieser geänderten Ausgangslage zum Schluss, dass der Abfüllbetrieb in Eglisau ab 2011 durch Thurella nicht mehr profitabel weitergeführt werden kann.

Ganz überraschend kommt die angekündigte Schliessung also nicht. Offen blieb vielmehr, ob es nicht vielleicht doch noch eine Alternative gäbe. So versuchte das Unternehmen in der Folge, einen Käufer oder Kooperationspartner für den Eglisauer Abfüllbetrieb zu finden – wie wir heute wissen ohne Erfolg.

Erstaunlich ist dabei, wie schon alleine die Kündigung eines einzigen Vertrages fürs Abfüllen eines Getränks gleich zu dieser Situation führen kann. Welche Getränke insgesamt in Eglisau abgefüllt werden, wird online nicht weiter erläutert. Sicher aber ist, dass es mehr als nur dieses eine Getränk ist.

Was man dazu noch wissen muss, ist, dass die Abfüllanlage in Eglisau nicht alt und vernachlässigt, sondern hochmodern und das dazugehörende Hochregallager völlig neu sind. Die Thurella beschreibt ihr dortiges Werk selbst wie folgt:

«In Eglisau betreibt das Unternehmen eine hochmoderne Abfüllanlage mit mehreren Produktionsstrassen, darunter zwei kaltaseptische Anlagen. Jährlich verlassen über 115 Mio. Getränkeflaschen das Produktions- und Logistikzentrum in Eglisau.»

Im 2009 wurde ebenfalls das neue Hochregallager in Betrieb genommen. Im Geschäftsbericht 2009 heisst es dazu:

Mit der vorzeitigen Inbetriebnahme des Hochregallagers in Eglisau konnten die Aussenlager aufgegeben und die Abfüllerei vollautomatisch an das Lager angebunden werden.

Mit anderen Worten: Es wurden in den vergangenen Jahren beträchtliche Investitionen getätigt. Wer Millionen in die Erneuerung und Automatisierung der Infrastruktur investiert, tut dies aus langfristiger Sicht – normalerweise.

Nur ein Vorwand?

Darum ist es auch erstaunlich, wie ein Vertrag nur innert weniger Monaten gekündigt werden kann und dies dann sogleich das gesamte Unternehmen zum Straucheln bringt. Dass heute keine Verträge mehr über 20 Jahre abgeschlossen werden, dürfte jedem einleuchten. Trotzdem investiert man doch kaum Millionen, wenn dafür nicht auch das Marktpotential vorhanden ist.

Schliesslich erstaunt aber auch noch die Aussage der mangelnden Kostendeckung für den laufenden Betrieb. «Aufgabe der Aussenlager» klingt nach weniger Aufwand. Und «hochmodern» sowie «vollautomatisch angebunden» klingt zwar nach Investitionen, zugleich aber auch nach mehr Effizienz und dadurch tieferen Betriebkosten.

Dies wird im Geschäftsbericht 2009 auch bestätigt:

Die Inbetriebnahme des Hochregallagers in Eglisau sowie der Prozesswasserreinigungsanlage in Egnach haben dazu beigetragen, die Aufwendungen um CHF 6.8 Mio. gegenüber Vorjahr zu verringern.

Auch wenn gemäss Geschäftsbericht 2009 der gekündigte Vertrag als Auslöser bezeichnet wird, dürfte dieser Kündigung wohl nur als Vorwand gedient haben. Darum hat man es vermutlich auch vermieden, in der Medienmitteilung über die angekündigte «tiefgreifende Restrukturierung» von der Feldschlösschengruppe zu sprechen, um nicht dieser explizit den «Schwarzen Peter» zuzuschieben.

Vom blauen Himmel zur harten Landung

Insgesamt zeigt sich, dass man offensichtlich einen zweistelligen Millionenbetrag investierte, ohne wenigstens über mittelfristige Absicherungen zu verfügen. Wer zeichnet dafür verantwortlich?

In erster Linie ist es der Eigentümer, also die Aktionäre, von denen es im Falle der Thurella gegen Tausend gibt. Sie dürften die «riskante Wachstumsstrategie», wie sie an der letzten Generalversammlung anfangs Juni dieses Jahres ziemlich spät kritisierte wurde, abgesegnet haben.

Sie waren auch auf dem Laufenden über die Investitionen und sie haben schliesslich auch einer Kapitalerhöhung zugestimmt, welche Ende letzten Jahres abgeschlossen wurde.

Trotzdem: Man kann von den Aktionären nicht erwarten, dass sie selbst die Wachstumschancen eines Unternehmens ein- und abschätzen können. Das Aktionariat bei einem Bio-, Obst- und Gemüsegetränkehersteller, dessen Aktien «nur» an der Berner Börse gehandelt werden, dürfte sich wohl kaum aus risikofreudigen, profitgierigen Anlegern zusammensetzen.

Man mag ihnen schlimmstenfalls Naivität vorwerfen – weil sie sich vom früheren Verwaltungsrat viel Honig um den Mund schmieren und das Blaue vom Himmel haben versprechen lassen. Anders lässt sich nämlich nicht erklären, wie es überhaupt soweit kommen konnte.

Aus dem Traum wurde nun ein Albtraum, was die Aktionäre an der letzten Generalversammlung damit quittierten, dass sie dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung die Décharge verweigerten.

Zudem wurden zwei Verwaltungsräte, deren Wiederwahl anstand und seit 2003 beziehungsweise 2005 im Verwaltungsrat sassen, nicht wiedergewählt. Da zwei andere Mitglieder sich nicht mehr zur Wiederwahl stellten, besteht der Verwaltungsrat zurzeit nur noch aus drei Mitgliedern.

Wie das Unternehmen am Tag nach der Generalversammlung mitteilte, soll der Verwaltungsrat anlässlich einer ausserordentlichen Generalversammlung im zweiten Semester dieses Jahres wieder «komplettiert» werden.

Ob man dabei wieder auf den alten Stand von sieben Mitgliedern zurückkehren wird oder ob man entsprechen der Halbierung des Personalbestands und der Geschäftstätigkeit auch die Zahl an Verwaltungsräten halbiert, wird offen gelassen.

Den rund hundert Entlassenen hat schon der seit November 2009 neue Verwaltungsratspräsident wie auch die seit 2009 neue Geschäftsleitung wenig gebracht. Den Betroffenen dürfte es daher auch wenig interessieren, ob und wie der Verwaltungsrat sich zukünftig zusammensetzt.

Etwas Genugtuung könnte ihnen höchstens eine Verantwortlichkeitsklage gegen die bisherige Führung bringen, welche aufgrund der Décharge-Verweigerung nun möglich ist. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist allerdings sehr gering, denn schliesslich sind damit auch Kosten verbunden, welche das Unternehmen zu tragen hätte, falls die Klage abgewiesen würde.

Die wahren Profiteure

Gewinner bei diesem «Spiel» sind jene lichtscheuen Personen, welche vielleicht fünfmal, vielleicht achtmal im Jahr zusammengekommen sind, um ein Unternehmen und dessen Geschäftsführung zu führen, zu überwachen und nach aussen hin zu vertreten, dafür stattliche Entschädigungen erhielten und vermutlich nicht viel mehr über die Herstellung von Bio-, Obst- und Gemüsegetränke wussten wie die meisten hier Mitlesenden…

Im vergangenen «Krisenjahr» 2009 stiegen interessanterweise die Entschädigungen an die Verwaltungsräte sprunghaft von den sonst üblichen CHF 180’000 (+/-) auf nahezu CHF 400’000 an. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass einige der «alten Garde» auf Mandatsbasis im 2009 saftige «Zusatzleistungen» verrechneten.

Bernhard Allemann war beispielsweise nur bis Ende April 2009 Verwaltungsratsvizepräsident. Dafür erhielt er als Basisleistung CHF 11’000.—. Weitere CHF 53’000.— verrechnete er als Mandatsleistung.

Der bis Ende September 2009 amtierende Verwaltungsratspräsident Hermann Hasen erhielt für diese neun Monate eine Basisleistung von CHF 44’000. —. Praktisch den gleichen Betrag erhielt er im 2008 fürs ganze Jahr. Zudem verrechnete er noch weitere CHF 118’000.— als Zusatzleistungen…

Interessant ist im Geschäftsbericht 2009 bei den Entschädigungen des Verwaltungsrats auch eine kleingedruckte Fussnotiz zum Vorjahr 2008, welche sich im vorjährigen Geschäftsbericht nicht findet.

So wurden offensichtlich der Firma Lepus AG im 2008 für Mandatsleistungen CHF 122’000.— ausbezahlt. In dieser Firma ist Hermann Hasen, der ehemalige VR-Präsident der Thurella, der einzige Zeichnungsberechtigte und das einzige Mitglied des Verwaltungsrats seit 2005…

Auch der Firma Provida Consulting AG wurden Mandatsleistungen im 2008 ausbezahlt und zwar im Betrag von satten CHF 406’000.—. Bei dieser Firma sitzt Bernhard Allemann, also der ehemalige VR-Vizepräsident der Thurella, seit 1997 im Verwaltungsrat

Entschädigungen 2009 VR Thurella AG

(Zum Vergrössern anklicken)

Hier wäscht also eine Hand die andere. Das Händewaschen geht aber noch etwas weiter: Revisionsstelle der Thurella war bis und mit Geschäftsbericht 2008 die Provida Wirtschaftsprüfung AG, eine Schwestergesellschaft zur Provida Consulting AG, in welcher der ehemalige VR-Vizepräsident der Thurella, Bernhard Allemann, wie besagt auch als Verwaltungsrat fungiert.

Abbildung oben: Ausschnitt aus dem Revisionsbericht im Geschäftsbericht 2008. Revisor ist dabei Walter Schefer sowie Kurt Hinder von der Provida Wirtschaftsprüfung AG.

Abbildung oben: Die Organisationsstruktur der Provida Verwaltungs AG, in welcher man die Namen der Revisoren Schefer und Hinder wiederfindet. Schefer scheint inzwischen wohl zur Provida Verwaltungs AG «aufgestiegen» zu sein. Hinder gehört hingegen immer noch zur Provida Wirtschaftsprüfung AG. Als Verwaltungsrat der Schwestergesellschaft Provida Consulting AG ist im Handelsregister Berndhard Alleman eingetragen. Die angeblich «unabhängigen» ehemaligen Revisoren und der ehemalige VR-Vizepräsident der Thurella standen und stehen noch immer auf der Lohnliste der Provida Verwaltungs AG – wenn auch in unterschiedlichen Funktionen…

Das Aktienrecht verlangt von der Revisionsstelle Unabhängigkeit. So schreibt OR Art. 728 Abs 2. vor:

Mit der Unabhängigkeit nicht vereinbar ist insbesondere:
(…)
3.
eine enge Beziehung des leitenden Prüfers zu einem Mitglied des Verwaltungsrats, zu einer anderen Person mit Entscheidfunktion oder zu einem bedeutenden Aktionär;
(…)

Nun kann man die Ansicht vertreten, dass hier keine «engen Beziehung» vorliegt. Doch Absatz 1 des gleichen Artikels schafft Abhilfe bezüglich Interpretation:

Die Revisionsstelle muss unabhängig sein und sich ihr Prüfungsurteil objektiv bilden. Die Unabhängigkeit darf weder tatsächlich noch dem Anschein nach beeinträchtigt sein.

Von «dem Anschein nach beeinträchtigt» kann hier zweifellos gesprochen werden…

Verstärkter Fokus auch auf Verwaltungsräte

Das Sprichwort «Schuster bleib bei deinen Leisten» dürfte wohl manch einem in den Sinn gekommen sein, als er vorige Woche vom Entscheid «zurück zu den Kernkompetenzen» der Thurella hörte. Die ehemalige Unternehmensleitung wollte eben mehr als bei den eigenen Leisten zu bleiben.

Sie ist damit gewaltig auf die Nase gefallen – und trägt nicht einmal einen finanziellen Schaden davon. Andere verlieren nun stattdessen ihren Arbeitsplatz. Das ist stossend.

Thomas Minders «Abzocker-Initiative» ist zwar zu begrüssen. Sie hätte in Falle der Thurella allerdings nichts bewirkt, denn sie zielt nur auf die Entschädigungen ab. Und wie oben gezeigt, kennen die Verwaltungsräte auch heute schon Möglichkeiten, wie sie über «Umwege» (sprich: Mandate) indirekt sich oder ihr Umfeld begünstigen können…

Gefragt sind darum auch griffigere Regeln, was den Verwaltungsrat anbelangt. Dieser hat sich nicht nur als Oberleitung verstärkt bemerkbar zu machen, sondern hat für seine (Nicht-)Handlungen genauso gerade zu stehen wie jeder andere auch. Andernfalls wird wohl noch lange gelten:

Die Kleinen hängt man, die Grossen lässt man laufen…

8 Antworten auf „Fangt die Grossen!“

  1. Da stichst du, lieber Titus, in eine riesige Eiterbeule. Diese „Vetternwirtschaft“ ist in der Mehrzahl der Schweizer Unternehmen gang und gäbe.

    Um diese korrupte Macht- & Interessenverwaltung zu beenden, müsste sich Grundlegendes ändern. Das Aktienrecht zu ändern wäre ein erster Schritt. Doch, fürchte ich, wird dies wegen der überwältigenden Lobby der Mandatsverwalter erst möglich, wenn der heute verwaltete Kapitalismus begraben ist.

    Wann und ob das einmal der Fall sein wird, liegt in den Sternen oder an einer der nächsten, globalen Krisen.

  2. Rom wurde bekanntlich auch nicht an einem Tag erbaut… 😉

    Halten wir schon einmal da den Finger drauf (und drücken aus 🙂 ), wo wir solche Dinge sehen – nicht damit wir uns daran gewöhnen, sondern damit darüber gesprochen wird und nicht meinen, es gäbe so etwas bei uns nicht…

  3. Gratulation! Das hast Du wunderbar herausgeschält. Eigentlich wäre solcher Enthüllungsjournalismus Aufgabe unserer „Schurnis“! Doch die haben wohl andere Sorgen – zum Beispiel, ob die Klimaanlage bei dieser Hitze funktioniert.

  4. Danke Titus, für diesen aufschlussreichen Artikel. Genau so läuft es überall. Das merke ich bei meinen Recherchen auch immer wieder. Da kann man gar nicht mehr von Netzwerken sprechen, nur noch von Filz.
    Ich bin sicher, das gibt es in anderen Ländern genau so, aber manchmal frage ich mich schon, ob das auch daran liegt, das unser Land einfach sehr klein ist. Jeder kennt jeden, alle sind irgendwie miteinander verwandt, verschwägert oder waren in der selben Schule/Uni/Pfadi/Verbindung…

  5. @ Bodeständix
    Auf die Klimaanlagen komme ich noch zurück, allerdings in einem ganz anderen Zusammenhang…

    @ Mia
    Die Abgrenzung zwischen «Freundschaftsdienst» und «Filz» (sprich: Korruption) ist manchmal fliessend. Das SECO definiert Korruption wie folgt:

    Als Korruption gilt jeder Missbrauch einer Vertrauensstellung zur Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils.

    Können wir uns davon immer ausnehmen (nicht bloss an Geld denken)?

    Schliesslich erlaube ich mir, nochmals auf einen Artikel vom Mai dieses Jahres hinzuweisen: «Gibt es Korruption in der Schweiz?».

  6. Nein, wahrscheinlich können wir uns da selbst auch nicht immer ausnehmen 😉 aber die Dimensionen sind vielleicht ein bisschen anders… und je nach Geschäftsbereich gehört das was du im Korruptionsartikel als „Beziehungspflege“ bezeichnest, nun mal wirklich einfach dazu. Gar nicht im korrupten Sinne – sondern schlicht als Grundlage der Arbeit. Da kann man dann nicht immer sooo einen genauen Trennstrich ziehen.

    Und bei den Whistleblowern, da haben wir wieder ein Problem mit der oben angesprochenen Kleinräumigkeit der Schweiz – danach könnte es dann je nach Tätigkeitsbereich sehr schwierig werden, noch einen Job zu finden.

    Da ist es dann wohl oft ein Abwägen zwischen Gewissen und drohendem Jobverlust. Traurig, aber irgendwo auch verständlich…

  7. Zu den «anderen Dimensionen»: Das wollte ich anfänglich auch antworten, habe es dann aber fallen gelassen, weil für Unternehmen generell ganz andere Dimensionen gelten als für uns als Privatpersonen.

    Und dann stellt sich bald einmal die Frage, wo denn die Grenze liegt bzw. ab wann ein Vorteil «überdimensional» ist? Letzten Endes gibt es bei einer strikten Auslegung keine Grenze, weder für Unternehmen noch für uns…

    Zu den Whistleblowern: Vielleicht bräuchte es da nicht nur Massnahmen für den Fall einer missbräuchlichen Kündigung, sondern auch eine Art Hilfestellung im Sinne von «wie stelle ich es an, ohne dass es auf mich zurückfällt?». Wie könnte man eine Indiskretion provozieren, sodass eine Sache quasi mittels «Unfall» nach aussen dringt?

    Mal beim Bundesrat nachfragen, wie die das mit den Indiskretionen immer machen ohne dass es auf jemanden zurückfällt… 😉

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