Gut geschlichen ist halb geworben

Die Sommerzeit ist immer auch eine gute Gelegenheit, Liegengebliebenes aufzuarbeiten und Zukünftiges vorzubereiten. So zum Beispiel in Sachen Schleichwerbung…

Wer schon länger in der Augenreiberei mitliest, der weiss, dass hier Schleichwerbung beim Schweizer Fernsehen schon verschiedentlich thematisiert wurde.

Beim letzten Mal ging es im Artikel «Eine süsse Versuchung» um einen «Tagesschau»-Beitrag zu Roger Federer und dessen neuen Sponsor «Lindt & Sprüngli». Der Schokolade-Hersteller wurde etwas arg in den Mittelpunkt des Beitrags gestellt.

In der Augenreiberei war man der Auffassung, dass hier eindeutig Schleichwerbung vorlag. Darum stellte sich abschliessend die Frage, ob man sich an die Ombudsstelle DRS wenden und eine Beanstandung einreichen soll.

Beanstandung eingereicht

Zwei Wochen später verliess tatsächlich ein Beanstandungsschreiben die Augenreiberei in Richtung Bern. Die Antwort des Ombudsmannes Achille Casanova traf am 18. Dezember 2008 ein.

Sie blieb den Lesern hier jedoch bisher vorenthalten – ausser jemand lese regelmässig die an die Ombudsstelle eingereichten Fälle online nach, wie eben den Fall oben.

Selbstkritisch kam dabei der Redaktionsleiter der Tagesschau, Thomas Schäppi, zum beanstandeten Beitrag zum Schluss:

Die Tagesschau und die an der Entstehung dieses Beitrags beteiligten Journalisten sehen in dieser Leistung kein Ruhmesblatt. Leider müssen wir dem Beschwerdeführer zugestehen, dass er mit seiner Eingabe einen wunden Punkt getroffen hat. Es nichts zu beschönigen: Der Beitrag hat den Anforderungen an eine Tagesschau-Berichterstattung nicht genügt.

(…)

Abschliessend müssen wir leider feststellen, dass die Beschwerde berechtigt ist.

Entsprechend dieser Antwort meinte auch Achille Casanova:

Ich teile die umfassende Selbstkritik des Redaktionsleiters der Tagesschau und finde, dass sich weitere Bemerkungen meinerseits erübrigen. Ich kann mich somit auf die Feststellung beschränken, dass ich Ihre Beanstandung als berechtigt beurteile.

«Die Lehren gezogen»

In der Antwort des Redaktionsleiters wird auch darauf verwiesen, dass man aus diesem Fall die Lehren gezogen hätte. So hätte man am 16. November darauf verzichtet, über den ebenfalls neuen Federer-Sponsor Crédit Suisse zu berichten, da dies auf einen werblichen Beitrag hinausgelaufen wäre.

Tatsächlich unterliess es die Tagesschau-Redaktion, an besagtem Tag darüber zu berichten. «SF Börse» konnte es allerdings nicht sein lassen, was die Frage aufwirft, ob es denn an der Börse schon Aktien von Roger Federer zu handeln gibt… Und auch die Kollegen von «10vor10» sprachen davon.

Immerhin geschah dies auf eine Weise, die weitaus weniger «schleichwerbend» daher kam wie der Lindt & Sprüngli-Beitrag. Das erklärt aber trotzdem nicht, weshalb wir als Zuschauer überhaupt darüber informiert werden müssen (wir erfahren es dann ja ohnehin im Rahmen der kommenden Crédit Suisse-Werbung) oder weshalb man bei anderen Sportlern nie etwas von deren neuen Sponsorverträgen hört.

Doch nichts gelernt?

Wie auch immer: Die Lehren mag man in der Tagesschau-Redaktion zwar in Sachen Federer-Sponsoren gezogen haben. Darüber hinaus scheint man aber kaum Lehren gezogen zu haben, wie der nachfolgende Tagesschau-Beitrag vom 17. Juli 2010 zeigt:

Zwar ist anfänglich die Rede davon, dass «Garagen eine sprunghaft angestiegene Nachfragen nach Reparatur der Autokühlanlage vermelden». Doch gezeigt wird nur eine Garage beziehungsweise ein Garagen-Netz – mit 170 Niederlassungen, wie man aus dem Beitrag auch erfahren kann.

Die AD Garagen sind gemäss ihrer Homepage «Ihre Garage für alle Marken». Da passt es gut, dass die Sprecherin erwähnte, dass das Warten und Auffüllen der Klimaanlagen «bei vielen Marken explizit nicht zum normalen Autoservice gehöre»…

Übrigens – so zum Nachdenken: Wussten Sie eigentlich, dass auch bei Glacé-Herstellern im Juni die Nachfrage sprunghaft um 30 Prozent oder so ähnlich ansteigt? Und sind Sie sich bewusst, dass Heizungsmonteure im Juli einen dramatischen Einbruch an Heizungsreparaturen erleben und das sogar jedes Jahr? 😉

Eine Bagatelle?

Beim Fall oben geht es – je nach Standpunkt – um eine Bagatelle. Garagisten, welche ebenfalls derartige Reparaturen ausführen und für den Sommermonat Juni vielleicht entgegen der Suggestion in diesem Beitrag keinen ausserordentlichen Nachfrageanstieg im Vergleich zum Vorjahr erkennen, sehen das wohl kaum als Bagatelle.

Trotzdem hat die Augenreiberei soeben eine neue Beanstandung in Richtung Ombudsstelle in Bern zum Beitrag oben verlassen.

Es geht dabei nicht darum, Recht zu bekommen um sagen zu können: «Denen habe ich es aber gezeigt». Es geht darum, zu verstehen zu geben, wo aus Zuschauersicht eine Grenze überschritten wurde, über die man nicht hinweg blicken kann, darf oder will. Als Massenmedium hat beim Schweizer Fernsehen auch eine angebliche Bagatelle bei einigen eine Wirkung.

Doch gerade weil es Bagatellen sind, werden sie häufig nicht beanstandet. Dadurch steigt die Gefahr, dass sie als normal empfunden werden. Stück für Stück gewöhnen wir uns daran, sodass auch die subjektiv empfundene Grenze des Zulässigen immer weiter nach oben rutscht.

Alternativ bietet sich an, in solchen Fällen gar nichts zu unternehmen – ausser vielleicht die Faust im Sack. Doch nur zu jammern, ohne eine entsprechende publizistische Qualität eben mittels Beanstandungen einzufordern, verändert nichts.

Selber aktiv werden

Natürlich kann man auch einen netten Brief oder eine nette E-Mail an eine Redaktion richten. Ob man darauf allerdings eine Antwort erhält, ist nicht immer sicher. Demgegenüber verlangt eine Beanstandung via Ombudsstelle zwingend nach einer Antwort innerhalb einer festgelegten Frist (sofern sie innert 20 Tagen nach Ausstrahlung einer Sendung eingereicht wurde). Es gibt also quasi eine Antwortgarantie.

Wer sich somit beim einen oder anderen Beitrag auch die Augen reibt, dem sei das kostenlose Verfahren via Ombudsstelle empfohlen. Eine Beanstandung darf allerdings nicht mutwillig erfolgen, sonst könnte das Verfahrenskosten mit sich bringen.

Zudem sei jedem geraten, sich vorgängig die Entscheide der Unabhängigen Beschwerdeinstanz (UBI) in deren Datenbank anzuschauen. An die UBI können Entscheide der Ombudsstelle weiter gezogen werden, wenn man mit diesem nicht einverstanden ist.

Es sind also eher die «harten» Fälle. Findet darunter jemand einen ähnlichen Fall, kann er ungefähr abschätzen, wie seine Chancen in etwa schon bei der erstinstanzlichen, vorgelagerten Ombudsstelle stehen.

Letzterer führt seine Fälle ebenfalls online auf, allerdings weniger strukturiert wie bei der UBI. Es ist dort darum schwierig, nach Fällen zu einem bestimmten Thema zu finden.

Lesenswert, spannend und teilweise amüsant sind diese Fälle aber alleweil, nicht zuletzt auch wegen den Begründungen (und dem häufig emotionalen Tonfall) seitens beanstandender Personen.

5 Antworten auf „Gut geschlichen ist halb geworben“

  1. Es stellt sich jedoch auch die Frage, ob „nicht einfach nur“ die Qualität der Berichterstattung schlechter geworden ist.

    Oder ist es gar Methode, unsere Toleranzgrenze mit Bagatellen Stück für Stück zu verschieben?

    Wehren wir den Anfängen…

  2. Wie es aussieht haben viele ihre liebe Mühe mit Satire, die Sendung «Giaccobbo/Müller» wird dauernd beanstandet und es gibt sogar welche gegen ein «Simpsons-Haloween-Special» weil zu viel Gewalt vor kam, beides ist ja an sich Satire und mir scheint, einige haben Mühe dies zu erkennen. Stimmt ist echt amüsant die Beschwerden und die Antworten zu den Fällen online zu lesen… 😉

  3. Mit den gegebenen Mustern kann ich zwar die Erkenntnis der Schleichwerbung nachvollziehen, aber irgendwie lässt mich die Sache cool. Ich mache ja keinen Schritt durchs real Life, lese keine Seite im Print und surfe nicht, ohne dass mir versteckt, elegante oder aufdringliche Werbung auffällt.

    Das ist mir sooo egal, wie die Frage ob der Tour de France Sieger gedopt oder nicht gedopt war!! Aus einer persönlichen Sicht, denke ich darüber gar nicht mehr nach, weil für mich die nicht gedopten einfach noch nicht erwischt worden sind.

    Ich kaufe mir keine Uhr, nur weil sie Star x im Film getragen hat (Product Placement) und ich kaufe mir kein Auto, nur weil Schumi mit dem Werbe-Mercedes auf zwei Rädern durch eine S-Kurve rollt.

    Wo ich die Kritik ernst nehme und mich auch gestört fühle, wenn eben in News und Redaktions-Leistung Informationen auftauchen, die als (Werbe-) Facts getarnt sind. Z. B. fand ich die Gesundheitssendung mit Dr. Stutz (oder so!) schon hanebüchen, wenn dort für Produkte geworben wird, für die hinter den Kulissen Geld fliesst!! So habe ich es zumindest in den Medien als Kritik gelesen.

  4. @ Dan
    Es ist in den letzten Jahren sicher nicht einfacher geworden, innerhalb eines bewohnten Gebiets oder selbst innerhalb von Gebäuden Bilder zu drehen ohne nicht irgendwo ein Logo irgendeines Unternehmens oder einer Marke drauf zu haben, selbst wenn es nur um einen Feuerlöscher im Hintergrund geht, bei dem man klar erkennen kann, von wem er stammt…

    Trotzdem: Es ist ja auch nicht so, dass es kaum mehr neutrale, werbefreie Flächen gäbe. Ich sehe die folgenden Gründe, weshalb es trotzdem nicht immer zu neutralen Bildern kommt:

    1) Mangelnde Ausbildung
    Manchen fehlt vermutlich einfach das geschulte Auge. Sie achten zu sehr auf den Vordergrund, weniger auf das, was im Hintergrund ist.

    2) Protagonisten wählen den Hintergrund
    Ich würde heute nicht ausschliessen, dass Menschen mit viel medialer Aufmerksamkeit inzwischen darin geschult sind, wo und wie sie sich hinzustellen haben, um ihr Unternehmen visuell «ins rechte Licht» zu rücken, sprich: um das Logo oder die Farbrikationsstätte usw. im Hintergrund im Bild zu haben.

    3) Absicht
    Natürlich lässt sich auch nicht ausschliessen, ob nicht vielleicht doch Absicht dahinter steckt, wenn eben Bilder nicht neutral sind.

    4) Sachzwänge
    Es ist heute fast kaum mehr möglich, Bilder von Sportlern ohne Werbung zu zeigen. Dahinter steckt natürlich Absicht. Es gibt aber auch Situationen, in denen es nicht anders geht. So ist es beispielsweise kaum möglich, beim jüngsten Zugunglück die Matterhorn Gotthard Bahn oder den Begriff «Glacier Express» nicht zu erwähnen.

    Im oben geschilderten Fall geht es aber nicht bloss um die Bilder. Hier geht es darum, dass ein Unternehmen Teil der redaktionellen Berichterstattung ist, obschon es vom Thema her (Klimaanlagen) gar nicht notwendig ist, dieses Unternehmen zu erwähnen…

    @ Relax-Senf
    Wir müssen wohl unterscheiden zwischen einem Print-Erzeugnis eines privatrechtlichen Verlags und einer Sendung eines öffentlich-rechtlichen TV-Senders. Dass der Inhalt eines Print-Erzeugnisses eben nicht immer so werbeneutral ist, wie wir uns das wüsnchen, erachte ich auch als Problem.

    Das zeigt sich sehr gut auch beim Federer-Fall: Die Print-Medien haben eifrig darüber berichtet, wie die CS nun auch ein neuer Federer-Sponsor, in einer Tagesschau hat das aber nichts zu suchen. Dass die Print-Medien darüber berichten, hat zweifellos mit dem Werbeauftraggeber CS zu tun…

    Wenn Du Garagist wärst und auch Reparaturen für Klimaanlagen anbietest, liesse Dich die Sache vielleicht nicht so cool. Es geht hier also auch um Fairness, welche dank Einhaltung des Prinzips um Ausgewogenheit eher gegeben ist.

    @ Chris
    In dem von Dir Geschilderten zeigt sich, dass viele sich quasi einen «erzieherischen» Einfluss wünschen. Die Frage, was denn gezeigt werden darf, ist nicht unberechtigt. Sie zu beantworten ist allerdings sehr schwierig, auch weil jeder von uns ganz andere Moralvorstellung hat…

  5. @ Titus: Bei den wenigen Schweizer Weltklassesportlern, wie es Federer ist, interessiert es mich schon, wenn die CS und Federer Werbepartner werden. Ob nur in der Sportsendung oder in den Nachrichten, darüber kann man geteilter Meinung sein.

    Wenn aber in den Nachrichten erwähnt wird, dass im Schrebergarten die grösste Gurke des Jahres gezüchtet wurde und die Kuh vom Bauer Müller auf ein Mal drei Kälber produziert hat, dann darf auch Federer in den Hauptnachrichten erwähnt werden. Bei den News Prioritäten im CH TV bin ich froh, dass ich noch andere Auslandssender empfangen kann.

    Ich habe den Beitrag betreffend Autoklimaanlagen-Service gesehen und dass man eine No Name Garage im Beitrag gesehen hat, habe ich als neutralen Ausweg gesehen. Es hat mich nicht gestört und mein Edelauto würde ich auch nicht zum Billiganbieter in den Service bringen. Wobei es natürlich Grenzen hat, wenn sich die Markengarage zu sehr Richtung Fantasiepreise verrechnet.

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