Schlechte Verliererin

Ein Einkaufscenter ist einer Einsprache durch einen Verband unterlegen und zeigt sich nun als besonders schlechter Verlierer. Die Reaktion seitens Einkaufszentrum könnten auch kontraproduktiv sein.

Die Zeiten als Mann noch jagen ging und Frau Beeren sammelte, sind ja bekanntlich schon lange vorbei. Heutzutage jagen Mann und Frau bestensfalls noch Schnäppchen hinterher. Und wenn sie sammeln, dann sind es Cumulus-, Super- und andere Punkte.

Die Zeiten, als vor allem Frau ihre Einkäufe noch im Tante-Emma-Laden erledigte, sind ebenfalls vorbei und die nach Mottenkugeln riechende Tante Emma ist ohnehin schon lange verstorben. Heute dominieren Einkaufszentren, eines schöner, grösser und attraktiver als das andere – sagt uns wenigstens deren Werbung. Man soll dort sein «Einkaufserlebnis» haben «Shopping Event» erleben und kann seine «Kids» praktischerweise im «Kinderparadies» parkieren.

Umbau mit Folgen

Diese Tempel des Konsums sind nicht neu, boomen aber vor allem in den letzten Jahren. Und jene der ersten Generation werden nun langsam generalüberholt. Dazu zählte auch kürzlich das Shoppyland in Schönbühl nahe Bern, welches zur Migros gehört.

Damit Mann sich auch zu beschäftigen weiss, währenddem Frau durch die Kleiderregale pirscht und die Kinder das angebliche Paradies entdecken, wurde dort nämlich kürzlich ein OBI Fachmarkt gebaut. Zugleich wurde das Shoppyland einem Totalumbau unterzogen.

Wie in solchen Fällen notwendig, brauchte es dafür ein Baugesuch, welches veröffentlicht wurde, damit alle, die ein berechtigtes Interesse haben, sich nach den Details erkundigen und gegebenenfalls Einsprache erheben können. Über Letzteres befindet dann schliesslich die jeweilige Baubewilligungsbehörde.

Auch der VCS des Kantons Bern hatte sich als Verband danach erkundigt und dabei festgestellt, dass das bisherige Vorhaben die geltenden gesetzlichen Vorgaben bezüglich Parkplatzbewirtschaftung nicht einhalte.

Dieser Einwand veranlasste offensichtlich die Baubewilligungsbehörde, das nachzuholen, was sie selber übersehen hatte (oder übersehen wollte?), nämlich eine solche Bewirtschaftung zu verlangen. Im Klartext heisst das: Das Shoppyland hat nun auch wie alle anderen Konsumtempel jüngeren Datums Parkgebühren zu erheben.

Frustrierter Center-Leiter

Diese «aufgebrummten» Parkgebühren scheinen dem Center-Leiter, Karl Gorsatt, gar nicht in den Kram zu passen. In halbseitigen Zeitungsinseraten (welche schliesslich die Kunden wieder bezahlen) mit dem Titel «Shoppyland muss Parkgebühren einführen» ist etwa zu lesen:

Besucher werden für das Parkieren eine Gebühr entrichten müssen. Dies geschieht allerdings nicht aus einem Entscheid der Centerbetreiber, sondern auf Geheiss des Verkehrsclubs Schweiz (VCS).

In einer Medienmitteilung der Genossenschaft Migros Aare heisst es zudem:

Ab 4. Oktober sehen sich auch das Einkaufscenter Shoppyland und der OBI-Fachmarkt in Schönbühl auf Geheiss des Verkehrsclubs der Schweiz VCS gezwungen, von der Kundschaft Parkplatzgebühren zu verlangen.

Man scheint sogar dermassen erbost über diese Gebühren zu sein, dass selbst die Konkurrenz erwähnt wird, um noch eins drauf zu geben:

Dies gilt auch für die Autofahrer des Coop-Super-Centers in Schönbühl, das ab 4. Oktober zu den gleichen Tarifen gezwungen wird, ebenfalls auf Druck des VCS.

Natürlich hat der VCS auf diese Vorwürfe reagiert – nur mit einer einfachen Medienmitteilung und nicht mit halbseitigen Inseraten:

Der VCS kann Investoren wie die Migros oder OBI zu nichts zwingen. Er hat lediglich darauf aufmerksam gemacht, dass die geltenden gesetzlichen Bestimmungen bei einem Ausbau der Einkaufszentren erfüllt sein müssen. Der VCS bedauert, dass die Investoren und die Baubewilligungsbehörde nicht von sich aus auf die Einhaltung gesetzlicher Rahmenbedingungen achten.

(Zum Vergrössern anklicken / Bieler Tagblatt vom 06.10.2010)

Fraglicher Nutzen

Man kann geteilter Meinung darüber sein, ob Parkgebühren tatsächlich eine Verlagerung auf den öffentlichen Verkehr bewirken oder nicht. Die Migros Aare schreibt dazu in ihrer Medienmitteilung:

Um nicht eine jahrelange Bauverzögerung in Kauf nehmen zu müssen, beugten sich die Betreiber dem Druck des VCS, obwohl inzwischen anhand einer grossen Studie belegt wurde, dass Parkplatzgebühren die Autofahrer nicht zum Umstieg auf den ÖV motivieren, wenn in unmittelbarer Nähe des eigenen Wohnortes keine Haltestelle des ÖV vorhanden ist. Im Gegenteil: Viele Autofahrende nehmen einen Mehrweg in Kauf, um gratis parkieren zu können.

Dass vor der eigenen Haustüre keine öV-Haltestelle ist und deswegen das Auto benützt wird, leuchtet noch ein. Dass aber wegen Parkgebühren ein Umweg gefahren würde nur weil keine öV-Haltestelle vor der Haustür liegt, ist wohl eine verdrehte Tatsache.

Zudem kostet das zweistündige Parkieren läppische fünfzig Rappen, vier Stunden einen ganzen Franken. Wenn dafür tatsächlich ein Umweg gefahren wird – womöglich noch zur sonst immer als teurer beschworenen Konkurrenz – dann hat wohl das Migros-Marketing von wegen «um 13% günstiger ein als beim Hauptkonkurrenten» und «Tiefstpreisgarantie», kläglich versagt.

Zugleich sind die 50 Rappen zu wenig, um jemanden wirklich zum Umsteigen auf den öV zu bewegen. Wenn das geschehen soll, dann hat Auto fahren oder dann haben diese Gebühren teurer zu werden.

Berechtigtes Verursacherprinzip

Es ist allerdings schon erstaunlich, was hier für ein Aufwand wegen diesen lächerlichen 50 Rappen betrieben wird und man deswegen auf ziemlich unfaire Weise den VCS anschwärzt. Coop hingegen, welcher wie von der Migros erwähnt auch betroffen ist, hat kein Wort über das neue Parkplatzregime verlauten lassen.

Was ob dem Getöse der Migros gegen den VCS beinahe untergeht, ist ein Satz, welcher nur in der Medienmitteilung enthalten ist, nicht aber in den Inseraten:

Die eingenommen Parkplatzgebühren werden für die aufwändigen Kontrollen und die Instandhaltung der Anlagen eingesetzt.

Oder mit anderen Worten: Die Einnahmen fliessen weder in einen staatlichen Topf noch in die Kasse des VCS (die könnten dann auch halbseitige Vierfarben-Inserate contra Migros publizieren 😉 ). Und: Für den Bau der Parkanlagen wie auch für deren Instandhaltung haben bis anhin immer alle Kunden bezahlt, egal ob sie mit dem Auto anreisten oder mit dem öV.

Dass nun die Autofahrer für ihren Parkplatz auch selber bezahlen müssen, erscheint dahingehend auch logisch, als dass schliesslich auch kein Autofahrer das Billett eines Shoppyland-Kunden bezahlt, der mit dem öV anreist. Und in diesem Billettpreis ist ebenfalls die «die aufwändige Kontrolle» der Benutzer enthalten.

Nachhaltigkeit?

Alles in allem ist die Reaktion der Migros-Vertreter, welche durchaus auch verleumderische Züge hat, da der VCS nur das ihm zustehende Recht wahrgenommen hat, mehr als bedenklich. Gehört das auch zu den Werten, die eine Migros angeblich vertreten will? Falls ja, dürfte das Kunden auch abschrecken.

In diesem Fall wird deutlich, dass man zwar Nachhaltigkeit propagiert, das sich diese aber nur aufs eigene, direkte Handeln beschränkt. Das ist eine sehr vereinfachte Sichtweise, denn viele grössere Einkaufszentren liegen fernab der bevölkerungsreichen Zentren.

Wenn einer Migros (und allen anderen) wirklich etwas an den Nachhaltigkeitsthemen Klimaerwärmung, CO2-Reduktion oder Ökologie liegt, dann schliesst sie den Verkehr mit ein, den sie durch ihre Konzentration auf fernab liegende Konsumtempel verursacht und zieht daraus die entsprechenden Konsequenzen. Die Kunden suchen den weiten Weg wohl kaum, den sie mit dem Tante-Emma-Laden um die Ecke auch nicht hatten.

Oder gibt es tatsächlich Kunden, welche mit dem Velo im Shoppyland Bio-Produkte einkaufen gehen?

5 Antworten auf „Schlechte Verliererin“

  1. Eine Studie hat gezeigt, dass Parkplatzgebühren kaum zu einer Verlagerung auf den ÖV führen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum Beispiel kann man den Monatseinkauf im Kofferraum des Autos verstauen und so bequemer nachhause gelangen als wenn man mit 4 vollen Einkaufssäcken in ein überfülltes Tram steigen muss, dann auf den Bus umsteigen muss und dann in den Zug einsteigen muss.

    Der VCS trägt mit seinen Einsprachen überhaupt nicht zu mehr Nachhaltigkeit bei. Was der VCS macht ist reine Schikane. Es ist nachhaltiger einmal im Monat mit dem Auto einkaufen zu gehen als wöchtentlich mit dem ÖV dasselbe zu tun.

  2. @ Alexander Müller
    Wie bereits erwähnt, kann man über den Nutzen im Sinne einer Verlagerung geteilter Meinung sein und wie ich ebenfalls erwähnte, müsste entweder Auto fahren oder müssten die fraglichen Gebüren schon markant teurer werden, um wirklich jemanden zum öV bewegen zu können.

    Aber: Es ist die Migros, die hier das Verlagerungs-Argument und dessen Nutzlosigkeit ins Spiel bringt. Ob der VCS tatsächlich auf diesen Punkt pochte im Glauben, man könne jemanden wegen 50 Rappen Mehrkosten zum Umsteigen bewegen, wissen wir nicht oder geht nicht aus den gefundenen Informationen hervor.

    Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es dem VCS mehr ums Verursacherprinzip ging, um die Autofahrer wenigstens teilweise an den Kosten zu beteiligen. Zurzeit läuft ja auch bezüglich Bahn/SBB eine Diskussion, um deren Nutzer stärker zur Kasse zu bitten. Auch hier geht’s schliesslich ums Verursacherprinzip. Wenn man hingegen die einen oder die anderen Nutzer nicht zur Kasse bitten, dann wohl deshalb, weil man den Einen oder den Anderen aus politischen Gründen bewusst privilegieren will (um so die Verkehrsströme zu steuern).

    Wie dem auch sei: Wenn eine Migros mit den gesetzlichen Grundlagen nicht einverstanden ist, dann soll sie sich über den Gesetzgeber beschweren und nicht über denjenigen, der ein Recht wahrnimmt, das ihm der Gesetzgeber eingeräumt hat…

  3. Parkgebühren? Warum nicht gleich 80% der vorhandenen Parkplätze einfach streichen, dass würde garantiert zu weniger Autos führen – aber eben wohl auch zu erheblich weniger Kunden, muahahahaah. Wenn ich der VCS wäre, würde ich jetzt wo die so über die Parkgebühren motzen, nun genau das verlangen. Wahrscheinlich wären dann die Parkgebühren plötzlich total unwichtig, nein sie wären plötzlich sehr froh wenn es nur bei den Parkgebühren geblieben wäre, hehehehe.

    Und wenn dann die Kunden wegbleiben und das „Schoppyland“ (was für ein bekackter Name!) deswegen zumachen muss, dann ist das dann für alle anderen kack Einkauftempel die regelmässig fernab jeglicher ÖVs errichtet werden und so Autos voraussetzen um überhaupt dorthin zu kommen, ein Zeichen das diese Strategie zur sicheren Schliessung und grossen Verlusten führt!

    Ich bin sicher, dann würde man sich besser überlegen wo man solche Dinger hinstellt, eine gute ÖV Erschliessung wird dann wegen den nicht vorhandenen Parkplätze plötzlich oberste Priorität sein, hehehehe.

  4. Vorneweg, ich bin ein unregelmässiger Shoppyland Benutzer, da Familie Bobsmile den Grosseinkauf auf viele kleine Einkäufe in der Gemeinde verteilt, meist per Pedes und Rolli.
    (Dank auch mal an die beste Ehefrau von allen.)
    Aber ab und zu brauchts eben ein persönliches Gespräch mit meiner M-Bank, oder 3×3 Meter Dachrinne mit Zubehör.

    Trotzdem finde ich es daneben, dass der Herr Center-Betreiber es nötig hat, Tatsachen zu verdrehen und Mitkonkurrenten ins Spiel zu bringen.
    (Ich unterstelle mal, kein einziger Grosseinkauf-Kunde würde nur wegen den -.50 zum weiter entfernten Coop Super Center fahren, wenn er nicht auch wirklich dorthin will.)

    Der VCS kann halt leider nun mal von seinem Recht gebrauch machen und die Einhaltung der Gesetzgebung verlangen. Das hat nichts mit Schikane zu tun, auch wenn es mir/uns als Autofahrer so vorkommt. Die Basis dazu steht im Gesetz. Also müsste man darüber empört sein. Aber was steht denn nun genau im Gesetz?

    Egal, zurück zum halbseitigen Inserat.
    Statt des platzverschwendenden Portraits von Herrn Gorsatt, hätten mich die MMM (Männer vom Migros Marketing)besser mit einer Grafik über das neue Parkplatzregime informiert, wie denn der Obulus zu entrichten sei.

    Ein Erfahrungsbericht
    Am letzten Wochenende fuhr ich mit dem Auto aufs Shoppyland Gelände und bog auf den P2 Parkplatz ab. In der Einfahrt erwartete mich eine geöffnete Schranke, über den Kartenautomaten war ein grauer Plastiksack gestülpt. Aha, Ticket ziehen – geht noch nicht. Ich also auf den nächsten freien Parkplatz, Auto abstellen und die paar Schritte ohne Schirm durch den Regen zum Haupteingang.
    „Grüessech, Sind Sie mit dem Auto da?“, begrüsste mich eine junge Dame mit Shoppyland-Käppi und Sandwich in der Hand (es war kurz nach 12 Uhr).
    „Ja, bin ich, wieso?“
    „Haben Sie sich Ihre Parkplatznummer gemerkt?“
    „Nein, die Schranke stand offen …“
    „Jaaaa schon, aber …“, und jetzt kam die Erklärung, dass die Schranken nur bei geschlossenem Geschäft geschlossen bleiben, und ich mit der Parkplatznummer im Gedächtnis hier beim Automaten am Eingang die „geplante“ Parkzeit eingeben muss.
    Ich also wieder ohne Schirm durch den, jetzt stärker gewordenen, Regen zurück zum Auto, Parkplatznummer ablesen, und jetzt eh schon durchnässt zurück zum Eingang gerannt, um leicht genervt dem Opferstock eine Münze zu spendieren. Die nette Dame von vorhin drückte für mich auch noch den grünen Knopf und übergab mir den Parkschein.
    „Behalten Sie den, dann können Sie auch beim OBI parkieren, einfach hinter die Windschutzscheibe legen.“ Aha, clever. In der Lyssacher Einkaufsmeile könnten Sie davon lernen!
    Aber hätte man mir das nicht auch vorgängig in der Publireportage schmackhaft machen können, statt sich als schlechter Verlierer zu blamieren?

  5. @ Chris
    Parkplätze streichen muss nicht weniger Kunden bedeuten, aber es sind andere, neue Modelle gefragt. Das Westside (quasi die Migroseigene Konkurrenz an einer anderen Peripherie Berns) bietet beispielsweise einen „preiswerten“ Hauslieferservice in Zusammenarbeit mit der Post an. Online finden sich heute keine Preise mehr, soweit ich mich jedoch erinnere, stand da mal etwas von wegen 30 Franken… Im Gegensatz dazu gibt es beispielsweise in Lausanne den so genannten „Riponne Express“. Das ist ein Transport, der die Einkäufe aus den Geschäften in der Fussgängerzone hin zum Parking Riponne bringt (direkt ab der Kasse). Natürlich ist der ganze Spass gratis, währenddem öV-Benutzer ihre Einkäufe gefälligst selber zur nächsten Haltestelle zu tragen haben…

    Besonders beliebt sind bei mir auch immer jene Kassiererinnen, welche mir ab einem bestimmten Einkaufsbetrag einen Jeton fürs Parking offerieren wollen. Auf einen Tauschhandel, Jeton gegen Busbillett, ist jedoch noch keine eingegangen…

    Ich denke, diese Konsumtempel tun sich selber keinen Gefallen, nicht entsprechende Lösungen an die autolose Kundschaft anzubieten. Vermutlich haben denke da einige noch immer, nur grüne Fundis hätten kein Auto und verpassen stattdessen die Bewegung „weg vom eigenen Auto“ vor allem seitens städtischer Bevölkerung…

    @ Bobsmile
    Hey, die haben dort Millionen verbaut, da bleibt nichts mehr übrig für ein ordentliches Parkingsystem (welches durch Deine „Spende“ wieder amortisiert wird) 😉

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