Energiefressendes Kleinvieh mit grosser Wirkung

Atomenergie ist höchst umstritten. Darum soll es unter anderem mehr Energieeffizienz richten, um so möglichst auf Atomenergie verzichten zu können. Das Bewusstsein dazu ist aber an vielen Orten noch nicht vorhanden – und sollte vor allem auch schon im Kleinen beginnen.

In Deutschland ist die Debatte um Atomenergie durch die Verlängerung der Laufzeit der bestehenden Kraftwerke einerseits und durch die so genannten Castor-Transporte mit dem Atom-Müll fürs Zwischenlager Gorleben andererseits zurzeit wieder in vollem Gange.

In der Schweiz, zumindest in der Deutschschweiz, dürfte diese Debatte in einigen Wochen auch wieder wenigstens etwas aufflammen, da im Kanton Bern eine Abstimmung über den Ersatz des AKWs Mühleberg ansteht.

Technisch provozierter Energiehunger

Glücklich ist über diese Art der Energiegewinnung niemand so richtig. Die Gegner von Atomstrom sind es ohnehin nicht und die Befürworter wie auch die AKW-Betreiber haben mit massivstem Widerstand zu kämpfen, sodass es im Kampf um die «ideale» Energieproduktion von beiden Seiten her viel menschliche Energie braucht.

Die Befürworter sind der Ansicht, dass es ohne Atomenergie nicht gehe. Der Energiehunger unserer Gesellschaft werde immer grösser, also brauche es AKWs, zumal es nach Ansicht dieser Befürworter (noch) keine äquivalente Alternative bezüglich benötigter Energieleistung gäbe.

Die Gegner meinen hingegen, dass es valable Alternativen gäbe und dass man mit mehr Energieeffizienz sehr viel erreichen könne. Und: Das effizienteste Gerät sei ohnehin jenes, welches gar keine Energie brauche.

Dagegen ist nichts einzuwenden, doch genau dazu besteht heutzutage ein Manko. Ganz subtil schiebt man uns Konsumenten nämlich immer mehr Geräte unter, welche ohne Energieantrieb gar nicht funktionieren würden, so wie das früher der Fall war.

Das ist aber noch nicht alles: Wer solche Geräte verwendet, gilt als «modern» und «fortschrittlich». Oder andersrum: Hat man sie nicht, kann man eigentlich nur rückwärts gewandt und altbacken sein.

Wer sich um sein Image einen Deut schert, hat es trotzdem nicht einfach: Es finden sich nämlich kaum mehr solche «altmodischen» Geräte, welche es ohne Energieantrieb ebenfalls bringen würden.

Zum Alltag geworden

Schauen wir uns einige Beispiele dieser subtil «an den Mann oder die Frau gebrachten» Geräte an, welche heute Energie benötigen, die früher jedoch nicht notwendig war.

Der Klassiker unter ihnen ist zweifellos die Fernbedienung. Nur wenn deren Batterien aussteigen und gerade keine neuen zur Hand sind, muss man sich noch ans TV-Gerät begeben, um dort hoffentlich noch eine manuelle Steuerung zu finden. Selbst fürs Einschalten kann man sich dank Stand by-Funktion schon vorher ins Sofa plumpsen lassen und muss sich nicht erst zu irgendeinem Knopf am Gerät begeben.

Im Haushalt finden sich generell viele Geräte, deren Vorläufer auch ohne Energie funktionierten. So gibt es heute kaum mehr eine Körperwaage, die keine digitale Anzeige beinhaltet. Ziemlich ähnlich ist es mit den Haushaltswaagen. Man könnte schon fast darüber ins Grübeln kommen, wie man früher überhaupt in der Lage war, bei diesen mechanischen Dingern 120 Gramm Butter abwägen…

    Auch viele fest installierten Haushaltsgeräte wie Backöfen oder Kombi-Steamer verfügen selbstverständlich über eine digitale Anzeige. Da diese Geräte nicht mehr über einen mechanischen Drehknopf verfügen, kann man ohne digitale Anzeige die jeweilige Temperatur gar nicht mehr einstellen.

    Vielfach steckt aber noch mehr hinter einer solchen Anzeige. So dient jene bei den Backöfen zugleich auch noch als ganz normale Uhr (noch eine Uhr mehr), welche sich wiederum ideal als Timer eignet. Die altbekannte Aufziehuhr, welche wie ein Wecker losklingelte, ist damit definitiv passé.

    Wer heute Rollläden einbauen lässt, der braucht sich nicht mehr davor zu fürchten, dass elektrisch betriebene als Luxus verstanden werden. Eher das Gegenteil ist der Fall.

    Erinnern Sie sich noch an den Fahrraddynamo? Eine an sich geniale Erfindung, welche einem auch einen Eindruck darüber vermittelte, wie viel es für den Betrieb eines Vorder- und Rücklichts brauchte. Er scheint dem heutigen Sicherheitsbedürfnis offensichtlich nicht mehr zu genügen, weshalb er inzwischen zu einem grossen Teil durch eine batteriebetriebene Variante ersetzt wurde.

    Erinnern Sie sich auch noch, wie man die Zähne richtig zu putzen hätte? Falls nicht, ist das nicht weiter schlimm, denn heute richtet es ja die elektrische Zahnbürste. Die müssigen Bewegungen im Mund und – je nach Modell – das müssige Reinigen der Zahnzwischenräume mittels Zahnseide entfallen dadurch.

    Effizienter, aber…

    Wenn Sie sich anschliessend noch die Hände waschen wollen, brauchen Sie dafür auch nicht mehr auf den Flüssigseifenspender zu drücken, denn neuerdings gibt es ja auch davon eine elektrisch betriebene Variante, bei welcher man einfach nur noch die Hände darunter halten muss. Nur fürs Einseifen braucht es noch die eigene Kraft.

    Und viele Autos jüngeren Datums können heute zwar rein mechanisch noch gefahren werden. Doch wenn die Elektronik aussteigt, weiss die Person hinter dem Lenkrad mangels mechanischem Tacho auch nicht mehr, wie schnell sie fährt. Noch fataler reagieren elektronisch gesteuerte Züge, denn wenn da etwas aussteigt, läuft gleich gar nichts mehr.

    All diese elektrisch betriebenen «Errungenschaften», von welchen oben nur einige Beispiele genannt wurden, werden einem häufig aber auch mit einer gewissen Selbstironie bezüglich Energieverbrauch angedreht. So kauft man heute als umweltbewusster Konsument zwar einen äusserst energieeffizienten Backofen. Aber ohne digitale Anzeige gibt es den gar nicht.

    Oder: LED-Leuchten werden häufig als ideale Fahrradlampen verkauft, weil sie besonders viel Licht für relativ wenig Energie brauchen würden. Ohne Batterien, wie dies beim Fahrraddynamo der Fall war, können diese Leuchten aber gar nicht erst betrieben werden.

    Eine absoluter Höhepunkt sind übrigens die Autos. Sie hatten wohl noch nie einen so effizienten Antrieb wie heute. Dafür verschlingt einfach die gesamte Elektronik, Zusatzgeräte wie HiFi-Anlage, Navigationsgerät, Sitzheizungen, Klimaanlage usw. inklusive, wieder entsprechend mehr Energie…

    Wattspalterei oder was?

    Verstehen Sie das bitte nicht falsch: Es geht hier nicht darum, jedem Watt an Leistung haarspalterisch nachzurennen und anzuprangern und womöglich noch das Argument zu bringen, man könne sich ein AKW ersparen, wenn…

    Vielmehr geht es um den Hinweis, dass alle diese kleinen Energiefresser Ausdruck unseres heutigen Selbstverständnisses in Sachen Energie, Energieverbrauch und Energieeffizienz sind.

    Alles Neue, welches bisher mechanisch wunderbar funktionierte, untersteht heute schon fast dem Zwang, elektrisch betrieben sein zu müssen, egal ob direkt ab Steckdose oder über einen Zwischenspeicher wie Batterien oder Akkus. Es kann nicht neu sein, wenn da nicht wenigstens eine digitale Anzeige vorhanden ist.

    Natürlich sind alle diese kleinen Dinge in der Energiebilanz insgesamt relativ unbedeutend. Natürlich gibt es wichtigere Dinge, bei denen man Energie sparen oder effizienter nutzen könnte. Und selbstverständlich soll man diese wichtigeren Dinge tun, umsetzen oder nutzen.

    Doch die eigentliche Bedeutung dieser kleinen, bezüglich Energiebilanz unbedeutenden Dinge liegt darin, dass sie ganz subtil ein Bewusstsein schaffen, wonach es heute und in naher Zukunft nie an Energie mangeln werde, denn sonst würde man ja solche Funktionen nicht energiebetrieben anbieten und einbauen.

    Sie liefern die Grundlage für eine Art Schnellball-Effekt, so ganz nach dem Motto: Wo schon Müll am Boden liegt, spielt es ja keine Rolle mehr, wenn man seinen Abfall auch noch zu Boden wirft. Oder wo eine Wand schon versprayt ist, spielt es auch keine Rolle mehr, wenn eine Sprayerei mehr hinzukommt.

    Und wo schon ein paar Watt für den Betrieb des einen oder anderen Geräts benötigt wird, spielt es ja dann auch keine Rolle mehr, wenn noch etwas mehr Energie für weitere Geräte gebraucht wird…

    Täuschende Bilder

    Und, es wird noch eine andere Botschaft ganz subtil vermittelt: Fortschritt. Elektrisch betriebene Geräte sind ein Fortschritt. Das ist die Botschaft. Aber ist dem wirklich so?

    Worin liegt denn der Nutzen beispielsweise einer batteriebetriebenen Haushaltswaage mit digitaler Anzeige gegenüber einer Haushaltswaage mit mechanischer Anzeige? Worin liegt der Vorteil eines automatischen Seifenspenders gegenüber einem Seifenspender, den man noch selber betätigen muss? Und gelingen die Kuchen in einem Backofen mit digitaler Anzeige und elektronischer Steuerung besser als in einem solchen, bei dem man die Temperatur noch mit Drehknöpfen einstellen musste?

    Natürlich finden sich Gründe zugunsten der elektrisch betriebenen Variante, welche aber so marginal unbedeutend sind, dass man sie besser gar nicht erwähnt um sich nicht lächerlich zu machen. Rein funktionell betrachtet bietet die elektrisch betriebene Variante häufig nicht mehr als ihr mechanischer Vorläufer.

    Es geht hier darum vielfach um alten Wein in neuen Schläuchen. Mit zwei Unterschieden: Die elektrisch betriebene Variante benötigt etwas Energie und – sie vermittelt wie bereits erwähnt über ganz alltägliche Geräte das Bild, dass Energie en masse vorhanden sei.

    Von diesem Bild sollten wir uns nicht zu sehr täuschen lassen, denn das ist es, welches den Energiehunger unserer Gesellschaft antreibt.

    Und echter Fortschritt äussert sich nicht durch die Art des Antriebes, elektrisch oder mechanisch, sondern durch einen Mehrwert gegenüber dem Bisherigen – im Kleinen wie vor allem im Grossen.

    2 Antworten auf „Energiefressendes Kleinvieh mit grosser Wirkung“

    1. Erinnern Sie sich noch an den Fahrraddynamo? Eine an sich geniale Erfindung, welche einem auch einen Eindruck darüber vermittelte, wie viel es für den Betrieb eines Vorder- und Rücklichts brauchte. Er scheint dem heutigen Sicherheitsbedürfnis offensichtlich nicht mehr zu genügen, weshalb er inzwischen zu einem grossen Teil durch eine batteriebetriebene Variante ersetzt wurde.

      […]

      Oder: LED-Leuchten werden häufig als ideale Fahrradlampen verkauft, weil sie besonders viel Licht für relativ wenig Energie brauchen würden. Ohne Batterien, wie dies beim Fahrraddynamo der Fall war, können diese Leuchten aber gar nicht erst betrieben werden.

      Ich kann diesen Anschein nicht bestätigen. Moderne Fahrräder verfügen über Nabendynamos mit vernachlässigbarem Trettwiderstand zur zuverlässigen Stromversorgung auch bei nassen Strassenverhältnissen. LED-Leuchten werden verwendet, benötigen aber keine Batterien. Im Gegenteil, der geringe Strombedarf von LED-Beleuchtung ermöglicht sogar Licht, wenn man nicht fährt, beispielsweise beim Anhalten an einer Kreuzung – der dafür notwendige Strom wird in Kondensatoren gespeichert, was für diesen Zweck genügt.

      http://www.simpel.ch/service-faq/velo-kaufhilfe/lichtanlage/fragen/nabendynamo-und-seitendynamo-im-vergleich.html

      Batterien bewähren sich meiner Erfahrung nach für Fahrradbeleuchtung nicht. Sie liefern zu wenig lang Leistung, man steht plötzlich ganz ohne oder mit viel zu wenig Licht da, sie müssen ausgewechselt oder aufgeladen werden und reagieren empfindlich auf Wettereinflüsse (Hitze, Kälte, Feuchtigkeit). Die typischen Fahrradlampen mit Batterien können ausserdem wegen Diebstahlgefahr nicht am Fahrrad belassen werden …

    2. @ Martin
      Da bleibt nur zu hoffen, dass sich andere ein Beispiel an diesem Innovationsgeist nehmen (was die Weiterentwicklung einer alten Methode anbelangt).

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