Technische Neuerungen bringen vordergründig viele interessante Funktionen mit sich. Einige davon ritzen aber die Persönlichkeitsrechte und dies oftmals wegen Unwissenheit seitens Anwender.
Als digitale Fotos noch nicht üblich waren, brauchte man sich wenig Sorgen darüber zu machen, was wohl mit einem Foto geschieht, auf dem man teilweise auch unvorteilhaft abgelichtet war. Es landete – wenn überhaupt – irgendwo in einem privaten Foto-Album und dieses wiederum irgendwo in einer Schublade oder einem Schrank.
Spassfaktor vs. Persönlichkeitsrechte
Inzwischen prägt die digitale Fotografie unseren Alltag. Jedes Handy ist heutzutage mit einer Fotokamera ausgerüstet. Zudem haben die Bilder laufen gelernt, sprich: per Knopfdruck können sie in alle Welt oder auf irgendeine Online-Plattform verschickt werden.
Selber weiss man oftmals nicht einmal, dass man abgelichtet wurde, geschweige denn was man für eine Pose eingenommen oder was man für eine Grimasse gezogen hatte just in dem Moment, in dem abgedrückt wurde.
Logischerweise weiss man in diesen Situation auch nicht, wo ein Foto landet und wem es alles zugänglich ist. Das muss auch nicht immer sofort der Fall sein. Vielfach werden sie auch erst später heruntergeladen – und allenfalls veröffentlicht.
Es ist inzwischen «normal» geworden, dass alles und jedes fotografisch festgehalten wird und «es Spass macht», allen «Freunden» via Flickr, Facebook & Co. zu zeigen, was man nicht alles mit wem erlebt hat.
Die Sache hat aber einen Haken: Die Abgelichteten haben auch Rechte. Wer aber beispielsweise an der kommenden Sylvester-Party im kleinen, privaten Rahmen die Gastgeber oder die Gäste darauf aufmerksam macht, selber nicht abgelichtet zu werden oder die gemachten Bilder nicht zu veröffentlichen oder zu verschicken, der erntet nur merkwürdige Blicke, so, als ob man plötzlich von einem anderen Planeten stammen würde.
Die Alternative dazu ist: Entweder sich halbwegs zu verkleiden, damit einem am Tag danach kein Fotos peinlich sind, weil man darauf nicht erkannt werden kann. Oder aber bloss nicht die Hemmungen zu sehr fallen lassen, damit es gar nicht erst peinliche Fotos von unbedacht vergebenen Küsschen, ausser Form geratener Kleidung oder irgendwelchen ungeschickten Tanzeinlagen gibt (das geht übrigens alles auch ohne Alkohol).
Auf den Punkt gebracht: Der private Rahmen wird wegen möglichen digitalen Fotos plötzlich öffentlich, sodass man sich nicht mehr so frei zu verhalten wagt, wie das früher der Fall war. Schöne neue digitale Welt…
Dass wir heute so weit sind, haben wir gut verkauften Kommunikationsmöglichkeiten und gut verkauften Online-Plattformen mit verführerischen Funktionen zu verdanken. Es macht einfach Spass, ein soeben geschossenes Föteli innert Sekunden irgendwo hin verschicken zu können, nicht wahr?
Persönlichkeitsrechte? Das Recht aufs eigene Bild? Eine Nachfrage vor dem Versenden, ob man die Persönlichkeitsrechte der Abgelichteten respektiere? Alles Fehlanzeige. Viele wissen wahrscheinlich nicht einmal, was Persönlichkeitsrechte sind und gehören ohnehin zu jenen, welche unter mangelnder Aufmerksamkeit leiden und darum glauben, jeden Furz – Pardon für die Ausdrucksweise – aller Welt mitteilen zu müssen.
Neuer Spassfaktor: Geolokalisation
Nun geht das Ganze aber noch einen Schritt weiter und auch diesmal scheint der Spassfaktor oder anderen Faktoren höher zu wiegen als die Persönlichkeitsrechten, zu welchen niemand auch nur einen Gedanken verschwendet. Auch diesmal scheint sich das Ganze schleichend als «normal» im kollektiven Bewusstsein einzunisten, zumal kaum irgendwoher ein Aufschrei zu hören ist.
Die Rede ist von der so genannten Geolokalisation, das heisst, dem angeben seiner Position dank Handy/Smartphone und GPS. Wer beispielsweise Facebook Places verwendet, kann so seinen «Freunden» online und automatisch mitteilen, wo er sich gerade befindet. Natürlich mischt auch Google mit Google Latitude mit, sodass dieser Daten-Riese bald nicht nur weiss, wo sie im Internet herumsurfen, sondern auch im realen Leben…
In beiden Fällen dürfte für viele der Spassfaktor überwiegen. In beiden Fällen beruht das Ganze auf Freiwilligkeit. Und in beiden Fällen ist nicht absolut sicher, dass jene, welche da mitmachen, nicht auch noch andere mit hineinziehen und somit auch deren Standort bekannt geben. Denkbar ist vieles und an der nötigen Sensibilität was die Persönlichkeitsrechte anbelangt mangelt es ohnehin, siehe digitale Fotos.
Eine andere, ähnliche Form findet sich unter tracker.ch beziehungsweise tracker.com. Zurzeit läuft schweizweit eine Werbekampagne unter dem Motto: «Jederzeit wissen, wo Deine Liebsten sind.» Klingt verlockend, nicht wahr?
Dieses Motto zielt klar auf Private ab. In der Praxis hört sich das dann so an:
Das Ganze ist deshalb nicht unproblematisch, weil auch Kinder Rechte haben und weil auch Kinder ein Recht auf Privatsphäre haben. Dazu gehört auch das «umelümmle». Man nennt das auch «Freiräume haben». Wer aber dauerüberwacht wird, der ist nicht frei. Tracker.ch wird in diesem Fall zu einer Art digitalem Gefängnis.
Mindestens genauso schlimm ist auch, dass dieses Mami offensichtlich kein Vertrauen zu ihrem eigenen Kind hat, denn im gegenteiligen Fall müsste sie ihren Felix nicht ständig via Internet überwachen.
Spannend ist hier vor allem die Frage, wie lange dieses besorgte Mami denn ihren Felix so überwachen will beziehungsweise darf. Gemäss Datenschutzbeauftragten gibt es keine klare Altersgrenze.
Sobald jedoch das Kind in der Lage ist zu verstehen, wie ihm geschieht (5./6. Klasse), hat es darüber informiert zu werden. Ob es dann – unter dem Einfluss der Eltern und unter deren Abhängigkeit – auch in der Lage ist, sich dagegen zu wehren oder nur schon zu verstehen, was seine Rechte sind, ist wenig wahrscheinlich.
Tracker.ch soll aber unter anderem auch in der Logistik angewandt werden können. Die Version für Erwachsene tönt dann so:
Es mag harmlos klingen, die Fahrzeuge zu überwachen. Letztere fahren aber nicht von allein, womit also auch noch gleichzeitig der Standort wie auch die bisherige Route der Fahrer verfolgt werden kann. Davon ist im Video natürlich nicht die Rede.
Hier wird de facto jede einzelne Pinkel-Pause registriert (jeder unübliche Halt), was einer Überwachung des Arbeitnehmers gleichkommt. Letzteres ist jedoch gemäss Arbeitsrecht untersagt. So besagt Art. 26 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz:
1 Überwachungs- und Kontrollsysteme, die das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz überwachen sollen, dürfen nicht eingesetzt werden.
2 Sind Überwachungs- oder Kontrollsysteme aus andern Gründen erforderlich, sind sie insbesondere so zu gestalten und anzuordnen, dass die Gesundheit und die Bewegungsfreiheit der Arbeitnehmer dadurch nicht beeinträchtigt werden.
«So zu gestalten (…), dass (…) die Bewegungsfreiheit der Arbeitnehmer dadurch nicht beeinträchtigt wird» heisst gemäss Datenschutzbeauftragten, dass es dem Arbeitnehmer auch möglich sein muss, dieses Tracking-System jederzeit abzuschalten. Das gilt beispielsweise sowohl für die Pinkel-Pause wie auch für die seitens Arbeitgeber erlaubte Verwendung des Geschäftsfahrzeugs in der Freizeit oder am Wochenende – um nur zwei Beispiele zu nennen.
In jedem Fall hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmer auf diese Überwachung hinzuweisen. Ob gar die ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen notwendig ist, wurde eher verneint. Dies wäre erforderlich, wenn hier von Persönlichkeitsprofilen die Rede wäre, die «eine Beurteilung wesentlicher Aspekte der Persönlichkeit einer Person erlauben.» Das sei hier jedoch nicht gegeben, wobei eine Abgrenzung auch nicht immer einfach ist…
(Un)Wissende Betroffene?
Natürlich gibt es auch positive Aspekte. So kann dieses System auch von Sportlern zur Verfolgung ihrer Route verwendet werden. Oder es verfügt über eine Notfall-Funktion, anhand welcher ein verletzter Sportler oder eine betagte Person die genaue Position per SMS mitteilen kann. In beiden Fällen spielt aber die Freiwilligkeit eine Rolle, das heisst, es liegt immer noch am Benutzer selbst, ob er seine Route oder seine Position speichern und (im Notfall) an Dritte weitergeben will.
Sinnvoll kann ein solches System auch für kranke oder geistig behinderte Menschen sein, welche schnell und häufig «verloren» gehen. Wo normalerweise deren Rechte ohnehin schon beschnitten sind, können in diesem Fall eher wieder mehr Rechte in Sachen Bewegungsfreiheit eingeräumt werden. Die Betroffenen können dank diesem System relativ einfach aufgefunden werden, sollten sie sich verirren.
Doch bei «geistig normalen», gesunde Menschen jeglichen Alters könnten durchaus die Persönlichkeitsrechte verletzt werden, insbesondere dann, wenn die Betroffenen im Ungewissen gelassen werden oder ihnen ein Abschalten untersagt wird. Die in Rüschlikon ansässige Firma tracker.ch AG hat sich natürlich in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf alle Seiten hin abgesichert. So heisst es darin unter anderem:
Der Benutzer hat sicherzustellen, dass sein Gebrauch des Internets und des „trackers“ sich innerhalb des geltenden Schweizer und allenfalls ausländischen Rechts bewegt. Dies umfasst neben dem Strafrecht insbesondere auch den Daten und Persönlichkeitsschutz, die Fernmeldegesetzgebung und die Ausführungsgesetzgebung, das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte.
Ob das besorgte Mami oder der Fahrzeug-Disponent überhaupt wissen, wovon hier die Rede ist und ob sie wissen, was ihre Pflichten gegenüber den Betroffenen, also den Überwachten, sind? Denn: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht…
Tracker com ist ein Trittbrettfahrer.
Weltweit funktionierende Überwachungs-Toy gibt es bereits seit einiger Zeit. Nämlich Google’s „google latitude“ auch für das Mobil-Telefon (als iPhone App).
Frei nach Ikea: Träumst du noch oder überwachst du schon.
@ Dan
Richtig, das Thema ist nicht neu, wurde aber bis anhin kaum irgendwo gross diskutiert. Neu ist allerdings, das ein Anbieter nun offensiv und für eine breite Bevölkerungsschicht Werbung dafür macht (das „Plakat“ oben befindet sich in verschiedenen Zügen), was ich zum Anlass für diesen Beitrag nahm.