Heute ist Weltfrauentag. Lasst uns darum über die Männer reden!
Der 8. März gilt seit 1977 als internationaler Frauentag der UNO und steht ganz im Zeichen der Rechte der Frauen. Doch es gab diesen Tag schon lange bevor ihn die UNO zu einem internationalen Tag machte.
So sollen erstmals im Jahre 1908 die Frauen in den USA für das Frauenstimmrecht auf die Strasse gegangen sein. In der Schweiz wurde der Weltfrauentag zusammen mit anderen europäischen Ländern erstmals am 19. März 1911 gefeiert, also vor ziemlich genau hundert Jahren.
100 Jahre, 40 Jahre, 30 Jahre
Geholfen hatte das nicht viel. 60 lange Jahre mussten die Schweizerinnen warten bis die Schweizer endlich bereit waren, ihnen das Wahl- und Stimmrecht zuzugestehen. So konnten am vergangenen 7. Februar vierzig Jahre Frauenstimmrecht gefeiert werden.
Am kommenden 14. Juni gibt es auch noch dreissig Jahre Gleichstellung in der Bundesverfassung zu feiern. Es brauchte somit nochmals satte 10 Jahre bis die Frauen in der wichtigsten gesetzlichen Grundlage der Schweiz gleichberechtigt waren.
Trotz unzähliger Jubiläen: Viel zu spüren ist davon kaum etwas. Gemäss Aussagen der Bundeskanzlerin beziehungsweise von Bundesrat Burkhalter von gestern soll es seitens Bundesrat lediglich am 6. Juni eine (kleine) Feier geben, bei welcher die Kämpferinnen fürs Frauenstimmrecht von damals geehrt werden sollen. Ansonsten ist nur mit Feiern durch private Organisationen wie etwa den Gewerkschaften zu rechnen.
Ist das im Jahr 2011, ein Jahr nachdem die Schweiz je eine Frau an der Spitze von National-, Stände- und Bundesrat hatte, und ist das im Jahr, in welchem unsere Landesregierung mehr Frauen als Männer hat, ein gutes Zeichen, wenn man diese historischen Ereignisse nicht mehr gross feiern will? Es geht ja schliesslich um nicht weniger als die Hälfte der heimischen Bevölkerung, welche (endlich) auf gleicher Augenhöhe wie die Männer mitwirken kann…
Eine aktuelle Antwort auf diese Frage lieferten gestern die Grünen mit diesem Sujet:
Es ist nicht falsch, dass die Grünen dieses Thema (im Wahljahr 2011) aufbringen, denn gerade im Lohnbereich herrscht noch lange keine Gleichheit. Und trotz der oben genannten, prestigeträchtigen politischen Ämtern herrscht auch in der Politik nach wie vor ein relativ grosses Ungleichgewicht.
Kaum Veränderungen sichtbar
Teilweise ist sogar ein Rückwärtstrend auszumachen: Von 2003 bis 2006 sassen noch elf Frauen im Ständerat. Mit dem Weggang von Simonetta Sommaruga und dem Einzug von Adrian Amstutz nach den Wahlen vom letzten Wochenende werden es bald nur noch acht von 46 sein.
Auch in der Wirtschaft beziehungsweise im oberen Führungskader oder in den Verwaltungsräten bleiben Frauen nach wie vor eine Ausnahme:
- Bei der Swisscom sitzt unter den zehn Verwaltungsräten eine Frau. Zur Konzernleitung zählen neun Personen, eine davon ist eine Frau.
- Bei der Post sitzen zwar immerhin drei Frauen unter den zehn Verwaltungsräten. Dafür ist kein weibliches Mitglied unter den neun Konzernleitungsmitgliedern auszumachen.
- Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den SBB: Zwei der neun Verwaltungsräte sind Frauen, unter den sieben Konzernleitungsmitgliedern ist jedoch keine Frau.
- Bei der UBS sitzen zehn Personen im Verwaltungsrat, eine davon ist eine Frau. Unter den 13 Konzerleitungsmitgliedern befindet sich nur eine Frau.
- Die Raiffeisen-Gruppe hat 12 Verwaltungsräte, darunter sind zwei Frauen. In der neunköpfigen Geschäftsleitung sitzt ebenfalls nur eine Frau.
- usw…
Es ist sicher illusorisch, in allen Bereichen ein 50:50-Verhältnis hinzukriegen. Aber die heutige Situation zeigt, dass die Frauen vielfach nicht einmal einen Fünftel der wichtigen Posten einnehmen. Es steht also noch einiges im Argen mit der Gleichstellung.
Ein möglicher Grund dafür könnte bei der Fokussierung auf die Frauen liegen. Wenn einigermassen gleiche Verhältnisse (50:50) zwischen Männern und Frauen erreicht werden sollen, dann geht das nicht ohne Männer.
Damit ist nicht nur gemeint, dass es nach wie vor Männer sind, welche wichtige Posten vergeben (wobei das in der Politik nicht stimmt, denn es gäbe in etwa gleich viele Wählerinnen wie es Wähler gibt). Damit ist vor allem gemeint, dass viele Männer noch immer nur die alte Rollenverteilung kennen.
Männer in die Gleichstellung mit einbeziehen
Diese Rollenverteilung erlaubt keinen eigentlich Abtausch der Sitze. Das heisst, weil Mann artig im Sessel kleben bleibt, hat Frau keine Chance, darin Platz zu nehmen. Und weil Mann nichts Anderes kennt, bleibt er sitzen.
Was fehlt, ist so eine Art «Emanzipation des Mannes». Nein, keine Demos mit strassenbreiten Banden, auf denen mehr Rechte eingefordert werden.
Es geht vielmehr darum, dass in den letzten Jahrzehnte die Frauen ihre neue Rolle als gleichwertige Gesellschaftsteilnehmer finden mussten und sicher auch gefunden haben, dass aber die Männer sich mit den veränderten Verhältnissen nie auseinandergesetzt haben:
- Eine Frau, die Karriere machen will oder die auch nur eine bestimmte Ausbildung ohne Führungsfunktion absolvieren will; was bedeutet das für einen (Ehe-)Mann?
- Wie ist das, wenn nicht sie im Betrieb des Mannes hilft, sondern er im Betrieb der Frau?
- Wie ist das, wenn sie Ende des Monats mehr Geld nach Hause bringt als er?
- Wie ist das, wenn er den Job wegen der Kinder aufgibt oder nur noch Teilzeit arbeitet und nicht sie?
- Wie ist das, wenn sie am Samstag Morgen den Rasen mäht und den Müll rausbringt statt er? 😉
Dies ist nur eine Reihe von Fragen, mit welchen sich in unserer Gesellschaft kaum jemand auseinandersetzt, weder Männer noch Frauen.
Die Bereitstellung von genügend KITA-Plätzen, wie dies in diesen Tagen vielerorts diskutiert werden, ist eine Folge der Gleichstellung der Frauen. Sie sollen es den Frauen ermöglichen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.
KITA-Plätze sind eine Forderung der Frauen und nicht der Männer. Das heisst, sie wurden nicht geschaffen, damit der Mann Beruf und Familie unter einen Hut bringen kann, sondern die Frau.
Natürlich stehen sie auch Familien zu, bei denen die Frau Vollzeit arbeitet und der Mann nur Teilzeit. Trotzdem: Erst dann, wenn KITA-Plätze auch aus der Optik geschaffen werden, damit auch für die Männer Beruf und Familie vereinbar werden, hat in diesem einen Bereich die oben angesprochene «Emanzipation des Mannes» stattgefunden.
Darum muss man sich heute fragen, ob in unseren Breitengraden nicht eher ein Weltmännertag gefeiert werden sollte, welcher Anlass gibt, über solche und andere Themen der Gleichstellung betreffend Männer nachzudenken.
Würde dieser Prozess bei den Männern stattfinden, müssten wir vielleicht auch nicht mehr über die Ungleichbehandlung der Frauen sprechen, weil viele Dinge (wie im Beispiel der Kinderbetreuung) selbstverständlich(er) würden.
Nachtrag: Es gibt übrigens tatsächlich einen Weltmännertag. Dieser ist jedoch auf die Erweiterung des Bewusstseins der Männer in Sachen Gesundheit ausgerichtet.
Nun, ein neuer, ermutigender Begriff erscheint mir hier „Gender Balance“ zu sein – es gibt bereits einige Publikationen dazu. Aber ob es einen Männertag braucht? Meines Erachtens spricht P.Redvoort in „Die Söhne Egalias“ klare Worte über das Thema Männer und Gleichberechtigung – wir hätten auch was davon …
Xaver