«AKWs sind sicher»

Die Parolen betreffend Betriebssicherheit von AKWs sind von offizieller Seite her immer noch die gleichen. Sie werden dadurch aber nicht glaubwürdiger…

Den Begriff «Tsunami» kennt die breite Weltöffentlichkeit erst seit dem verheerenden Tsunami, welcher sich am 26. Dezember 2004 im südostasiatischen Raum zugetragen hatte.

Es ist kein Zufall, dass dieser Begriff aus dem Japanischen stammt, denn die Japaner kennen dieses Naturereignis schon viel länger als manche Europäer. Dass sich für diese Art von Flutwellen die japanische Bezeichnung durchsetzen konnte, dürfte bestimmt auch mit der Häufigkeit zusammenhängen, mit welcher Tsunamis in Japan auftreten. Ursache dafür sind wiederum Seebeben.

Japan: Keine Bananenrepublik!

Wenn nun eine Nation wie Japan AKWs an ihrer Ostküste baut, dann tut sie dies ganz bestimmt unter Berücksichtigung der Erdbebenhäufigkeit und unter Berücksichtigung möglicher Tsunamis. Japan ist insbesondere in diesem Ingenieur-lastigen Bereich wahrlich keine «Bananen-Republik». Der Ausbildungsstand ist generell sehr hoch. Salopp ausgedrückt heisst das: Die wissen ganz genau, worauf sie zu achten haben.

Darum erscheint es mehr als unwahrscheinlich, dass Japan fahrlässig AKWs baute, welche den genannten Natureinflüssen nicht standhalten könnten. Wenn es AKWs gibt, die genau diesen Naturgewalten trotzen können, dann finden sie sich ganz bestimmt im erdbebenreichen Japan.

Und währenddem wir hierzulande auf Bilder von Tschernobyl zurückgreifen müssen um aufzeigen zu können, was eine radioaktive Verstrahlung für Mensch und Umwelt mit sich bringt, sollte einmal etwas mit einem AKW «schief» laufen, dann können dies die Japaner quasi vor Ort in Hiroshima und Nagasaki tun. Wohl kein anderes Land der Welt ist sich der Folgen radioaktiver Verstrahlung bewusster als Japan.

Gerade deshalb – und wegen der genannten Naturereignisse – dürften die Sicherheitsstandards für AKWs in Japan besonders streng sein. Diese Sicherheitsstandards werde in der Vergangenheit auch in Japan zur Aussage geführt haben: Unsere AKWs sind sicher.

Genau diese Worte hat uns unsere Energieministerin, Doris Leuthard, in den letzten Tagen wiederholt zukommen lassen. Es folgte auch immer der Zusatz, wonach die Schweizer AKWs gesetzlich besonders hohe Sicherheitsanforderungen zu erfüllen hätten – so als ob das in Japan bisher nicht der Fall gewesen wäre…

Japan hat auch bewiesen, dass von ihren etwas über 50 Kernreaktoren praktisch alle den Belastungen eines Erdbebens von 9,0 auf der Richter-Skala und weiteren Nachbeben sowie allfälligen Tsunamis standhalten. «Nur» bei dreien scheint nun Vieles versagt zu haben, allen hohen Sicherheitsanforderungen zum Trotz.

Absolut kein Spielraum

Es gibt in Sachen Atomenergie aber keine Toleranz. Das Verhältnis 51:3 mag in anderen Bereichen ein sehr gutes Verhältnis sein, jedoch nicht für Kernreaktoren unter/nicht unter Kontrolle. Denn selbst wenn es nur in einem einzigen Kernreaktor von Fukushima 1 zu einer Kernschmelz kommt – und die Windverhältnisse «ungünstig» sind – kann das reichen um Millionen von Menschen evakuieren zu müssen und um eine allfällige Massenpanik auszulösen.

Das ist das Erbärmliche an der Atomenergie: Es gilt das Motto «too risky to fail», weil es für diese Form der Energiegewinnung kein Spielraum für ein technisches oder menschliches Versagen gibt.

Darum geht die Atomlobby in ihrer Kommunikation nach aussen immer noch davon aus, dass es dieses Versagen nie geben wird. Nur: Das ist genauso unrealistisch wie die Annahme, dass es hierzulande je ein Erdbeben mit 9,0 auf der Richter-Skala oder einen Tsunami geben könnte.

Wir brauchen aber gar nicht erst mit möglichen Ursachen wie Erdbeben oder Tsunamis zu hausieren. Ebenso können wir das Spiel mit Richtwerten wie «9,0» oder mit Wahrscheinlichkeitsberechnungen à la «tritt-nur-alle-x-tausend-Jahre-ein» fallen lassen.

Die Atomlobby wird nämlich nie müde, bei einem Zwischenfall zu betonen, dass ein Vergleich mit dem «Unglücksreaktor» nicht möglich sei, weil Dies und Das bei uns sowieso anders sei. Das ist absolut richtig – und genau das ist das Problem.

Denn keine im AKW A verwendete Schraube oder kein im AKW A verwendetes Teil ist genau gleich wie im AKW B. Sie mögen gleich hergestellt worden sein und haben den gleichen Anforderungen zu entsprechen, können aber auf Dauer trotzdem zum Beispiel in Sachen Ermüdungserscheinungen unterschiedlich «reagieren». Technisches Versagen per se auszuschliessen, egal ob es durch äussere Einflüsse wie Naturkatastrophen noch gefördert wird oder nicht, ist darum falsch.

Wohl auch aus diesem Grund werden AKWs noch immer von Menschen und nicht etwa vollautomatisch von Computern betrieben. Nur so kann bei einem technischen Versagen noch rechtzeitig eingegriffen werden. Und darum werden derartige Eingriffe auch in Simulatoren x-fach trainiert.

Wie diese Menschen allerdings auf ein Szenario reagieren, für welches sie nicht trainiert wurden, und ob sie generell mit Szenarien konfrontiert wurden, die sie vorher nicht kannten um so auch ihre «Spontanität» für die Nicht-Lehrbuch-Fälle zu trainieren, bleibt ungewiss. Menschliches Versagen kann darum nicht ausgeschlossen werden, in kritischen Situationen wohl noch weniger.

Auf den Punkt gebracht: Wir brauchen nicht über die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls wegen eines Erdbebens oder eines Tsunamis zu diskutieren. Bei anderen Unfällen spielten Erdbeben oder Tsunamis auch keine Rolle. Wesentlich wahrscheinlicher ist ein Unfall durch vorerst technisches Versagen, gefolgt von menschlichem Versagen – oder umgekehrt. Was dieses Versagen verursacht hat, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass es auftritt und darum keinesfalls ignoriert werden darf.

Unabschätzbare Verzögerung ohne «Plan B»

Bundesrätin Leuthard hat gestern angekündigt, die Rahmenbewilligungsverfahren für neue AKWs vorerst zu sistieren und auf die «neue Erkenntnisse» aus den Vorkommnissen in Fukushima zu warten. Zugleich sollen in der Schweiz (wie auch in Deutschland) die AKWs überprüft werden.

Im Klartext heisst das, dass diese Überprüfung nichts bringen wird. Die heutigen AKWs werden nämlich heute schon laufend überprüft. Solange die angeblich ach so strengen gesetzlichen Vorgaben nicht geändert werden – und davon war nicht die Rede – wird diese Überprüfung nur aufzeigen, dass sich alles im Rahmen der (unveränderten) heutigen Vorgaben abspielt.

Auch die Einschätzung der Risiken, gelegentlich auch «Restrisiken» genannt, wird nichts Neues zu Tage befördern. Dass die heutigen Schweizer AKWs in Sachen Erdbebensicherheit nur beschränkt sicher sind, ist hinlänglich bekannt. Und das neue Risiko «Tsunami» braucht wohl kaum hinzugefügt zu werden.

Schliesslich steckt hinter dieser Überprüfung auch ein Widerspruch: Man kann nicht kommunizieren, dass die Schweizer AKWs sicher seien – und dann eine Überprüfung anordnen. Das heisst, man kann schon. Aber Frau Leuthard untergräbt damit ihre eigene Glaubwürdigkeit.

Im Klartext bedeutet das Aussetzen des Rahmenbewilligungsverfahrens aber auch, dass man an der Atomenergie und damit auch an der vermeintlichen Unfehlbarkeit von Mensch und Technik festhalten will. Weiter ist aus diesem Entscheid zu entnehmen, dass es mit der Stromlücke wohl doch nicht so schlimm steht, da nun mit einer weiteren Verzögerung für den Ersatz der bestehenden AKWs zu rechnen ist.

Und schliesslich zeigt sich nun auch, dass es zwar viele Ideen für Alternativen gibt, auf politischer Ebene daraus jedoch noch kein «Plan B» entwickelt wurde. Dahinter steckt Kalkül, denn gäbe es eine solche Alternative, wäre die Ablehnung für neue AKWs durch eine Mehrheit des Stimmvolks sicher gewiss.

Statt auf die Ergebnisse der Ursachen zum Unglück in Fukushima zu warten – das dürfte Monate dauern – täte Doris Leuthard gut daran, einen solchen Plan B aufzugleisen. Denn was schon in diesem Beitrag im Nachgang zur Mühleberg-Abstimmung im Kanton Bern stand, hat jetzt erst recht seine Gültigkeit:

Die Zeit arbeitet gegen sie (die AKW-Befürworter), denn jeder schwerere Vorfall in einem AKW, der in nächster Zeit in der Schweiz oder im Ausland auftritt, führt zu noch mehr AKW-Gegnern.

Wenn uns der Strom ausgeht, dann vor allem wegen der nun weiter hinausgeschobenen AKW-Frage ohne einen Plan zur Förderung von Alternativen. «Gouverner, c‘est prévoir» war gestern. Heute gilt: «Gouverner, c‘est retarder».

7 Antworten auf „«AKWs sind sicher»“

  1. Wenn ich dann noch bei „BodestäniX“ lese, dass die Strombarone ihre Atommeiler selber kontrollieren, gibt es wirklich nur eine Alternative: abschalten!

    Man muss sich doch auch der Frage stellen, warum denn die Endlagerung, die nach wie vor weltweit ungelöst ist, totgeschwiegen wird!

  2. @ Dan
    Ich seh‘ das bezüglich ENSI nicht so dramatisch, weil es letzten Endes nichts anderes als das Verursacherprinzip ist. Wichtig scheint mir, dass das ENSI sagt, welche Mittel es benötigt – und nicht etwa umgekehrt.

    Was bei mir eher Stirnrunzeln auslöst, ist die physische Nähe zwischen AKW-Betreibern in Leibstadt und Beznau, Paul-Scherrer-Institut in Würenlingen und ENSI in Brugg. Auf so engem Raum müssen sich die Wege der Mitarbeitenden der drei Organisationen zwangsläufig kreuzen (Kinder besuchen die gleichen Schulen, man geht in die gleichen Verein usw.). Demgegenüber erscheint mir das Verhältnis zur BKW immer irgendwie – nennen wir es mal „distanziert“…

    Das „renommierte“ PSI, selber Lieferant von Atommüll, kenne ich übrigens nicht als kritische und neutrale Forschungsanstaltung, sondern nur als Lieferant von „wissenschaftlichen Argumenten Pro-Atomstrom“ (ist jetzt etwas pauschal ausgedrückt, ich weiss). Zufall? Wer über Haifische forscht, der muss Haifische selber ja auch begrüssen. Niemand sägt bekanntlich am Ast, der ihn nährt… Darum hört man wohl auch keine Proteste, wenn das PSI vor den Karren der Atom-Lobby gespannen und damit instrumentalisiert wird…

    P.S. Hab‘ übrigens noch Deinen Link zu BodeständiX korrigiert.

  3. Hallo Titus,

    Meinst Du das wirklich ernst:

    „…Ich seh’ das bezüglich ENSI nicht so dramatisch, weil es letzten Endes nichts anderes als das Verursacherprinzip ist. Wichtig scheint mir, dass das ENSI sagt, welche Mittel es benötigt – und nicht etwa umgekehrt …“

    Kennst Du den „geflügelten“ Satz, Wer zahlt, befiehlt, tatsächlich nicht? Ich habe selbigen immer wieder hören müssen. Vor allem von Seiten der „hohen Politik“.

    Vielleicht müssen wir endlich zur Kenntnis nehmen, dass ALLE und ALLES gekauft sind bzw. ist. Du kennst es auch Korruption nennen und ich nenne es schlicht: Unser System ist mafiös.

  4. @ BodeständiX
    Etwas „nicht so dramatisch sehen“ heisst nicht, dass ich es gut finde. Ich sagte nur, dass ich die physische Nähe problematischer finde, denn da kommt der persönliche Kontakt ins Spiel. Da hat man mit dem Turn- oder Musikkollegen vom Vorabend zu tun, den man tags darauf kontrollieren sollte…

    Übrigens, auch die Nagra wird von den Verursachern finanziert. Ob denen jemand bei ihren Bohrungen und den Beurteilungen ihrer Sondierungsarbeiten auf die Finger schaut, weiss ich nicht. Aber Zweifel wären da genauso angebracht…

  5. AKW’s sind, vorausgesetzt sie sind gut gebaut eigentlich so sicher wie sie es sein können. Dennoch ist das was da abläuft eben eine kontrollierte Kettenreaktion, solange die kontrolliert abläuft ist alles in Ordnung, sie kann jedoch auch unkontrollierbar werden wenn etwas schief läuft.

    In diesen Fall heisst das, wenn sämtliche Kühlungen ausfallen, dann ist da nichts mehr unter Kontrolle und es kann sich verselbstständigen. Viele meinen man könne AKW’s einfach schnell abschalten, doch das geht nicht so einfach, auch ein abschalten nützt da nur bedingt, denn es muss wegen der sogenannten Nachwärme trotzdem noch gekühlt werden. Sogar wenn man die Brennstäbe rausnimmt, müssen diese gekühlt werden, so ist das eben.

    So gesehen sind die schnellen Brüter wie in Frankreich besser handlebar, da sie mit kleinen Pellets gefüttert werden, da kann man quasi die Fütterung abschalten. Aber dafür gibt es da wieder andere Risiken und Probleme…

    Und ein Erdbeben solcher Stärke inklusive Tsunami ist eben ein Ausnahmefall, da kann man noch lange alles vorausplanen, was wirklich passiert weiss man eben erst wenn es passiert ist.

    Deshalb kann man AKW’s prüfen so oft man will, das nützt nur für den „normalen“ Betrieb, also eben das der „normale“ Betrieb gewährleistet ist und das Sicherheitsvorkehrungen auch funktionieren wenn man sie denn benötigt. Doch wenn sämtliche Sicherheitsvorkehrungen dann durch eine Naturkatastrophe gekillt werden, ja das kann passieren, auch wenn diese noch so redundant ausgelegt sind, dann war es das eben, dann muss man improvisieren.

    Genau das haben die Japaner ja auch gemacht, als sie das Teil mit Meerwasser fluteten, mag sein dass es nicht den Vorstellungen der hiesigen „Experten“ entsprach und das dadurch womöglich später noch mehr Probleme aufkommen, doch es war eine gute Lösung um die Kühlung zu gewährleisten.

    Wie und was man in solchen Notfallszenarien genau macht, dass kann man vorher zwar durchdenken und planen, doch wie und was man dann tatsächlich macht, dass weiss man eben erst wenn man in der Situation ist. Und dann zählen nur noch schnelle pragmatische Lösungen.

    In der Schweiz kann man die Gefahr von Tsunamis wohl zu 100% vernachlässigen(wobei was wenn der Grand Dixon bricht…), jedoch sind auch bei uns Erdbeben möglich. Alleine schon unsere Alpen sollten eigentlich klar machen, auch wir sind prinzipiell erdbebengefährdet, denn die Alpen entstanden ja dadurch das sich Platten ineinander geschoben haben und wenn das geschieht dann gibt es Erdbeben.

    Und was dann genau passiert weiss niemand, kann niemand wissen, wird man dann sehen wenn es passiert. Ich habe keine Ahnung wie die Kühlung unserer AKW’s gesichert wird, aber nehme an die sind nicht ohne Grund an Flüssen gebaut worden. Wenn es nun bei uns ein Erdbeben gibt, wo sich dann auch Erdspalten bilden, dann könnte es theoretisch auch ganz dumm kommen und genau einen dieser Flüsse erwischen die eigentlich für die Kühlung der AKW’s benötigt werden.

    Keine Ahnung ob das vorausgedacht wurde, wenn ja dann hat man dafür wohl alternative Kühlungen vorgesehen, wenn nein dann hat man dieses Risiko wohl nicht eingeplant.

    So ist es eben mit dem Risikomanagement, man kann 10’000 Dinge einplanen und doch kann dann das 10’001te nicht denkbare eintreten, sprich, es gibt niemals eine 100% Sicherheit und Risiken kann man zwar managen aber niemals ganz ausschliessen. Und auch zweifach, dreifach oder von mir aus vierfach redundant ausgelegte System, können eben manchmal ganz ausfallen. Wohl dem, der dann auch für diesen Fall eine Lösung parat hat, manchmal muss man eben improvisieren können!

    Und Wahrscheinlichkeitsberechnungen dienen nur der Beruhigung der Psyche mehr nicht, auch die unwahrscheinlichsten Dinge können eben eintreten und hoffentlich hat dann jemand darüber nachgedacht für diesen noch so unwahrscheinlichen Fall und sich nicht alle einfach darauf verlassen, dass es ohnehin nie passieren kann… *lol*

  6. Danke @ Chris.

    Der einzige und objektivste Kommentar, den ich in den letzten Tagen zu hören und zu lesen bekam.

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