Die Schweiz bebt

In diesen Tagen wird auch über die Erdbebensicherheit der Schweizer AKWs diskutiert. Aber wie erdbebengefährdet ist eigentlich die Schweiz und wie häufig treten Erdbeben auf?

Mit grossen Augen blicken wir jeweils auf jene Gebiete, welche von einem Erdbeben heimgesucht wurden. Japan, das liegt weit weg und darum fehlt uns oftmals der Bezug zu diesen enormen Kräften, welche Mutter Erde freizulegen vermag.

Schon etwas anders sieht es aus, wenn unsere südlichen Nachbarn wieder einmal von einem Erdbeben betroffen sind. Wir wundern uns dabei oftmals ob der Zerstörungskraft des jeweiligen Erdbebens, und manche glauben, dass es sich um ein rein italienisches «Problem» handle, das an der Grenze Halt machen würde, denn schliesslich kennt man derart verwüstete Ortschaften bei uns nicht.

Bebender Schweizer Boden

Tatsächlich könnte die Landesgrenze eine Rolle spielen, denn sie trennt in Sachen Bauvorschriften, gelebter Mentalität und verfügbarer (finanziellen) Mittel eine Region von der anderen. In der Schweiz muss bekanntlich immer alles beinahe perfekt sein, was zwangsläufig zu sehr festen und in der Regel auch häufig teuren Bauten (im Vergleich zum Ausland) führt.

Dies könnte darüber hinwegtäuschen, dass es auch bei uns regelmässig Erdbeben gibt, viele jedoch unbemerkbar bleiben oder keine Schäden hinterlassen. Gemäss Schweizerischem Erdbebendienst der ETH Zürich (SED) wird ein Beben erst ab einer Magnitude von 2,5 bis 3,0 verspürt.

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) zeigt in seiner Erdbeben-Karte über den «Umweltzustand» die folgenden Gefahrenkarte (basierend auf den Angaben des SIA):

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Je roter eine Region eingefärbt ist, desto gefährdeter ist diese Region bezüglich Erdbeben. Wie unschwer zu erkennen ist, betrifft dies vor allem das Wallis, die Voralpen und den Raum Basel. Die violetten Punkte markieren den ungefähren Standort der heutigen Schweizer AKWs.

Trotzdem: Zu glauben, es würde nur in diesen Zonen Erdbeben geben, wäre falsch. Wie auch in der gestrigen «Arena» seitens Domenico Giardini, Professor an der ETH Zürich für Seismologie und Geodynamik, erwähnt, können Erdbeben überall und direkt unter jedem von uns geschehen und somit auch direkt unter einem AKW in sehr geringer Tiefe (und umso höherer Zerstörungskraft).

Deutlich wird dieses «Überall» auf der BAFU-/SED-Karte mit den «historischen Erdbeben». Auf dieser finden sich nämlich auch Erdbeben an Orten, welche auf der Gefahrenkarte oben zur tiefsten Gefährdungszone zählen:

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Alltägliche Beben

Etwas weniger weit zurück reicht die nachfolgende Karte des SED, zeigt sie doch «nur» die Erdbeben zwischen den Jahren 1975 und 2009. Sie ist deshalb auch interessant, weil das erste AKW (Beznau I) im Jahr 1969 den kommerziellen Betrieb aufnahm und diese Karte somit die Erdbeben-Aktivität des ungefähr gleichen Zeitraums aufzeigt:

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Bemerkenswert ist auf der Karte oben auch, dass es in unmittelbarer Nähe von drei AKWs doch ein Erdbeben mit Magnitude 4 gab (siehe gelben Pfeil). Ein «Hirngespinst» sind deutlich spürbare Erdbeben in der Nähe von AKWs also nicht.

Die nächste und letzte Karte zeigt die Erdbeben-Aktivität der letzten 90 Tage. Daraus ebenfalls erkennbar sind die Erdbeben der letzten drei Tage (orange Punkte), insbesondere im Wallis und in Basel. Sie erreichten jedoch höchstens die Magnitude von 2 auf der Richterskala und waren wohl kaum spürbar:

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Sicherer je älter?

Die Schweiz ist also nicht so unerschütterlich, wie das viel glauben. Kein Ort bleibt davon verschont, auch solche nicht, welche nicht in einer hohen Gefährdungszone liegen.

Beben mit einer Magnitude von 5 sind seit 1975 eher selten, treten aber trotzdem auf. Als «Freipass» für den weiteren Betrieb der bestehenden AKWs ist das nicht zu verstehen, denn auch im erdbebengewohnten Japan wurde man von der Stärke (9,0) überrascht.

Und: Mit zunehmendem Alter werden Bauten nicht stabiler, sondern labiler. Das gilt insbesondere auch für AKWs…

9 Antworten auf „Die Schweiz bebt“

  1. Und: Mit zunehmendem Alter werden Bauten nicht stabiler, sondern labiler. Das gilt insbesondere auch für AKWs…

    Die Risse in Mühleberg lassen grüssen. Dazu kommen all die verbrauchten Brennelemente, die nur marginal geschützt in und um die Schweizer KKWs lagern … letztlich ist aber unwichtig, wieso die Stromversorgung ausfällt. Wir wissen nun aber definitiv, dass die Folgen einer fehlenden Stromversorgung sowohl für Reaktoren als auch Abklingbecken verheerend sind, unabhängig von der Ursache der fehlenden Stromversorgung.

  2. @ Martin Steiger
    In der Tat, diese zentimeterlangen Risse lassen grüssen. Jede Regenjacke, welche auch Schutz nach aussen bieten soll, würde man bei einem vergleichbaren Schaden entsorgen…

    Was ich mich auch schon lange frage, sind die Auswirkungen auf die Integrität der Infrastruktur durch die ungeheuren Kräfte, welche da bei der Stromerzeugung entstehen (Vibrationen durch die Turbinen, permanenter Druck auf die Leitungen, Ventile usw.). Unsere heutigen AKWs mögen zwar in den 1960/1970er Jahre für Erdbeben mit Magnitude 7,0 gebaut worden sein. Aber ob sie heute einem solchen Erdbeben aufgrund der genannten Kräfte noch standhalten, sagt uns niemand.

    Stattdessen beruhigt man uns mit dem Schlagwort „nachrüsten“. Das hat aber nichts mit der Erdbebensicherheit zu tun. In diesem Zusammenhang fand ich den Vergleich in der ARD-Sendung „Hart aber fair“ noch interessant, bei dem gesagt wurde, dass es auch schwierig sei, bei einen VW von 1970 einen Airbag, ABS, ESP usw. einzubauen…

  3. Wir haben Alpen, also kann es bei uns prinzipiell Erdbeben geben.

    Ob unsere AKW’s dann standhalten, wird man dann sehen wenn es dann mal ein richtiges gibt. Zudem stimmt, die Dinger sind alt und es ist davon auszugehen, dass sie bis heute gelitten haben und nicht mehr in dem Zustand sind wie damals.

    Es gibt heute bereits Technologien die verhindern das bei einer Kernschmelze der Reaktorbehälten futsch geht und die Sauce rauskommt, aber eben die wird wenn dann nur bei den heute gebauten AKW’s eingesetzt. Ein umrüsten alter ist wohl zu aufwendig, zu teuer und überhaupt.

    Was mich betrifft finde ich es ohnehin zu spät, heute noch AKW’s zu bauen zeigt, man hat in Vergangenheit bisschen verschlafen. Es gäbe da ja noch die Fusionsreaktoren, die sind auch auf wenig und teuer, aber wenn da eines hochgeht, dann gibt es wenigstens ausser finanzielle Schäden keine weiteren. Da hätte man investieren sollen und dann langsam alle AKW’s durch diese ablösen.

    Aber das selbe gilt ja auch für die anderen Alternativen, da wurde zu wenig investiert, ist eben wie beim Öl und übrigens benötigt die beste Alternative zum Öl also der Wasserstoff auch Strom, viel Strom zur Erzeugung. Nun aber wahrscheinlich wird man erst dann anfangen wenn es dann gar kein Öl mehr hat, vorher besteht anscheinend kein Bedarf. Und auch das Uran ist nicht unbegrenzt, die Zeit der AKW’s ist also genauso begrenzt.

    Ja, es geht halt langsam alles zur Ende und ich zweifle momentan ernsthaft daran, dass die Menschheit den Rank noch erwischen wird. Solange wir uns nicht als einen Planeten betrachten und endlich dieses Nationale Scheissdenken wegbringen, hat es ohnehin keinen grossen Sinn. Man könnte zbs. die Wüste mit Solarreaktoren zu pflastern und dort Wasserstoff und Strom erzeugen der wohl für die ganze Welt reichen würde, doch nationale Konflikte und Scharmützel sowie veraltete Profitdinos vereiteln eben solche Global ausgerichtete Projekte nachhaltig.

    Und Erdbeben sind ja nicht das einzige was uns den Gar ausmachen könnte, wenn aktuell ein Asteroid kommt der gross genug ist, ja ist genau so möglich, dann brauchen wir uns ohnehin nicht mehr gross um Öl und AKW’s sorgen…

  4. ich merke von stunde zu stunde mehr: ich mag mich mit solchen erdbebendetails und anderen risikodetails nicht mehr befassen. ob erdbeben oder was anderes – das risiko ist zu hoch. punkt.

    ich habe als 20jähriger jungspund mitgeholfen (ha… vor 35 jahren), das akw graben zu verhindern. schon damals hat die akw lobby gelogen wie gedruckt. schon damals war aus deren sicht alles okay. auch tschernobyl und harrisburg haben daran zu wenig geändert.

    tatsache ist zur stunde die, dass das hochtechnologieland japan es nicht mal fertig bringt, die halbe million opfer anständig zu versorgen. und wir hören in diesen tagen etwas ratlos, dass nicht nur die betreiberfirma tepco eine vertuschungsmaschine ist, sondern auch der japanische staat. legitimiert von einem volk, dass vor lauter verneigungen nie genug pfupf mehr hatte, ihren atomstaat in frage zu stellen. ob das nun zu japanischen kultur gehört, ist mir im moment grad ziemlich schnuppe. es zeigt höchstens, dass diese kultur mit einem atomstaat nicht kompatibel ist.

    zwischenfrage: wie wäre die leidige atomgeschichte ausgegangen, wenn es das internet schon zu tschernobyl-zeiten gegeben hätte? ich für meinen teil erinnere mich noch gut daran, mit welch ungeheurem aufwand wir unsere anti-akw-standpunkte in den 70ern verbreiten mussten: flugblätter auf der strasse verteilen, spenden für teure postversände auftreiben, veranstaltungen organisieren, und-und-und. hinzu kamen riesige lämpen in familie und beruf, weil wir in den mainstreammedien als kommunisten verschrien wurden. grossfimen riefen ihr personal zusammen und machten klar, dass ein besuch unserer demos nicht erwünscht ist. rund um die standortgemeinde graben brachen ganze dorfgemeinschaften auseinander, nicht selten mitten durch familien, die für lange zeit oder immer auseinandergerissen wurden.

    bei tschernobyl konnte man noch sagen: die bösen russen haben eh nix im griff. das geht bei japan nicht mehr. die sind als viertgrösstes industrieland – nicht mal im stande, ihre erdbebenopfer würdig zu versorgen. und sie waren zu geizig, ihre tsunami-mauern vor dem akw statt 10 meter z.b. 20 meter hoch zu machen, oder notaggregate adäquat auszulegen. was man aus der kaffeekasse hätte bezahlen können.

    kurz und gut: dieser industrie und ihren aparatschicks ist nicht zu trauen, war es noch nie. es geht nicht um erdbebenkarten, es geht um mehr.

  5. @ Bugsierer
    Es ging mir bei diesem Beitrag auch nicht darum, ein Contra-AKW-Argument als ein besonders wichtiges Argument darzustellen, womit sich quasi jegliche weitere Diskussion erübrige.

    Mir ging es nur darum, auch einmal diesen einen Aspekt zu beleuchten, damit sich niemand in weiteren Diskussionen mit einem nach meiner Auffassung relativ schwachen Argument verrennt. Es ist ein Argument, aber sicher nicht das gewichtigste.

    Viel wichtiger erscheint mir die Tatsache, dass hier eine Kettenreaktion im Spiel ist, welche nur mittels mechanischer Vorgänge, Wasser und einigen chemischen Verbindungen gesteuert werden kann. Und wehe, etwas von den dreien fällt aus…

  6. Titus, sorry, aber ich verstehe dich nicht. Kürzlich hast du so prinzipielle Diskussionen zu AKWs in der Schweiz angesichts den Ereignissen in Japan noch als parteipolitische Instrumentalisierung abgetan, da das Wasser der Tsunamis noch nicht mal verschwunden sei. Jetzt aber produzierst du genau die gleichen Diskussionen, die du noch kurz bevor verteufelst hast, das verstehe ich nicht.

  7. @ Ursula Schüpbach
    Da scheint Dir das Wichtigste entgangen zu sein: Nicht die Diskussionen an sich oder allfällige Forderungen störten mich, sondern der (zu frühe) Zeitpunkt, an welchem vor allem die politischen Forderungen gestellt wurden. Das kannst Du hier im Original nochmals nachlesen.

  8. Titus, ist schon okay. Aber weisst du, meine Nachbarn sind Japaner. Und immer mehr kriege ich das alles nicht mehr auf die Reihe, dafür kannst du nichts dafür, Titus. Ist schon okay, mach weiter hier, auch mit manchen unverständlichen Kommentaren hier von meiner Seite her.

  9. Nur mal so:

    Die Funktion des Kernmantels ist:
    Der Kernmantel hat die Aufgabe, das Wasser im Reaktor so zu leiten, dass es von unten durch die Brennelemente nach oben fliesst.
    Der Kernmantel ist ein oben und unten offener Zylinder.
    Der Kernmantel befindet sich innerhalb des Reaktordruckbehälters, er hat keine „dichtende“ Funktion, siehe Website/Video bkw.

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