Mehr Schweiz für alle Regionen

Ein Slogan allein bewegt noch nichts, ihn wieder zu entfernen auch nicht. Nun gibt es politischen Druck auf die SRG SSR in Sachen «idée suisse».

Wussten Sie eigentlich, dass Mitglieder des schweizerischen Parlaments hier mitlesen? Das könnte man zumindest glauben, wenn man sich die Historie zweier Motionen und diesen «alten» Beitrag «SRG SSR – wo bleibt die idée suisse?» anschaut.

Austausch fördern dank neuem Sender?

Im fraglichen Beitrag von Ende Juli 2009 bemängelte man in der Augenreiberei, dass es die TV-Sender der SRG SSR lediglich einmal im Jahr schaffen würden, gemeinsam eine Sendung zu produzieren, nämlich jene für den Nationalfeiertag am 1. August.

Selbst eine Sendung mit dem viel sagenden Namen «Schweiz aktuell» berichte zwar über jede «Hundsverlochete» in der Deutschschweiz, doch der Blick reiche nur selten über die Sprachgrenze hinaus. Daran ändere auch das «idée suisse» im Namen nichts oder die Tatsache, dass es auch in anderen Landesteilen höchst interessante, selbst produzierte Sendungen gäbe.

Dabei sei die SRG SSR gemäss Radio- und TV-Gesetz sogar verpflichtet, «das Verständnis, den Zusammenhalt und den Austausch unter den Landesteilen, Sprachgemeinschaften, Kulturen und gesellschaftlichen Gruppierungen» zu fördern, stand damals weiter im angesprochenen Beitrag.

Inzwischen hat die SRG SSR das mit der «idée suisse» wieder fallen gelassen (Ausnahmen bestätigen die Regel) und sich ein neues Logo angeschafft (siehe alt-neu-Vergleich rechts).

Ob das Einsicht war? Mit der Zusammenführung von Radio und TV hat man nun sicher genügend Gelegenheit, sich im Aufzeigen kultureller Unterschiede (innerhalb eines Unternehmens) zu üben. Vielleicht färbt davon auch etwas auf die Programm-Inhalte ab…

Dazu gezwungen ist nämlich die SRG SSR zunehmend von politischer Seite her – und damit zurück zu den eingangs angesprochenen Motionen. So reichte vor rund einem Jahr der Bündner Theo Maisson eine Motion im Ständerat ein, welche einen separaten «Fernsehkanal zur Stärkung der gegenseitigen Verständigung und des nationalen Zusammenhaltes» forderte. Der Bieler Hans Stöckli tat es ihm gleich und reichte im Nationalrat die genau gleiche Motion ein.

Die identische Begründung beider Parlamentarier ist in etwa die gleiche wie im erwähnten Beitrag der Augenreiberei:

(…) Das Bewusstsein, was auf der anderen Seite der Sprachgrenze geschieht, wird geringer. Studien weisen nach, dass das Fernsehen seine Chancen zur Integration unzureichend wahrnimmt und die sprachregionalen Unterschiede mitunter gar akzentuiert und verfestigt.

Trotz des gesetzlichen Auftrags, „das Verständnis, den Zusammenhalt und den Austausch unter den Landesteilen, Sprachgemeinschaften, Kulturen“ zu fördern (Art. 24 Abs. 1 Lit. b RTVG), sind die Angebote der SRG SSR auf die Sprachregionen fokussiert (…)

In den Programmen der SRG SSR aller Sprachregionen finden sich zahlreiche Inhalte und attraktive Fernsehangebote, die von Interesse für die jeweils anderen Landesteile wären. Es sind Beiträge zur Kultur der Schweiz im weiteren Sinne. Sie müssten nicht neu geschaffen, sondern könnten von den vier SRG-SSR-Fernsehstationen übernommen, untertitelt oder synchronisiert auf einem dafür vorgesehenen Kanal national verbreitet werden. (…)

Handlungsbedarf erkannt, aber…

In seiner ersten Antwort von Mitte Mai 2010 hatte der Bundesrat beide Motionen abgelehnt. Hauptsächliches Argument gegen die beiden Motionen sind die angeblich hohen Kosten, welche ein weiterer Sender mit sich bringen würde. Trotzdem sind auch gewisse Eingeständnisse aus der bundesrätlichen Antwort zu entnehmen:

(…) Tatsächlich wurde im Rahmen der kontinuierlichen Programmbeobachtung in der Schweiz festgestellt, dass in den Fernsehprogrammen der SRG die jeweiligen anderen Sprachregionen im Vergleich zur eigenen Region deutlich weniger thematisiert wurden. Hier besteht seitens der SRG Handlungsbedarf im Hinblick auf eine bessere Erfüllung des Leistungsauftrages. Die SRG wird dem UVEK in diesem Punkt Rechenschaft ablegen und in einem Bericht darlegen müssen, wie und mit welchen Mitteln sie diesbezüglich eine bessere Erfüllung der konzessionsrechtlichen Pflichten gewährleisten kann. (…)

Trotz ablehnendem Antrag des Bundesrats stimmte der Ständerat in der nachfolgenden Sommersession Maissens Motion mit 22 zu sieben Stimmen zu. Diese relativ hohe Zustimmung dürfte wohl auch damit zusammenhängen, dass der damalige Bundesrat Leuenberger in den Verhandlungen im Ständerat sich zwar mit dem grundsätzlichen Anliegen der Motion einverstanden erklärte, nicht aber mit einem neuen TV-Kanal.

Darauf wirkte nun die erstbehandelnden Kommission, die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats, Mitte November 2010 korrigierend ein. Sie lehnte zwar einen neuen Kanal ebenfalls ab, sympathisierte aber dennoch mit dem grundsätzlichen Anliegen. Darum änderte sie Maissens Motion wie folgt ab:

Der Bundesrat wird beauftragt (…), die SRG SSR anzuhalten, ihre Beiträge zum interkulturellen Austausch und zur Förderung der Verständigung zwischen den Sprachregionen zu verstärken. Der Bundesrat beobachtet die Entwicklung und berichtet dem Parlament über die erzielten Fortschritte bis spätestens Ende 2012.

In der Wintersession einen Monat später stimmte der Nationalrat dieser geänderten Version von Maissens Motion zu, währenddem Stöckli seine bisher noch unbehandelte (und unveränderte) Motion gleichzeitig zugunsten von Maissens Motion zurückzog.

Die ständerätliche Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen schloss sich im Januar dieses Jahres dieser neuen Version an und empfahl ihrem Rat, die nun veränderte Fassung (nochmals) anzunehmen. Letzten Dienstag folgte der Ständerat seiner Kommission, sodass nun der Weg frei ist für den vorgeschlagenen Bericht.

Schwierige Herausforderung

Maissens veränderte Motion beinhaltet zwei interessante Aspekte. Zum Einen soll der Bundesrat ein Bericht bis spätestens Ende 2012, also bis Ende nächsten Jahres abgeliefern. Ohne die internen Abläufe der Bundesverwaltung zu kennen dürfte das vermutlich mehrere Wochen oder gar Monate beanspruchen, bis eine endgültige Fassung vorliegt. Mit einer ersten Fassung ist darum irgendwann im Sommer 2012 zu rechnen.

Zum Anderen ist von einer Entwicklung beziehungsweise von erzielten Fortschritten die Rede. Als Beobachtungszeitraum ist rein theoretisch mit «ab sofort» bis zum vermuteten Sommer 2012 zu rechnen.

Das ist äusserst sportlich. Was der SRG SSR bisher nicht gelang – oder wozu sie bisher keinen Anlass sah – soll nun per sofort möglich sein. Mehr über die anderen (Sprach-) Regionen zu berichten verlangt eine Koordination und Absprache untereinander.

Es verlangt nebst einer hohen Sprachkompetenz auch eine Verlagerung der personellen Ressourcen auf Zuständigkeitsbereiche, welche es so bisher kaum gab. Erschwerend kommt noch hinzu, dass man bei allen Gesellschaften der SRG SSR noch die Zusammenlegung von Radio und TV zu «verdauen» (konsolidieren) hat.

Es wird darum äusserst spannend sein zu beobachten, ob und wie es der SRG SSR in den nächsten Monaten gelingen wird, etwas zu Gunsten eines verstärkten kulturellen Austauschs zwischen den Landesteilen zu verändern. Nötig wäre es alleweil.

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