Zwischenfall in Mühleberg

Ganz ohne auf Panik machen zu wollen: Was wäre, wenn es in Mühleberg einen Zwischenfall gäbe? Ein Beitrag zum Umgang mit tragbaren und untragbaren Risiken.

Gehören Sie auch zu jenen Menschen, welche täglich im selben Gebäude ein- und ausgehen ohne sich je einmal gefragt zu haben, wo sich denn der nächste Feuerlöscher befindet oder welches die Fluchtwege im Falle eines Brandes wären?

Trügerische Sicherheit

Wir leben auf einem so hohen Sicherheitsniveau, dass wir uns derartige Fragen gar nicht mehr stellen. Die technische Entwicklung, beispielsweise im Heizungsbereich, machen es gar nicht mehr notwendig, sich Sorgen über mögliche Feuerfunken machen zu müssen, welche ein Haus in Brand stecken könnten. Unzählige Vorschriften und Kontrollen sorgen weiter dafür, dass nichts passieren kann oder – dass wir glauben, es könne nichts passieren.

Die Sache mit der Sicherheit ist nämlich ziemlich trügerisch, denn vielfach führen höhere Sicherheitsmassnahmen auch dazu, dass einige im Gegenzug auch höhere Risiken eingehen. Deutlich wird dies beispielsweise im Strassenverkehr.

Noch nie waren Autos mit so vielen Sicherheitseinrichtungen ausgestattet wie heute und noch nie trugen die anderen Verkehrsteilnehmer so häufig einen Helm wie heute. Die Zahl der Unfälle mit Verletzten oder gar Toten liegt trotzdem nicht bei null und nähert sich auch nicht diesem Wert.

Das hat wohl auch damit zu tun, dass wir diese Verkehrsmittel heute intensiver als früher nutzen und dies bestimmt auch deshalb, weil wir glauben, sie wären sicher. Oder umgekehrt: Würden wir das Besteigen des Zweirads oder das Einsteigen in ein motorisiertes Fahrzeug als Risiko einstufen, würden wir uns wohl auch viel weniger damit bewegen.

Gelegentlich fallen einige bei gewissen Sicherheitsfragen schnell ins relativ radikale Gedankenmuster «alles oder nichts», so ganz nach dem Motto: Das ist nicht sicher, also kann oder darf man es gar nicht nutzen. In gewissen Situation ist das absolut richtig, nämlich dann, wenn ein «Zwischenfall» kaum fassbare Folgen für einen grossen Teil der Bevölkerung hat. Ein AKW-Unfall gehört da zum Beispiel dazu.

In anderen Fällen wäre das Alles-oder-nichts-Prinzip masslos übertrieben. Nur weil in einem Gebäude ein Feuer ausbrechen könnte oder nur weil es in einem Gebäude keine Feuerlöscher gäbe, muss man es deswegen nicht gleich meiden. Und nur weil es im Strassenverkehr trotz aller bereits bestehenden Sicherheitsmassnahmen weiterhin Unfälle gibt, heisst das noch lange nicht, dass man sich nicht mehr aus dem Haus trauen darf.

Wichtig ist dabei, dass man sich des Risikos bewusst ist, welches man unter Umständen eingeht. Dazu ist nicht Schwarzmalerei gefragt, indem man sich allerlei möglicher Schreckensszenarien ausdenkt, sondern einfach nur ein «vernünftiges» Mass an gesundem Menschenverstand. So lässt beispielsweise auch niemand in einer Waldhütte oder in einem Chalet ein Feuer unbeaufsichtigt brennen – ausser das Hirn und damit der gesunde Menschenverstand wäre vorher ausgeschaltet worden…

Interessanterweise galt bei einem AKW in der Schweiz bisher nicht das Alles-oder-nichts-Prinzip, wonach das Risiko eines Zwischenfalls für einen grossen Teil der Bevölkerung gegeben sei um es gar nicht erst eingehen zu müssen. Stattdessen galt vielmehr Zweiteres, also das Prinzip des «kalkulierbaren Risikos», gelegentlich auch «Restrisiko» genannt, welches man mit einem vernünftigen Mass an gesundem Menschenverstand eingehen könne.

Die Diskussion, welche jetzt im Gange ist, dreht sich genau um dieses Abwägen zwischen den beiden Prinzipen: Sollen wegen des durchwegs vorhandenen Risikos bestehende AKWs abgeschaltet und auch keine neuen mehr gebaut werden dürfen oder ist dieses Risiko «tragbar»?

AKWs: Ein tragbares Risiko? Im Moment «stinkt» die Atomenergie vielen zum Himmel.
(Burki/24Heures)

Zu vieles unklar

Wie diese Diskussion auch immer ausgehen wird: Grosse Teile der Bevölkerung sind heute dem so genannten Restrisiko ausgesetzt, ob sie es wollen oder auch nicht. Darum, und natürlich auch im Zuge des AKW-Unfalls in Fukushima, seien die folgenden Frage erlaubt:

Wo befinden sich heute die «Feuerlöscher» bei einem gravierenden Zwischenfall mit Austritt von Radioaktivität in Mühleberg, Beznau oder Leibstadt? Wie hat man sich dann zu verhalten und wie darf man sich dann verhalten? Was geschieht wann?

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ziel ist es hier nicht, Ängste zu schüren, sondern aufzuzeigen, dass wir weit von dem entfernt sind, was uns die Behörden glauben lassen wollen. Und das macht schon fast mehr Angst als ein möglicher AKW-Störfall…

In den vergangenen Tagen haben wahrscheinlich verschiedene Medien diese Fragen auch aufgeworfen. Kritisch nachgefragt scheint hingegen keines zu haben.

So titelte kürzlich auch das «Bieler Tagblatt» einen Artikel mit den folgenden Worten: «Gegen AKW-Störfälle gewappnet». Die Gemeinden der Region würden die Vorschriften erfüllen, welche im Falle eines Störfalls beim AKW Mühleberg bestehen.

Weiter stünden auch ausreichend Schutzräume sowie Jodtabletten zur Verfügung. Angereichert wird das Ganze noch mit einem Föteli eines Zivilschützers, der gerade die Türe eines Schutzraumes aufzieht. Zudem informiert ein Zweittext, dass bei den Apotheken zurzeit «Kein Ansturm auf Jodtabletten» bestünde.

Dass die Vorschriften eingehalten werden, ist eine Sache. Die fünf Schweizer AKWs halten grösstenteils die ihnen heute auferlegten Vorschriften auch ein. Notwendig wäre hingegen ein Hinterfragen der Vorschriften selbst. Das geschieht nun bezüglich Sicherheit bei den bestehenden AKWs. Aber wie sieht es aus mit den Vorschriften zum Schutz der Bevölkerung?

Bekannt ist heute einzig, dass im Falle eines gravierenden Zwischenfalls der Allgemeine Alarm ausgelöst würde (Sirene), dass man daraufhin Radio hören (DRS/Lokalsender), die Anweisungen der Behörden befolgen und die Nachbarn informieren soll.

Verschiedentlich war in einigen Medien zu lesen, zu sehen oder zu hören, dass man die Schutzräume aufsuchen soll. Das mag vielleicht richtig sein. Tatsache ist allerdings, dass es weder der Bund noch der Kanton Bern oder die um Mühleberg liegenden Gemeinden für nötig halten, online über weitergehende Massnahmen (nebst dem Radio hören usw.) zu informieren.

Da steht nichts über «Suchen Sie bei allgemeinem Alarm ihren Schutzraum auf». Dieses Bild wird nur von den Medien portiert, allenfalls ergänzt mit den Bemerkungen, dass sich bei vielen Schutzräumen die Türen inzwischen gar nicht mehr schliessen liessen, dass die Lüftung gar nicht für einen derartigen Störfall ausgerüstet sei oder dass viele Schutzräume erst von Gerümpel befreit werden müssten…

Selbst wenn dieses plausibel erscheinende Szenario gelten würde: Hat sich schon einmal jemand ernsthaft überlegt was es bedeuten würde, sollte man sich beispielsweise per sofort für die nächsten drei Tage dort einbunkern müssen?

Wer hat schon zu Hause je zwei Liter Wasser pro Person und Tag in Flaschen abgefüllt? Womit wird man sich ernähren (Jodtabletten sind bekanntlich kein Nahrungsersatz…)? Was gibt dort unten Licht, wenn der Strom ausfällt? Womit beschäftigt man sich während all diesen Stunden? Ist der Radio-Empfang auch wirklich stark genug um sich laufend informieren zu können? Stehen genügend Batterien fürs Radio-Gerät zur Verfügung? Wie gelangt man zu Frischluft, wenn die Lüftung keinen entsprechenden Filter enthält? usw.

Nur einer scheint für einen längeren Aufenthalt in einem Schutzraum vorbereitet zu sein…
(Burki/24Heures)

Einfach abschalten

Von offizieller Seite her gibt es keine Antworten zu diese (und wohl noch unzählig weiteren) Fragen. Entweder wird über mögliche, von der Bevölkerung vorgängig zu treffenden Massnahmen zu diesem Szenario bewusst nicht informiert um die Bevölkerung nicht zu beunruhigen – oder man hat noch gar nie soweit gedacht, obschon es sich um ein so genanntes «Referenzszenario» handelt. Hauptsache, jeder hat seine Jodtabletten im Hosensack…

Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Es gibt zu viele Variablen um im Falle eines Zwischenfalls fixfertige Notfallpläne aus der atomsicheren Schublade ziehen zu können. Hier ist Flexibilität gefragt.

Andererseits überrascht es schon auch, dass man sich heute immer noch damit begnügt, lediglich in den gedruckten Telefonbüchern (wer hat noch welche?) auf irgendeiner Seite (viel Spass beim Suchen) die erwähnten drei Massnahmen (Radio hören usw.) abzudrucken (sie sind nicht einmal auf den Gemeinde-Websites zu finden) und dass man keine Notwendigkeit sieht, die Bevölkerung über weitere mögliche Massnahmen zu informieren.

Dahinter steckt entweder System oder eine unglaubliche Naivität – oder eine Mischung von beidem. Denn wer ständig ans Risiko eines möglichen Zwischenfalls erinnert wird, dürfte dann, wenn es darum ginge, über die weitere Zukunft dieses Risikos zu entscheiden, sich dagegen aussprechen. Darum wünschten sich zurzeit wohl alle AKW-Betreiber, dass das Thema Fukushima baldmöglichst aus den Medien und damit aus dem kollektiven Gedächtnis verschwindet.

Sicher ist in jedem Fall nur eines: Je intensiver man über einen möglichen Zwischenfall nachdenkt – und das sollte auch erlaubt sein, ohne gleich mit dem Prädikat «paranoid» etikettiert zu werden – desto grösser wird das Unbehagen. Am besten wäre es darum, gar nicht erst darüber nachdenken zu müssen, indem man in diesem Fall dem Alles-oder-nichts-Prinzip folgt und so schnell wie möglich aus der Atomenergie aussteigt…

Bundesrätin Doris Leuthard setzte schon den Decke auf die bestehenden (?) AKWs.
(Burki/24Heures)

Eine Antwort auf „Zwischenfall in Mühleberg“

  1. Tja, ich habe keine Telefonbücher(zu gross und lästig), hab aber ohnehin kein Radio(zahle auch keine Gebühren dafür), dank Ohrenpropfen wegen dem allgemeinen Lärm höre ich auch die Sirenen und das Telefon nicht, sollte ich als Quartierschef aufgeboten werden(was mir übrigens ohnehin schnuppe ist, weil der ganze Zivilschutz ohnehin eine Farce ist).

    So und wegen den Joddinger, die nützen nur gegen Jodisotopen(Schilddrüsen und so), es gibt aber auch noch Cäsium(Knochen und so weil wie Calcium) und all das andere Zeugs. Und wenn wirklich alles verseucht ist, dann bleiben einem ohnehin nur noch Büchsen und abgefüllte Sachen.

    Und nein ich habe auch keinen solchen Vorrat zu Hause, dafür habe ich aber genügen Waffen und einen grossen Coop in der Nähe, verhungern werde ich also trotzdem nicht so schnell… 😉 In echten Post-Apokalyptischen Szenarien ist es ohnehin besser man hat genügend Waffen gebunkert als ein bisschen Essen und so für 15-30 Tage… Und immerhin habe ich hier ne gute Gasmaske und einen ganz passablen Schutzanzug, mache mir also schon auch Gedanken über „so Sachen“ auch wenn bei mir AKW’s nicht grad die erste Wahl sind… 😉

    Als Hommo-Digitalis oder dann eben Hommo-Digitalis-Post-Apocalypticus brauch ich natürlich auch Strom, doch es gibt ja auch Dieselgeneratoren für solche Fälle, die ich mir dann auch kurzfristig vom Coopbaucenter ganz in der Nähe besorgen kann und schon läuft auch die Spielkonsol wieder um ein bisschen Fallout3 zu gamen, super Sache das! *lol*

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