Um mit gutem Beispiel voran zu gehen, lanciert der Bund ein Energiesparprogramm für alle seine Bauten. Das prestigeträchtige Bundeshaus wird davon besonders markant betroffen sein.
Jetzt wissen wir es: Die Energieministerin Doris Leuthard ist keine Göttin. Dies erklärte sie zumindest indirekt an der gestrigen Medienkonferenz als es darum ging, die angestrebte Erhöhung der Autovignette und der Bahnbillette zwecks Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur zu rechtfertigen:
Bund geht mit gutem Beispiel voran
Die Debatte um diese Erhöhungen ist eine Scheindebatte, denn ob die Verkehrsinfrastruktur nun mittels höheren Preisen direkt bei den Verursachern bezahlt werden soll oder indirekt via Mehrwertsteuer oder irgendeine andere Abgabe, dürfte für viele unter dem Strich keine Rolle spielen.
Immerhin hat diese Scheindebatte dazu geführt, dass von einem anderen Projekt unter der Führung des Bundesamts für Bauten und Logistik (BBL) abgelenkt wurde. Dieses sieht vor, dass in den kommenden Jahren sämtliche Bauten des Bundes energetisch überprüft und entsprechende Massnahmen für eine Reduktion des Energieverbrauchs ergriffen werden sollen.
Davon betroffen sind sowohl alle Aspekte rund um die Beheizung der Gebäude, einschliesslich entsprechender Isolationsmassnahmen zur Vermeidung von Wärmeverlusten, als auch den Stromverbrauch als solches. Insbesondere im Heizungsbereich will man CO2-Neutralität erreichen. Ebenso sollen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden um eigenen Strom zum Beispiel mittels Photovoltaik-Anlagen zu produzieren.
Damit will man einerseits mit gutem Beispiel vorangehen und andererseits die Bevölkerung zum Thema «Energieverbrauch» sensibilisieren. Aus diesem Grund soll dieses Projekt auch mit dem bekanntesten und pestigeträchtigsten Bau beginnen: Dem Bundeshaus. Dieses wurde zwar erst in den Jahren 2006 bis 2008 renoviert. Bis zur nächsten Renovation könne man jedoch nicht warten, wie das BBL in seiner Medienmitteilung mitteilte.
Einschnitte für Parlamentarier
Wie die Ausführungen des BBL zeigen, sind nach eingehender Analyse unter anderem die folgenden Massnahmen im oder am Bundeshaus geplant:
Gebäudeisolation
Die gesamte Fassade soll zur Wärmedämmung in eine mindestens 30 Zentimeter dicke Isolation gepackt werden, so wie es der «Minergie Eco+++»-Standard vorsieht. Zudem sollen die zum Teil historischen Fenster mit von aussen eingesetzten Fenstern verstärkt werden.
Gegen möglichen Widerstand von Seiten Heimatschutz will man allenfalls die gesetzlichen Grundlagen ändern lassen, ist vom BBL weiter zu vernehmen. Genauso wie auch beim Landschaftsschutz betreffend Wind- und Wasserkraftwerken Kompromisse eingegangen werden müssten, habe sich hier der Heimatschutz auch auf einen Kompromiss einzulassen.
Photovoltaikanlage
Auf der gesamten sonnigen und bestens ausgerichteten Südfassade werden Panels einer Photovoltaikanlage montiert um damit den Strombedarf im Bundeshaus zu decken. Ausserhalb der Sessionen soll der gewonnene Strom ins öffentliche Stromnetz gespiesen werden, wobei der Bund auf die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) verzichte.
Die Südseite des Bundeshaus wird wohl bald durch Solar-Panels geprägt sein.
Komfort-Lüftung
In den Sälen von National- und Ständerat soll zudem wie bei jedem Minergie-Haus zwecks Wärmerückgewinnung eine Komfort-Lüftung eingebaut werden. So könne die viele heisse Luft der echauffierten Parlamentarier sinnvoll genutzt werden, meint das BBL.
CO2-neutrale Holzheizung
Der zusätzliche Heizbedarf soll mittels einer Holzheizung gedeckt werden. Als Brennstoff soll die nicht mehr zeitgemässe Täfelung der Ratssäle inklusive Vor- und Fraktionszimmer dienen.
Ziemlich ausser Mode gekommen: Die Holztäfelung hier im Zimmer des Ständeratspräsidenten.
Sie wird bald für die Holzfeuerung dienlich sein.
Papierloser Parlamentsbetrieb
Um die Ressourcen zu schonen beziehungsweise um die nachwachsende Ressource Holz fürs Heizen statt für die Produktion von Papier zu nutzen, ist die Verwendung von Papier in den Ratssälen verboten. Die Halbwertszeit dieser Unterlagen sei durch die unzähligen Änderungsanträge sowieso extrem kurz. Zudem würden diese Unterlagen viele gar nicht genau anschauen.
Gesponserte Klappsitze
Durch den Wegfall des Papiers würden auch die Pulte der Parlamentarier überflüssig. Sie sollen ebenfalls verheizt werden. Da damit die heutigen Fauteuils deplatziert erscheinen, werden sie ebenfalls der Heizung zugeführt.
An deren Stelle sollen Klappsitze mit einem textilenen Bezug folgen. Letzterer darf bedruckt sein, allerdings nur mit dem Namen einer Firma oder eines Verbands, welche die Parlamentarier als Interessenbindung abgegeben hatten.
Wiederaufforstung des Bundesplatzes
Um auch in Zukunft ausreichend Holzfeuer für die Cheminées in den einzelnen Sälen zu haben, sollen die Wasserspiele auf dem Bundsplatz ausgebaut und stattdessen mit Bäumen ersetzt werden. Aus föderalistischen Gründen soll aus jedem Kanton ein Baum stammen. Davon ausgenommen ist einzig der Beinahe-Stadtkanton Genf, welcher nur wenige Bäume besitzt, sich dafür aber mit Wasserspielen (Jet d‘eau) gut auskennt.
Das BBL hat übrigens zum Vornherein verneint, dass durch die Bepflanzung des Bundesplatzes zukünftige Demonstrationen verhindert werden sollen.
Noch erlauben Wasserspiele auf dem Bundesplatz ein Herumtollen.
Bald sollen hier Bäume aus allen Kantonen (ausser Genf) stehen.
Stand by-Modus vermeiden
Die elektronische Stimmabgabe-Anlage im Nationalrat soll abgeschaltet und wieder durch menschliche Stimmenzähler ersetzt werden. Grund dafür ist, dass die gesamte Anlage während den Sessionen dauernd im energiefressenden Stand by-Modus läuft. Die Dauerbereitschaft dieser Anlage würde sich auch deshalb nicht lohnen, weil kaum viel entschieden werde, das von Relevanz sei.
Mehr Energieeffizienz
Beim grossen Eisenleuchter im Ständeratssaal sollen die 208 Glühbirnen durch entsprechende Energiesparlampen ausgetauscht werden. Wenn schon 4,5 Glühbirnen pro Ständerat aufgewendet werden müssten, dann sollen diese dafür möglichst wenig verbrauchen.
Die Glühbirnen des 1,5 Tonnen schweren Leuchters im Ständeratssaal sollen bald durch Energiesparlampen ausgetauscht werden.
Armeeküche nutzen
Kaffeemaschinen, welche durch das ständige Vorwärmen der Tassen viel Energie verbrauchen, sollen ebenfalls aus dem Bundeshaus verbannt werden. An deren Stelle verteilen die Parlamentsdienste allen Parlamentariern eine Thermosflasche, welche jeweils morgens vor dem Bundeshaus bei der Küchenmannschaft einer diensthabenden Kompanie aufgefüllt werden kann.
Die gleiche Mannschaft ersetze auch das Bundeshaus-interne Restaurant und stelle dafür jedem Parlamentarier eine Gammele zur Verfügung. Es mache energetisch wenig Sinn, eine eigene Küche mit Restaurant für 300 Personen zu führen wenn ohnehin schon eine Einrichtung des Bundes am Kochen ist.
Auch hierzu hat das BBL gleich zum Vornherein verneint, dass man damit vollendete Tatsachen schaffen wolle um den Armeebestand möglichst hoch zu halten.
Den Luxus eines eigenen Restaurants mit energiefressenden Kaffeemaschine gibt es
im Bundeshaus bald nicht mehr.
Erreichbare Ziele?
Soweit ein Auszug der markantesten, geplanten Massnahmen. Es soll noch unzählige weitere geben. Man darf gespannt sein, wie viel der Bund selber an Energieeinsparungen erreichen wird und ob dadurch der Parlamentsbetrieb irgendwie beeinflusst wird.
Das BBL will jedenfalls laufend über die Energiebilanz informieren, sobald die ersten Massnahmen umgesetzt seien. Dies soll am 1. April 2012 bereits der Fall sein.
In den Gassen um unser Parlamentsgebäude geht das Gerücht um, dass man – nebst deinen hier erwähnten Verbesserungen, die Sch****e welche die Räte und ihre Lobbyisten produzieren, sammeln und als erneuerbare Energie nutzen will.
Was man damit allerdings zum dampfen bringen solle, konnte keiner schlüssig beantworten.
😉
@ Dan
Wie erwähnt, ist die Liste der Massnahmen seitens BBL lang und ich musste mich deshalb einschränken. Tatsächlich soll aber im 3. Untergeschoss des Bundeshaus West eine Biogas-Anlage für versch***ne Entscheide eingebaut werden.
Diese Massnahme ist allerdings mit einer Fussnote versehen, wonach noch offen sei, was denn alles für Entscheide dort hingebracht werden sollen. Wenn man sieht, dass man sich schon uneinig darüber ist, welche grob verfassten Volksinitiativen in Zukunft zugelassen werden sollen, dürfte das bei Detail-Entscheiden noch schwieriger sein… 😉