Empörungsmache gegen Umweltverbände

«Mach auf Empörung und Du kriegst hohe Einschaltquoten». So in etwa scheinen gewisse Redaktionen vorzugehen. Was dabei Schaden nimmt, ist häufig die Sache selbst, über welche berichtet wird. Kollateralschäden eben…

Beginnen wir für einmal direkt mit einem «10vor10»-Beitrag des Schweizer Fernsehens:

10vor10 vom 05.04.2011

Behauptungen, nicht mehr

«Wenn die Schweiz ohne Atomstrom auskommen will, braucht es Abstriche beim Landschafts- und Umweltschutz, damit Bäche für Wasserkraftwerke oder Hügel für Windkraftwerke genutzt werden können.

10vor10-Recherchen zeigen: Heute sind über 500 Ökostrom-Projekte in der Schweiz durch Einsprachen blockiert.»

Mit den vorgängig erwähnten Worten begann der oben gezeigte «10vor10»-Beitrag von vorgestern Mittwoch. Er begann damit genauso schlecht, wie er endete, nämlich äusserst unsachgemäss. Doch der Reihe nach.

Im gesamten Beitrag wird nirgendwo erwähnt, was oder wie viel es insbesondere in Sachen Wasser- und Windkraft bräuchte um ohne die bestehenden AKWs auskommen zu können. Es ist darum nichts weiter als eine Behauptung wenn gesagt wird, dass es Abstriche beim Landschafts- und Umweltschutz brauche.

Völlig ausgeblendet wurden mit dieser Aussage auch andere erneuerbare Energien wie etwa die Solarenergie oder die Geothermie. Dass diese ein gewaltiges Potential beinhalten, sollte man auch auf der Redaktion von 10vor10 wissen. Übrigens: 30 Minuten Sonnenschein rund um den Globus decken den gesamten jährlichen Energiebedarf der Welt ab…

Dann ist da die Rede von über 500 wegen Einsprachen blockierter Ökostrom-Projekten. Weiter kann dem Beitrag entnommen werden, dass von 800 Projekten für Kleinwasserkraftwerke 500 durch Einsprachen blockiert seien. Ebenso seien von 18 geplanten Windkraft-Projekten 15 durch Einsprachen blockiert.

Was bei diesen Zahlen jedoch verschwiegen wird, ist, wie viele Einsprachen tatsächlich von den Umweltverbänden stammen. Der Beitrag suggeriert nämlich, dass sämtliche Einsprachen ausschliesslich von den ach so bösen Umweltverbänden kämen.

Künstlich erzeugtes «Feindbild»

Verschwiegen wird ebenfalls, was denn die eigentlichen Gründe für die Einsprachen waren. Denn: Der Beitrag erweckt ebenfalls den Eindruck, dass alle Einsprache quasi aus einem Übereifer oder «von Amtes wegen» durch die Umweltverbände erfolgten.

Das sind aber Verbände, welche im Gegensatz zu den zukünftigen Kraftwerksbetreiber keine wirtschaftlichen Interessen verfolgen und darum vorwiegend auf Spenden angewiesen sind. Sie dürften mit Bedacht von ihrem Einspracherecht Gebrauch machen, denn jede Einsprache kostet sie Spendengelder, welche nicht so locker fliessen wie das Wasser in einem Kleinwasserkraftwerk.

Unklar bleibt für den Zuschauer ebenso, wie viel Energie mit all diesen Projekte erzeugt werden würde. Reicht die Menge, um ein oder zwei oder gleich alle fünf AKWs abschalten zu können? Oder wird damit trotz relativ grossen Eingriffen in die Landschaft nur ein Bruchteil eines AKWs erzeugt? Zur Erinnerung: Einleitend war die Rede vom Atomausstieg, welcher nur dank Abstrichen im Landschafts- und Umweltschutz möglich sei…

Schliesslich darf bei diesen Kleinst-Projekten nicht vergessen werden, dass durch die kostendeckende Einspeisevergütung so etwas wie eine Goldgräber-Stimmung ausgebrochen ist. Da ist es auch wahrscheinlich, dass viele Antragsteller nur die Einnahmen sehen, nicht aber die Folgen für Landschaft und Natur.

Weiter bleibt auch offen, bei wie vielen Projekten es wie schnell zu einer gütlichen Einigung kam, sodass die jeweilige Einsprache zurückgezogen werden konnte.

Ganz ausser Acht gelassen wird schliesslich noch, dass Einsprachen Teil unseres demokratischen Systems sind. Wenn wir nicht wollen, dass morgen jemand diktieren kann, wo wie was gebaut werden soll, dann dürfen wir dieses Mitspracherecht bei Bauvorhaben nicht per se in Frage stellen. Oder möchte jemand chinesische Zustände so wie beim Drei-Schluchten-Staudamm mit Enteignungen und Zwangsumsiedelungen?

Plumpe Empörungsmache

Obschon so vieles offen bleibt, lässt man sich abschliessend noch zur folgenden Aussage hinreissen:

«Die Umweltverbände fordern den Atomausstieg. Doch geht es um den Ausbau von Wind- und Wasserkraft, zeigen sie bis heute wenig Kompromissbereitschaft.»

Dieses «doch» unterstellt den Umweltverbänden einen Widerspruch in ihrem Verhalten. Diese Umweltverbände haben jedoch nie einen Atomausstieg nur auf der Basis von Wind- und Wasserkraft gefordert.

Zudem liegt das Unglück von Fukushima noch keinen Monat zurück. Nicht einmal die Politik hat irgendeinen Richtungswechsel in Sachen Energieversorgung entschieden. Darum ist dieses «bis heute» als Andeutung, wonach die Umweltverbände sich nicht bewegen würden, völlig deplatziert.

So etwas nennt man dann «10vor10-Recherche». Treffender wäre wohl eher eine plumpe Empörungsmache im Windschatten der seit Fukushima in Gang gesetzten Energiedebatte.

Mal schauen, wo doch gleich schon wieder die Adresse von Achille Casanova ist…

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6 Antworten auf „Empörungsmache gegen Umweltverbände“

  1. Irgendwo habe ich gelesen, um auf wenigstens das A-Werk Mühleberg verzichten zu können, genüge wenn wir keinen Strom ins Ausland exportieren würden.

    Ein Gerücht, oder eine dreiste Behauptung?

    Dieser Tage ist es schwierig unabhängige Infos zu erhalten. Und nicht jeder hat die Zeit aufwändige Recherchen selber zu machen.

    Deshalb danke, lieber Titus, dass du uns ein wenig Licht ins Dunkel bringst.

  2. ich fand diesen beitrag auch eher unterirdisch. man sieht bei 10vor10 leider oft solch haarsträubendes zeugs. ein jammer.

  3. @ Dan
    Gern geschehen.

    @ Bugsierer
    Yep, den Eindruck teile ich. Besonders schlimm dabei erscheint mir auch die oftmals wichtigtuerische Art gewisser Moderationspersonen…

  4. @dan
    quantitativ kann ich das auch nicht absolut beurteilen.
    Tatsache ist, dass mehr exportiert wird, als importiert.
    Tatsache ist auch, dass Atomstrom importiert wird, und Wasserkraft exportiert. Das verbilligt unseren Strom.
    Wie nun der Importstrom in die Statistik eingeht, ist mir unbekannt.
    Ich nehme mal an, dass der Anteil des Atomstroms wesentlich kleiner wäre, wenn wir die Wasserkraft für uns behalten würden, und dafür weniger Atomstrom importieren würden.

    Tatsache ist auch, dass wenn die von den EW’s noch vor einigen Jahren empfohlenen Widerstandsheizungen in Häusern durch Wärmepumpen ersetzt würden, 1.5 Mühleberg überflüssig machen.
    Tatsache ist auch, dass ohne Komforteinbusse die Beleuchtungen, Geräte usw. um 30% effizienter sein können.
    Tatsache ist auch, dass Nullenergie-Häuser bestehen, und diese 10% teurer sind als andere, also auf Dauer billiger.
    Komisch ist, dass die geplanten AKW’s in ca 15 Jahren ans Netz sollten, und gerade zum gleichen Zeitpunkt ein Energieengpass entstehen soll…. und Tatsache ist, dass alle Alternativenergieen in kürzester Zeit realisiert werden könnten, z.B. sind in diesem Jahr Einspeisegesuche für mehr als 1.5 Mühleberg hängig……
    Wer immer noch glaubt, das Heil liegen in AKW’s, der soll doch mal ins Strahlenmeer ….

    Im ernst, es kann ja durchaus sein, dass man AKW’s sicher bauen kann, warum tut man es denn nicht? Weil diejenigen, die die Kohle damit machen, die Schäden den anderen (das sind wir) aufbürden.

  5. @ Raffnix
    Ich muss Dir leider widersprechen: Gemäss gestriger Medienmitteilung des Bundesamts für Energie wurde im 2010 etwas mehr importiert als exportiert (siehe dort auch die Anhänge am rechten Rand).

    Das Problem ist nicht alleine die produzierte Strommenge, sondern die zeitliche Verfügbarkeit. So wird im Winter mehr Strom benötigt als im Sommer und am Tag mehr als in der Nacht. Soweit ich das verstanden habe, reicht die Wasserkraft aber im Winterhalbjahr nicht aus. Erfahrungsgemäss werden zudem viele AKWs auch im Sommer revidiert. Dann haben die Wasserkraftwerke erst recht Strom zu produzieren.

    Wenn beispielsweise die Rede davon ist, Staumauern zu erhöhen (Grimsel), dann geht es nicht darum, auf einen Schlag mehr Strom produzieren zu können (die Fallkraft auf die Turbinen ist nämlich die gleiche), sondern länger die gleich konstante Stromleistung produzieren zu können (weil länger Wasser zur Verfügung steht).

    Ich erwähne das vor allem deshalb, weil hier auch ein gewisses Potential für den Ersatz von AKWs steckt. Wir brauchen AKWs heute nämlich auch, weil wir zu einem bestimmten Zeitpunkt (kurz vor Mittag) extrem viel Strom brauchen. Diese Verbrauchskurve müssten wir (nebst den von Dir erwähnten Massnahmen) abflachen.

    Früher (und das gibt es heute noch in älteren Häusern) war es beispielsweise nicht möglich, um die Mittagszeit zu waschen. Dabei ging es genau darum, den Energieverbrauch um diese Zeit zu beschränken. Auch Wasserboiler werden teilweise (aber eben nur teilweise) nachts gewärmt. Mit den heutigen Steuerungen (wann soll die Waschmaschine zu laufen beginnen usw.) liesse sich noch viel mit wenig Aufwand (und ohne irgendeine Komforteinbusse) erreichen.

    Zur Stromlücke verweise ich auf diesen Artikel.

  6. @titus
    letztes Jahr… ja, es gibt immer ein Ausnahmejahr.
    Sonst haben wir wohl keine gegenteilige Meinung.

    Danke für den link zur Stromlücke.
    Wäre dazu die Frage, was wir mit dem heutigen Stromüberschuss machen… (da wir ihn nicht exportiert haben, haben wir ihn nicht bezogen?) .
    Und es wäre die Frage, warum wir keine neuen Importverträge abschliessen könnten, wenn wir denn wollten.

    Und sinnigerweis kommen die laufend ans Netz gehenden Alternativenergien in der Grafik gar nicht vor, obwohl diese für dieses jahr ca. 1 AKW wie Mühleberg ersetzen könnten.

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