Kulturelle Weiterentwicklung

Internet fördert die kulturelle Vielfalt. Das Netz der Netz animiert aber auch zur Weiterentwicklung.

Anfangs dieser Woche wurde hier bereits einmal die Frage behandelt, ob Internet längerfristig nicht zu einer Art kulturellem Einheitsbrei führen würde, weil sich durch die Vernetzung bisherige kulturelle Unterschiede vermengen (können).

Klassische «Kultur-Vertreter»

Nein, lautete die Antwort, ganz im Gegenteil: Schlecht sei nicht die Angleichung bisheriger kultureller Unterschiede. Schlecht wäre es, wenn die Vielfalt von dem leide, was der Mensch gestaltend hervorbringen könne. Und: Internet ist ein vorzügliches Mittel, Vielfalt zu leben und zu verbreiten, dies nicht zuletzt weil die bisherigen Institutionen und Vertriebskanäle keine Rolle mehr spielten.

Als Programmdirektor für Kunst einer New Yorker Wohltätigkeitsstiftung kommt Ben Cameron von der anderen Seite kulturellen Schaffens, von einer jener Institutionen, welche die Verbreitung von Kunst und Kultur in der Vergangenheit sozusagen für sich gepachtet hatten.

Im nachfolgenden Video sieht er wegen des unabhängigen Vertriebskanals namens Internet nicht etwa schwarz. Genauso wie die Reformation im 16. Jahrhundert nicht zum Verschwinden der Kirche geführt habe, glaubt er daran, dass die bisherigen Kunst- und Kulturinstitutionen auch in Zukunft ihren Platz haben, aber eine andere Rolle spielen werden.

Insgesamt sieht er dank des partizipierenden Charakters des Internets sogar rosige Zeiten für Kunst und Kultur (deutsche Untertitel nach Aktivierung des Videos auswählbar):

Internet ist aber nicht bloss nur ein unabhängiger «Vertriebskanal» um Dinge zu verbreiten, die vor dem Internet-Zeitalter kaum Chancen für eine Verbreitung gefunden hätten. Internet liefert auch einen Ansporn, etwas Bestehendes weiterzuentwickeln, weil viele jene Dinge, die sie dank Internet sehen, nicht bloss imitieren, sondern eben einen Schritt weiter bringen wollen.

Chris Anderson von den TED-Konferenzen bringt es im nächsten Video anhand der im Internet abrufbaren Videos gut auf den Punkt (deutsche Untertitel nach Aktivierung des Videos auswählbar):

«Star» wider Willen

Soviel zur Theorie. Christine O‘Donnell, republikanische Kandidatin anlässlich der letzten US-Senatswahlen vergangenen Herbst, liefert ungewollt das erste Praxisbeispiel für die angesprochene Weiterentwicklung im Internet.

So wurde sie einmal im Laufe des in den USA nicht unzimperlich geführten Wahlkampfs als Hexe bezeichnet. Wie in den USA üblich, wird auf solche Vorwürfe medial reagiert, was O‘Donnell wie folgt machte:

Vermutlich war es diese überaus fromme Ausdrucksweise und die doch etwas eigenwillige Botschaft «I‘m you» (ich bin Sie), welche die Gregory Brothers dazu brachte, O‘Donnell dank Autotune-Effekt «singen» zu lassen. Als Resultat entstand das folgende filmische und vor allem musikalische Werk:

Aus der Melodie entwickelte die schwedische «Powerpop» Band Roomie ihre eigene Version, die (ohne Autotune-Effekt) wie folgt klingt:

Keine «Amateure» mehr

Joe Penna, auf YouTube besser bekannt unter dem Pseudonym «MysteryGuitarMan», ist ein mässiger Sänger, aber ein begeisterter «Rhythmik-Fanatiker». Als solcher begann er, einzelne akustische Sequenzen per Videokamera aufzunehmen und mittels
so genannten Stop-Motion-Methode zu einem grossen Ganzen zusammenzufügen.

Inzwischen hat er seine Werke auch unter Verwendung weiterer Methoden (insbesondere des Greenscreens) laufend weiterentwickelt und konnte kürzlich sogar einen TV-Spot für McDonalds und CocaCola ganz in seinem Stil drehen.

Im Rahmen seiner regelmässig veröffentlichten Videos entstand auch dieses hier:

Pennas soeben gesehenes Video hat zwar Rhythmik, aber doch relativ wenig Melodie. Levi Doron hat – wie Roomie im Beispiel oben – das Grundgerüst des Originals melodisch weiterentwickelt und zwar so, dass heute sogar eine «iTunes-fähige» Version zur Verfügung steht:

Dies sind nur zwei kleine Video-Beispiele, welche aufzeigen, dass dank Internet nicht nur etwas nachgemacht, sondern weiterentwickelt werden kann. Es sind zugleich zwei Beispiele, welche nicht bloss unterhalten, sondern auch gute Referenzen für Menschen sind, die man aufgrund der guten Umsetzung nicht mehr im klassischen Sinne als «Amateure» bezeichnen kann.

Ob diese Werke gefallen oder nicht, bestimmt die Masse – und nicht mehr Vertreter der bisherigen Institutionen.

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