Die Umsetzung der angenommenen Ausschaffungsinitiative – das war schon im Vorfeld der Abstimmung bekannt – wird zur Quadratur des Kreises. Einsicht bei den Initianten ist keine vorhanden.
Wer in diesen Tagen die Website der SVP besucht, erlebt ein Déjà-vu: Ivan S., der ausländisch anmutenden Vergewaltiger, feiert sein Comeback: «Ivan S. soll weiter vergewaltigen!»
Falsche Behauptung
Zu verdanken hat er das den «Linken, Netten und ihren Experten»:
In fetten Lettern sollte allerdings ein anderer Titel stehen: «Toni B. darf weiter Schrecken verbreiten». Das ist nicht etwa eine Behauptung, sondern stützt sich auf den Varianten-Katalog der Arbeitsgruppe ab, welche sich mit der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative befasste.
Alle vier Varianten, von jener des Initiativkomitees bis zu jener der Mehrheit der Arbeitsgruppe, sahen nämlich vor, dass Vergewaltiger ausgeschafft werden:
(Zum Vergrössern anklicken)
Wenn also Ivan S. weiter vergewaltigen darf, wie das die SVP nun behauptet, dann stimmt das so nicht. Der Wille, Vergewaltiger auszuschaffen, bestand auch bei den «Linken, Netten und ihren Experten».
Hinter der Uneinsichtigkeit steckt auch Wahlkampftaktik. Nun kann sich nämlich die SVP einmal mehr als «Verteidigerin der Volksrechte» aufstellen.
Brandschwarz angelogen
Dass ihre Vertreter das Stimmvolk brandschwarz angelogen haben, geht dabei vergessen. Zur Erinnerung:
Beim oben gezeigten Artikel lautete die erste Frage übrigens wie folgt:
Herr Amstutz, sind Sie nach der Abstimmungs-«Arena» vom Freitag der Meinung, dass Ihre Initiative angenommen wird?
Amstutz‘ Antwort darauf:
Ja. Die «Arena» hat aufgezeigt, dass Bundesrätin Sommaruga mit Unwahrheiten operiert.
In einem Interview von vergangenem Mittwoch in der gleichen Zeitung antwortete der heutige Berner SVP-Ständerat Amstutz, konfrontiert mit seiner früheren Aussage zu Bagatelle-Delikten, wie folgt:
Der SVP-Vorschlag setzt die Initiative eins zu eins um. Dabei geht es durchwegs um gravierende Delikte. Gerade auch das harte Durchgreifen bei Delikten wie Körperverletzung, Einbruch oder Drogenhandel ist wichtig, da diese die öffentliche Ordnung und Sicherheit in besonderem Masse gefährden. Wer solche Delikte als Bagatellen bezeichnet, den kann ich nicht verstehen.
Dass bei gravierenden Delikten hart durchgegriffen wird, ist für viele unbestritten. Der Interviewer hat es jedoch verpasst, nachzuhaken, denn Amstutz gibt keine Antwort auf die Bagatelldelikte…
Das hat auch einen guten Grund, siehe die frühere Aussage oben von Amstutz. Da kann man nur noch die eigenen Worte des Berners wiederholen: Dir verzellet ein Seich am Angere.
Dürfen Politiker alles?
Übrigens, die anderen Teilnehmer der Arbeitsgruppe als Linke, Nette oder deren Experte hinzustellen, ist ehrverletzend (Art. 173 und 174 StGB). Und wer der Bevölkerung eine Gefahr vorgaukelt, nennt man Schreckung der Bevölkerung (Art. 258 StGB).
Wenn die SVP-Politiker schon die Präambel der Bundesverfassung vergessen haben, gilt für sie wenigsten noch das Strafrecht? Oder können sich jene, welche gesetzgebend mitwirken, sich einfach immer hinter ihrer Immunität verstecken?
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Ähnliche Blog-Artikel zum Thema
- Bedeutungslos.ch (02.07.2011):
«Zitat der Woche: Der Seher»
Wahrscheinlich dürfen sie. Lässt sich auch dadurch ableiten, dass ein ziemlich grosser Teil der Schweizer Bevölkerung nicht nur diesen Schreckungen hörig ist, sondern schon fast süchtig danach ist.
Übrigens ist der Ivan auch schon wieder in Zeitungen zu sehen, was wieder gut zu den Tagesaktualitäten passt.
Wie gut übrigens die Volksverblödung mittels Schreckgespenst funktioniert habe ich neulich bei einer meiner Tanten aus den Berner Seeland selbst erleben können.
Auf die Frage wovor sie sich denn fürchte, meinte die gestandene Bäuerin: „Eigentlich habe sie vor nichts Angst, ausser vor dem Islam“. Auf unsere Nachfrage hin stellte sich dann heraus, dass:
a) sie keine Ahnung hat, was der Islam ist,
b) sie nicht wirklich artikulieren konnte, wovor genau sie sich fürchtet,
c) sie ein sehr einseitiges blochaktives Weltbild hat!
Die Aufklärung und Meinungsbildung dauerte dann auch eine ganze Weile, mit dem Ergebniss, dass hier vielleicht eine „rechte Schweizer Wählerin“ verloren gegangen ist.
Habe oben am Schluss noch einen Link zu einem anderen Blog-Artikel angefügt.
@ Randnotizen
Ich bin auch süchtig – aber nach einer sachlichen Auseinandersetzung zwecks sachlicher Lösung. Danke für den Hinweis betreffend „Ivan in den Zeitungen“. Woher die bloss wieder den Stutz dafür haben…?
@ Dan
Spannend wäre es natürlich auch noch zu erfahren, wieso denn Deine Tante diese Meinung einnahm…
Nun, lieber Titus, die Angst vor Ausländern, speziell aus islamischen Ländern wurde offenbar gezielt geschürt um der politischen Partei stimmen zu sichern.
Populistische Parolen, in der Stammkneipe oft wiedergekäut, trugen wohl dazu bei das Kopfnicken zu abstrusem Gedankengut zu fördern. Etwaige Zweifel räumte dann noch der regelmässige Konsum der grössten Tageszeitung aus.
Ausländische Kriminelle, Vergewaltiger und islamische Terroristen bedrohen die beschauliche Idylle des Berner Mittellandes und der rechten Schweizer…
@ Dan
Du meinst, Angst zu machen reicht schon aus? Oder gehört – böse gesagt – Hirn ausschalten auch dazu (ist nicht als rhetorische Frage zu verstehen)?
Ein kongenitaler Effekt welche die Schäfchenstrategien nutzen, scheint, wenn der Leithammel blöckt folgen die Lämmer.
Ähnliches wurde ja im bösen feindlichen Ausland während WWII in Fieldstudies nachgewiesen.
Aber Angst allein reicht nicht und Hirn ausschalten auch nicht. Doch ein IQ welcher gerade noch erlaubt das man Schuhbändel schnüren kann, scheint der Sache und der Partei förderlich.
😉
@ Titus
Ich würde ja die Sucht nach sachlicher Auseinandersetzung mit Dir teilen. Im Alltag sehe ich mich aber immer mehr von den rechten Schweizern umgeben, daher habe ich mich entschlossen die Sache auszusitzen.
Woher das Geld kommt? Ein gutes Beispiel wäre da aktuell die Lonza – noch vor ein paar Jahren hat sich ein gewisser Chefstratege einer bedeutenden Partei mit ein bisschen Spekulatius um einen (mindestens) achtstelligen Betrag bereichert.
Erschreckend ist für mich, dass sich weite Teile der Schweizer Politiker dagegen wehren, möglichst viele kriminelle Ausländer ausschaffen zu können – und in eindeutigem Widerspruch zu einem klaren Volksentscheid. Insofern hat «Toni B.» Recht:
«Linke, Nette und ihre Experten» möchte nach Möglichkeit keinen einzigen kriminellen Ausländer ausschaffen. Und wird nicht die Volksinitiative umgesetzt, sondern einer der nun vorliegenden Alternativvorschläge, ist leider die Wahrscheinlichkeit, dass «Ivan S.» weiterhin vergewaltigt, tatsächlich sehr hoch.
@ Martin Steiger
Was so (vermutlich wider besseren Wissens) nicht behauptet werden kann. Die Mehrheit verurteilter ausländischer Straftäter in der Schweiz (Gefängnis- und Zuchthausstrafen) wird des Landes verwiesen.
Zumindest diejenigen, die „Ivan S.“ erfunden und wiederbelebt haben, wissen es mit Sicherheit.
Aber ich verstehe Sie schon, denn analog freue ich mich natürlich auf den Tag, an dem nicht nur gemeingefährliche Raser sondern auch konsequent jede Geschwindigkeitsübertretung (noch besser, jede Missachtung des SVG) zum Verlust des Führerscheins führt, dann würden sich zu den „Linken, Netten und ihren Experten“ noch die „Grünen“ gesellen und auf den verwaisten Strassen in ihren Birkenstockschuhen jeden Tag „Ich-hab-Dich-gern“-Feste feiern.
Natürlich wird das – dank den Rechten – nie geschehen, weil sie recht haben, wenn sie sagen: Man kann doch nicht alle (Vergehen) in den gleichen Topf werfen. Merken Sie etwas?
@ Martin Steiger
Vorab: Bisher haben sich nur die Vertreter der fraglichen Arbeitsgruppe zu den Varianten geäussert. Sie als «Linke, Nette und ihre Experten» zu bezeichnen, nur weil sie nicht die Linie der SVP-Vertreter vertreten, ist sicher nicht fair und bringt uns auch nicht weiter.
Dann: Es gibt zweifellos eine gewisse Resistenz auf der linken Seite was die Verschärfung von Strafmassnahmen anbelangt. Aber macht es Sinn, diese nur für Ausländer zu verschärfen?
Ich habe schon vor der Abstimmung argumentiert, dass es Nonsens ist, kriminelle Ausländer zuerst ihre Strafe in der Schweiz absitzen zu lassen (wofür wir Steuerzahler noch zahlen) und sie dann auszuschaffen, denn bei unserem heutigen „Bestrafungssystem“ geht man davon aus, dass, wer seine Strafe abgesessen hat, anschliessend „geläutert“ aus dem Gefängnis entlassen werden soll.
Wenn dem so ist, brauchen wir sie nicht mehr auszuschaffen. Dann wäre es wohl weiser, sie als „resozialisierte“ Arbeitskräfte, Steuerzahler, AHV-Beitragsleistende usw. hier zu behalten.
Wenn dem nicht so ist, also wenn wir nicht darauf setzen können, dass Kriminelle nach dem Absitzen ihrer Strafe etwas gelernt haben, was machen wir dann mit den entlassenen Schweizern? Ab nach Sibirien?
Nun denn: Das Schweizer Volk hat entschieden. Aber ich bezweifle, dass die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer ein Ja eingelegt hatte, damit Menschen mit ausländischem Pass wegen einer Bagatelle ausgeschafft werden. Vielen sind sich der Ausländer deshalb nicht mehr bewusst, weil sich diese so gut integriert haben, dass sie glatt als Schweizer durchgehen. Möge ihnen bloss nie eine Bagatelle unterlaufen…
Schliesslich wäre noch zu betonen, dass die Variante 2/4 auch Delikte abgedeckt hätte, welche die Initianten vergessen hatten. Genauso vergessen ging das Gebot der Verhältnismässigkeit, weshalb die Orientierung an der Höhe des Strafmasses durchaus Sinn gemacht hätte. Damit hätte man zwischen Bagatellen und Nicht-Bagatellen unterscheiden können.
Vielleicht hätte man das Schweizer Stimmvolk besser über die Aufhebung des Grundsatzes bezüglich Verhältnismässigkeit und über die Loslösung von bestehendem Völkerrecht abstimmen lassen sollen…
Jeder versteht halt unter Bagatelle was anderes. Wenn Ausländergrüppchen andere zusammenschlagen, auch wenn die Verletzungen mässig sind, dann ist das für mich auch keine Bagatelle mehr. Das gleiche gilt für Sozialmissbrauch oder Wirtschaftskriminalität.
Es geht ja uach nicht nur um Delikte. Wer nicht willens ist, sich hier anständig aufzuführen, hat hier wohl auch nichts verloren, und ist kann wohl gut heimgehen. Und sollte er zuhause auch straffällig geworden sein, und hat nun eine Strafe zu befürchten, dann um so mehr.
Das Titelbild „Blocher-Kuschelpolitik“ ist amüsant: Blocher hat das Kuschelstrafrecht selbst eingeführt, nachdem es das parlament noch verschärft hat.
Alles, was die SVP seit der peinlichen Abwahl von BR Blocher an Vorstössen und Initiativen gemacht hat, hätte Blocher leicht via Gesetzgebung schlank einführen können. Er hat das natürlich nicht gemacht, weil das keine Stimmen bringt.
@ Raffnix
Zitat: „Jeder versteht halt unter Bagatelle was anderes.“ Genau darum würde die Orientierung am Strafmass Sinn machen, denn das Strafmass wird nach der Schwere des Vergehens festgelegt.
Dagegen ist kaum was einzuwenden.
Das Beispiel von Dan ist typisch. Die SVP spaltet ganze Verwandtschaften massive wie das ganze Land.
Wer wundert sich denn noch über den Scheiss, den die SVP immer verbreitet und von den Medien dankbar entgegen- und weitergegeben wird?
Wir können unseren Willen an der Urne kundtun, und die Politiker auch dazu anhalten, innert nützlicher Frist das umzusetzen.
@Ursula
Nur wer willig ist, lässt sich spalten.