Populisten am Werk

Ob ein tätlicher Angriff im Berner Oberland oder Vandalenakte im Berner Seeland: Die SVP schlachtet immer häufiger jüngst zurück liegende Einzelereignisse politisch aus – auch lokal. Die «Scharfmacherei» erreicht damit ein neues Niveau.

Am vorletzten Wochenende ging in Biel der Feuerteufel um. Innerhalb kürzester Zeit setzten ein oder mehrere Täter 18 Fahrzeuge an 16 verschiedenen Standorten in Brand.

Man ist schon fast versucht zu sagen, dass das für Biel «normal» sei, denn bereits zwischen November 2010 und Februar 2011 wurden vereinzelte Fahrzeuge in Brand gesteckt. Und auch an diesem Wochenende brannte – bitte nicht lachen – ein Tornetz sowie ein Strohhut in einer Telefonkabine.

Höchstwahrscheinlich geplante Taten

Auch wenn diese letzten beiden Brandakte in die laufenden Ermittlungen zur massenweisen Brandstiftung von vorletzter Woche integriert werden, scheinen sie eher das Format zweier dummer Lausbubenstreiche zu haben.

Über die Täterschaft ist noch nichts bekannt. Der Zürcher Gerichtspsychiater Martin Kiesewetter schliesst in einem Artikel im «Bieler Tagblatt» jedoch einen Saubannerzug wie auch ein politisches Motiv eher aus. Ebenso hält er es für wenig wahrscheinlich, dass es sich um einen Pyromanen handle oder die Täterschaft nur einfach Lust am Zerstören hätte.

Vielmehr gehe es um den Kick, dass die ganzen Stadt von ihm oder von ihnen spreche um im Mittelpunkt zu stehen.

Die Meldungen über die Brände trafen bei der Einsatzzentrale innerhalb von 90 Minuten ein. Geht man davon aus, dass die Täterschaft innerhalb des gleichen Zeitraums Feuer gelegt haben sollen, dann musste sie alle rund fünf Minuten einen Brand gelegt haben.

Die genauen Standorte sind bis heute nicht bekannt. Aus «ermittlungstaktischen Gründen» hält sich die Kantonspolizei Bern noch immer bedeckt beziehungsweise hat nur jene sieben Standorte bestätigt, welche durch die Anwohner und die Medien bereits bekannt sind.

Demnach liegen die sieben Standorte alle auf einer Linie und verteilen sich auf einer Strecke von ungefähr 2,5 Kilometern. Geht man weiter davon aus, dass die noch unbekannten neun Orte ebenfalls auf dieser Linie liegen, dann wurde im Durchschnitt alle knapp 160 Meter ein Brand gelegt.

Das liesse sich zwar zu Fuss zurücklegen. Doch über eine so lange Strecke Utensilien auf sich zu tragen, mit denen man Fahrzeuge in Brand stecken kann, würde viel Sportlichkeit abverlangen. Zudem haben es Täter naturgemäss immer eilig, vom Tatort wegzukommen. Dafür eignen sich Füsse nicht besonders. Betrachtet man den Strassenverlauf, drängt sich am ehesten ein Zweirad auf.

Soweit die Fakten und einige Vermutungen. Obwohl auch eine Vermutung, kann doch mit Sicherheit angenommen werden, dass niemand einfach so genügend Material auf sich trägt um quasi spontan an 16 Orten Fahrzeuge in Brand zu setzen. Selbst Raucher müssen ja manchmal schon ihr Feuerzeug suchen… 🙂

Dass dahinter somit eine gewisse Vorbereitungsarbeit steckt, kann sich jeder selbst zusammenreimen. Und dass 16 Brände innert kürzester Zeit ein aussergewöhnliches Ereignis sind und Feuerwehr wie Polizei mitten in der Nacht ziemlich auf Trab hält, ist wohl ebenfalls unbestritten.

Fehlende Ressourcen?

Darum ist es umso stossender, dass die Bieler SVP aus der ganzen Sache politisches Kapital schlagen will. Sie schrieb vor einer Woche auf ihrer Website unter anderem:

Wir sind überzeugt davon, dass die Sicherheitskräfte in Biel ihr Bestes getan haben, um die Situation zu meistern. Wir sind aber auch überzeugt, dass den Sicherheitskräften Mittel und Ressourcen fehlen, um effizient reagieren zu können. Es kann nicht sein, dass BürgerInnen zusehen müssen, wie ihr Hab und Gut böswillig zerstört wird ohne dass jemand eingreift.

Ohne dass jemand eingreift?

Es standen 22 Personen von der Feuerwehr im Einsatz, fünf von der Berufsfeuerwehr und 17 von der freiwilligen Feuerwehr. Daneben verfügt die Bieler Feuerwehr noch über 17 weitere Personen bei der Berufsfeuerwehr sowie über 60 Freiwillige bei der Pikettkompanie und rund 30 bei der Löschzugkompanie.

Von Ressourcenmangel kann bei weitem nicht die Rede sein. Zudem, so der Bieler Feuerwehrkommandant, sei ein Autobrand innerhalb von zehn Minuten gelöscht. Was hingegen Zeit in Anspruch nehme, sei das Sicherstellen, dass glimmende Stellen nicht wieder Feuer fingen.

Klagen darüber, die Feuerwehr hätte zu lange gebraucht um vor Ort zu sein, sind bis heute keine bekannt. Von «ineffizient reagieren» kann darum auch nicht die Rede sein. Und dass Polizisten oder Anwohner, welche schneller vor Ort waren als die Feuerwehr, selber schon mal zum Feuerlöscher oder Gartenschlauch greifen statt mit den Händen in den Hosentaschen um den Brandherd herumstehen, ist ja wohl auch normal.

Von wegen «zusehen müssen, wie ihr Hab und Gut böswillig zerstört wird»: Um in so kurzer Zeit so viele Brände erfolgreich legen zu können, muss wohl auch irgendeine Form von Brandbeschleuniger im Spiel gewesen sein. Nicht zusehen zu müssen, wie sein Hab und Gut zerstört wird, wäre da nur möglich, wenn eine Person der Feuerwehr mit einem Löschmittel in der Hand gleich neben einem der Fahrzeuge gestanden hätte, wenn es angezündet wird. Das kann ja wohl niemand erwarten – ausser die Bieler SVP…

Ein Thema lancieren, das keines ist

Letztere schreibt weiter:

Die SVP Biel hat vollstes Verständnis dafür, dass sich nicht wenige Bielerinnen und Bieler mit der Idee einer Bürgerwehr anfreunden können. Kann der Staat die Sicherheit der Individuen nicht garantieren, dann sind diese gezwungen selber für sich zu schauen.

Es wurde keine einzige Person verletzt. Zudem wurden auch keine Wohnhäuser beschädigt. Weiter macht zurzeit alles der Anschein, als ob eher Fahrzeuge an Orten ausgewählt wurden, welche in Brand gesteckt nicht Menschenleben gefährden würden. Von nicht mehr garantierter «Sicherheit der Individuen» kann also ebenfalls nicht die Rede sein.

Die Erwähnung, dass «sich nicht wenige Bielerinnen und Bieler mit der Idee einer Bürgerwehr anfreunden können», ist wiederum ein rhetorisches Meisterstück denn: Bürgerwehren sind nämlich kein Thema, dass die Bielerinnen und Bieler wirklich beschäftigt. Aber man setzt mit dieser Erwähnung der Bevölkerung einen ersten Floh ins Ohr. Es wird wohl nicht der Letzte sein.

Tatsache ist aber auch, dass in einer Nacht (von Samstag auf Sonntag), in der man eher länger aufbleibt oder erst zur späten Stunde vom Ausgang heimkehrt, inmitten verschiedener Wohngebiete niemand von einer oder mehreren Brand legenden Personen Notiz nimmt. Das heisst, bevor man gleich mit Bürgerwehren auffahren will, täte man wohl besser daran, die Bevölkerung mehr dafür zu sensibilisieren, wieder etwas häufiger auf sein Umfeld zu achten statt sich immer öfter in seinem privaten Raum abzuschotten…

Und weiter im Text:

Statt die Polizei immer mehr zum Eintreiben von Bussen zu zwingen, sollte der Staat günstige Voraussetzungen schaffen, damit die Polizei in Krisensituationen rasch und angemessen reagieren kann.

Parkbussen werden in der Stadt Biel schon längst durch Securitas-Mitarbeiter verteilt, ebenso wie diese auch an neuralgischen Punkten den Verkehr regeln – damit sich die Polizei auf die heikleren Aufgaben konzentrieren kann.

Wenn es zu mehr Bussen kommt, dann weil mehr Verkehrsteilnehmer zu schnell fahren und von einem Radar geblitzt werden. Das liegt weder an der Polizei noch an den anderen Behörden, sondern an den Verkehrsteilnehmern selbst. Und Radare dienen schliesslich als eine Art erzieherische Massnahme für mehr Verkehrssicherheit. Von einem «Mehr» kann darum erneut nicht die Rede sein.

Politisches Ausschlachten für ein politisches Anliegen?

Nun muss man allerdings noch wissen, dass die SVP Biel eine «Bussen-Initiative» plant:

Die durch Ordnungsbussen eingezogenen Gelder sollen auf einem Sperrkonto deponiert und alle drei Jahre gleichmässig an die in Biel wohnhafte Bevölkerung verteilt werden.

Der administrative Aufwand wäre enorm und verursacht natürlich Kosten. Zudem stellen sich unzählige Abgrenzungsfragen (Bekommen Neuzuzüger auch etwas davon ab? Wie ist das mit Personen, welche wegziehen? Und wie steht es mit Sozialhilfeempfängern? Zählt auch jedes Baby? Muss man diese Einnahmen versteuern?).

Weiter bekämen mit dieser Initiative gebüsste Verkehrssünder wieder etwas von dem Geld zurück, das sie vorher selber zahlen mussten. Und schliesslich scheint man bei der SVP Biel vergessen zu haben, dass die Bussengelder nicht in den Taschen von Polizisten oder Beamten verschwinden, sondern der Allgemeinheit zum Beispiel durch den Bau öffentlicher Einrichtungen wie Schulen wieder zugute kommt.

Im Zuge dieser am 11. August dieses Jahres angekündigten aber noch nicht lancierten Initiative kann man sich darum fragen, ob der jüngste Ruf nach mehr Sicherheitskräften nicht vielmehr dazu dient, eine Verbindung zu dieser Initiative herzustellen, damit sie (einmal mehr) von einer breiten Bevölkerungsschicht wahrgenommen wird.

«Kuscheljustiz» wieder auf der Anklagebank

Die Mitteilung schliesst mit den folgenden, inzwischen ziemlich bekannten und darum auch abgedroschenen Worten:

Was wir brauchen sind mehr Polizeikräfte vor Ort (und somit eine Rückkehr zum System einer Stadtpolizei) sowie ein greifendes Justizsystem statt linker Kuscheljustiz.

Für mehr Polizeikräfte vor Ort würde auch die heutige Berner Einheitspolizei reichen, dafür bräuchte es keine Stadtpolizei. Mehr Polizei bedeutet aber in jedem Fall höhere Kosten. Die heutigen Polizei-Kosten für die Stadt Biel können auch dank Bussengelder gedeckt werden – welche die SVP nun aber gleichmässig an die Bevölkerung verteilen will…

Übrigens, die Justiz, kuschelnd oder nicht, links oder nicht, kann für diese Brandstiftungen nun wirklich gar nichts. Die kommt erst dann zum Zuge, wenn die Täterschaft gefasst ist. Was wir tatsächlich brauchen um solche Ereignisse zu vermeiden, können wir erst dann beurteilen, wenn die Motive der Täterschaft bekannt sind.

Und diese liegen trotz viel Feuer vorerst noch im Dunkeln. Die Zeilen der Bieler SVP sind da auch nicht erhellend, ganz im Gegenteil: Bei derart populistischen Äusserungen herrscht eher «Verdunkelungsgefahr»…

8 Antworten auf „Populisten am Werk“

  1. es sind bald Wahlen …. und populistische Buhrufe sind immer noch einfacher, als eigene Erfloge vorzuweisen. Denn Erfolge sind bei der SVP keine zu sehen, trotz 30% Wahlanteil werden die Probleme bewirtschaftet und aufgeschaukelt, statt gelöst.

  2. warum denn sonst!
    letzthin hörte ich von einer Parteielite, dass, kaum ist ein Politiker in ein Mandat gewählt, hat er das Gefühl, dass er wegen seiner Qualifikation gewählt wurde und sich die meisten nachher arrogant benehmen würden.
    Und ich dachte, die seine halt so geboren … 🙂

    und wie ich letzthin gelesen habe, sind Politiker beleidigt, wenn man sie auf der Strasse nicht erkennt …. und ich meinte immer, ich soll mich möglichst unaufföllig gegenüber diesen Typen benehmen.

    Muss man sich dann wundern, wenn diese typen einen Scheissdrech taugen und nur ihr Eigenwohl im Kopf haben?

  3. Es ist aber auch Fakt, dass sich heute immer weniger (gute und engagierte) Leute in ein Amt wählen lassen. (Beispiel Horriwil, SO, steht seit 30. Juni 2011 ohne Gemeinderat da.)

    Wird im Beruf bereits viel abverlangt (längere Arbeitszeiten, grössere Flexibilität), möchte man sich in der Freizeit nicht auch noch mit trockenen Politgeschäften herumschlagen. (Ich nehme mich da nicht aus.) Durch das breite und individuelle Freizeitangebot verliert der Gemeinschaftssinn an Bedeutung. Früher kannte man das Gemeinderatmitglied vom Turnverein, heute nur noch von Plakatwänden und Flyer im Briefkasten.
    Früher grüsste man sich in der Gemeinde öfters auf der Strasse, sprach sogar ein Problem direkt an. Heute denkt man nur „Ist das nicht dieser …“
    Ok, vielleicht etwas überspitzt, aber schon nicht ganz von der Hand zu weisen, oder?

  4. @ Raffnix / Bobsmile
    Ich werde auf diesen interessanten Punkt nächste Woche antworten – mit einem separaten Beitrag.

  5. @bobsmile

    darum ist es an der Zeit, das Gemeinden so gross werden, dass sich Vollamtstellen lohnen.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.