Hilfe im Wahl-Dschungel (1/3)

Der Wahlkampf ist in vollem Gange. Hilfe für die Wahl bieten inzwischen einige Plattformen im Internet an. Die Wahl, welche Wahl-Hilfe man beanspruchen will, muss man allerdings noch selber treffen.

Eine bunte Zeit ist angebrochen, denn es ist Herbst. Die Blätter der Bäume in den Wäldern verfärben sich. Doch es wird noch bunter, denn es ist auch Wahlherbst. Darum bringt manches Wahlplakat selbst in besiedeltem Gebiet noch mehr Farbe hinein.

Dreiteilige Serie

Bunt zu und her geht es in zwischen auch im Internet. Plattformen, die einem für die kommenden Wahlen helfen wollen, gibt es bald ebenso viele wie es in einigen Kantonen Wahllisten gibt – zumindest könnte man diesen Eindruck gewinnen.

Auch wenn Herr und Frau Schweizer anlässlich von Abstimmungen bei politischen Entscheiden mitwirken können (ausser es gehe um Kampfflugzeuge…), haben Wahlen doch eine höhere Bedeutung. Darum darf, soll und muss es uns Wählenden etwas angehen, was und wer hinter den jeweiligen Plattformen steckt. Sie können mit ihren Angeboten massgeblich Einfluss auf unsere Wahl (im wortwörtlichen Sinne) nehmen.

Manche dieser Plattformen arbeiten mit verschiedenen Massenmedien zusammen. Deshalb wird es – trotz Beteuerung von wegen redaktioneller Unabhängigkeit – von dieser Seite her wohl kaum jemand geben, der einmal mit kritischem Blick etwas genauer hinschaut.

Das muss auch nicht sein, denn erstens gibt es ja noch Blogs 😉 und zweitens sollten die Wählenden diese Plattformen selber beurteilen können. Dieser Beitrag, wie auch die nachfolgenden zwei Beiträge, wollen darum Sie darauf sensibilisieren, genau hinzuschauen und sich nicht bloss von den spielerisch anmutenden Aspekten der jeweiligen Plattform blenden zu lassen.

Dieser erste Teil versucht einen Überblick über die Plattformen zu geben, die darüber Auskunft geben, wie man zu wählen hat. Im zweiten Teil geht es um Wahl-Hilfen zur Frage, wen man wählen soll. Der dritte Teil behandelt schliesslich allgemeine Überlegungen zu diesen Plattformen und stellt zur Diskussion, welches die beste Plattform wäre, wenn es sie denn gäbe…

Wie wählt man?

Wählen ist einfach – wenn man sich mit «vorgestampften», sprich: vorgedruckten Wahllisten zufrieden geben will. Die grösste Schwierigkeit liegt dann nur noch darin, in der richtigen Form den richtigen Zettel in den richtigen Umschlag zu stecken…

Spätestens wer Listen abändern, kumulieren und panaschieren oder die leere Wahlliste verwenden will, gerät in seinem Handeln ins Stocken, schliesslich füllt man häufiger eine Steuererklärung aus als eine Wahlliste…

Genauso wie bei Abstimmungen die Befürworter und Gegner den Abstimmenden inzwischen vormachen, wie sie ihren Stimmzettel auszufüllen haben (siehe Bild rechts), wird es vermutlich auch in nächster Zeit solche vermeintlichen und politisch gefärbten «Wahl-Hilfen» geben.

Online-Plattformen, sofern sie von neutraler Seite her kommen, können darum objektive Schützenhilfe leisten. Nachfolgend ein Überblick, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Die Beurteilung der jeweiligen Plattform ist rein subjektiv. Sie sind eingeladen, diese Beurteilung zu teilen oder über die Kommentarfunktion Ihre eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen.

easyvote.ch

Allgemeine Beschreibung easyvote.ch ist relativ einfach gehalten und besteht im Wesentlichen aus:

  • der Aufforderung, ein Wahlversprechen abzugeben
  • einem Wettbewerb, bei dem es darum geht, möglichst viele Personen zur Teilnahme zu den Wahlen zu gewinnen
  • einfachen Informationen darüber, wie man wählt, womit diese Plattform auch für «ältere Semester» hilfreich sein kann, welche noch nie wählen waren.
Zielpublikum easyvote.ch spricht vor allem Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren an, um sie zur Teilnahme an den kommenden Wahlen zu motivieren.
Trägerschaft Betrieben wird die Plattform vom Dachverband Schweizer Jugendparlamente.
Finanzierung Unter den Partnerorganisationen und (finanziellen) Förderern tauchen kantonale Lotteriefonds, der Bund oder die Betreiber etablierter Online-Plattformen auf.
Vertrauens-würdigkeit Aufgrund der Trägerschaft und der Finanzierung kann easyvote.ch als unverdächtig eingestuft werden, eine Beeinflussung durch bestimmte Interessenverbände oder -vertreter ist ausgeschlossen.
Positiv
  • Der auffordernde Charakter, an den Wahlen teilzunehmen und ein Wahlversprechen abzugeben.
  • Die Schritt-für-Schritt-Anleitung, inklusive bildlichen Beispielen fürs Panaschieren und Kumulieren.
Verbesserungs-würdig
  • Andere zu den Wahlen zu motivieren, weil es dank Wettbewerb etwas zu gewinnen gibt, ist fragwürdig und stellt die Glaubwürdigkeit des eigenen Wahlversprechens («ich gehen wählen, weil…») in Frage. Oder andersrum: Würden andere zu den Wahlen auch dann motiviert, wenn es nichts zu gewinnen gäbe oder zweifelt man an der Überzeugungskraft der eigenen Argumente?
  • Der auf der Website oben dauerhaft eingeblendete Wahlversprechen-Balken ist zu dominant und – weil sich darüber die Haupt- und darunter die Untermenüs befinden – verwirrend.
  • Der Link zum «Personenwettbewerb» auf der Homepage (!) führt in die Not-Found-Wüste.

 

ich-will-waehlen.ch

Allgemeine Beschreibung ich-will-waehlen.ch nutzt primär das Medium Video und ergänzt dies mit einigen schriftlichen, stichwortartigen oder bildlichen Informationen. Die Plattform gliedert sich in die drei Teile

  • Wie wählen?
  • Warum wählen?
  • Parlament
Zielpublikum ich-will-waehlen.ch richtet sich nach eigenen Angaben an Erwachsene mit Leseschwierigkeiten. Aufgrund des Charakters der Website (Videos) dürfte diese aber auch für lesefaule Leute interessant sein.
Trägerschaft Herausgeber ist der Schweizerischer Verband für Weiterbildung
SVEB. Die Inhalte wurden in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Bundeskanzlei sowie dem Zentrum für Demokratie Aarau erarbeitet.
Finanzierung Die Finanzierung erfolgte – wohl wegen des Zielpublikums – durchs Bundesamt für Kultur.
Vertrauens-würdigkeit Aufgrund der Trägerschaft und der Finanzierung kann ich-will-waehlen.ch als unverdächtig eingestuft werden, eine Beeinflussung durch bestimmte Interessenverbände oder -vertreter ist ausgeschlossen.
Positiv Man kann alles, was es für die Wahlen braucht, kaum einfacher auf den Punkt bringen wie auf ich-will-waehlen.ch.
Verbesserungs-würdig
  • Vereinzelt stimmt der Text nicht ganz mit dem gesprochenen Text überein, was verwirren könnte.
  • Die Website ist nicht über ich-will-wählen.ch erreichbar, was für Erwachsene mit Leseschwierigkeit noch eine zusätzliche Hürde bedeuten kann.
  • Das Muster eines Wahlzettels ist zu klein und das Panachieren und Kumulieren wird nicht bildlich gezeigt.

 

ch.ch (Wahlen 2011)

Allgemeine Beschreibung ch.ch ist die «offizielle Schweiz im Internet» und enthält zahlreiche Informationen über die offizielle Schweiz im Allgemeinen. Mit Blick auf die kommenden Wahlen wurden zahlreiche Informationen zu und über die Wahlen zusammengetragen.
Zielpublikum Alle Wahlberechtigten (mit Internet-Anschluss).
Trägerschaft Herausgeberin ist die Schweizerische Bundeskanzlei.
Finanzierung Bund
Vertrauens-würdigkeit Aufgrund der Trägerschaft und der Finanzierung können die Informationen unter ch.ch als unverdächtig eingestuft werden, eine Beeinflussung durch bestimmte Interessenverbände oder -vertreter ist ausgeschlossen.
Positiv
  • Sachlich und informativ, wie man es sich von der Bundeskanzlei gewohnt ist.
  • Einzelne Videosequenzen aus ich-will-waehlen.ch werden eingebunden.
  • Es gibt sogar ein (zusätzliches) Video in Gebärdensprache.
Verbesserungs-würdig
  • Nach Kenntnisnahme von ich-will-waehlen.ch könnte man die Textlastigkeit bemängeln. Aber kann man das Wesentliche in schriftlicher Form mit noch weniger Text auf den Punkt bringen?
  • Es fehlen bildliche Beispiele, wie man panachiert und kumuliert.

 

panachieren.ch

Allgemeine Beschreibung panachieren.ch (nicht zu verwechseln mit panaschieren.ch!) zeigt vor allem bildlich auf, wie man auf vorgedruckten Wahlzetteln streicht, kumuliert und panaschiert.
Zielpublikum Alle Wahlberechtigten (mit Internet-Anschluss), die mit den besagten Techniken Mühe haben und denen bildliche Beispiele bei den anderen Plattformen fehlen.
Trägerschaft panachieren.ch wird von Marc Wäckerlin herausgegeben, selber Zürcher Nationalratskandidat der Piratenpartei.
Finanzierung Keine Angabe (es geht aber auch nur um einige wenige Seiten).
Vertrauens-würdigkeit Dem Schlitzohr Wäckerlin sei verziehen, dass er bei den verwendeten, bildlichen Beispielen den Wahlzettel der eigenen Partei verwendete, beim Streichen die Personen vor ihm strich und das Verwenden einer leeren Liste nicht erklärt wird…
Positiv
  • Es wird (endlich) klar, deutlich und vor allem bildlich dargestellt, wie man streicht, kumuliert und panachiert.
Verbesserungs-würdig
  • Eine fiktive Liste mit fiktiven Namen wäre wünschenswert.
  • Eine Angabe über den Herausgeber fehlt.
  • Angaben zum Ausfüllen einer leeren Liste fehlen.

 

Zu kompliziert

So viele Wahlanleitungen darüber, wie man zu wählen hat, lösen etwas Stirnrunzeln aus. Sie bezwecken aber alle das Gleiche: Geht wählen!

Allerdings: Die unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Kantonen (unterschiedlicher Inhalt der zugestellten Wahlunterlagen, unterschiedliche Anforderungen an die Wählenden, unterschiedliche Öffnungszeiten der Wahllokale usw.) machen es schon schwer, eine gesamtschweizerische Wahlanleitung herauszugeben. Wenn das schon eine Herausforderung ist, dann sollte auch das Wahlverfahren an sich hinterfragt werden.

Einiges davon liegt in der Sache der Natur. Wo nur ein Nationalrat gewählt werden kann, läuft nun einmal die Wahl anders ab.

Doch anderes ist – einmal mehr – auch dem Kantönligeist zuzuschreiben. Man könnte fast meinen, die St. Galler würden am 23. Oktober etwas anderes an der Urne machen als die Neuenburger.

Wenn die Stimmbeteiligung erhöht werden soll, dann braucht es eine Vereinfachung. Diese ist aber erst dann möglich, wenn die Gesetzgebung vereinheitlicht wird. Eine nationale Gesetzgebung für die Nationalratswahlen, 26 Gesetzgebungen für die Ständeratswahlen, 26 Gesetzgebung über die Abwicklung der Wahlen der eidgenössischen Parlamentarier – das kann es doch nicht sein.

Profiteure der heutigen komplizierten Situation sind nicht auszumachen. Es gäbe aber welche, wenn man die Wahlen durch Vereinheitlichung vereinfacht: Jene geschätzten 50 Prozent, welche heute nicht wählen gehen…

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