Seit Monaten vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über Banken, Boni oder Bundesräte im Umfeld der «Banken- und Finanzkrise» berichtet, geschrieben oder diskutiert wird. Mag man kaum mehr hinhören und wünscht sich andere Zeiten herbei. Das ist durchaus verständlich, denn wirklich Neues oder Bewegendes hört man kaum. Vielmehr wird die Perspektive verändert und beleuchtet dadurch das, was man ohnehin schon weiss von allen möglichen Seiten – ohne wirklich in die Tiefe vorzudringen.
Über die Oberflächlichkeit, mit welcher diese Themen bisher behandelt wurden, darf man sich deshalb durchaus die Augen reiben. Was damit gemeint ist, sollen die nachfolgenden Zeilen verdeutlichen.
Banken
Der Verband schweizerischer Kantonalbanken schreibt zu seinen aktuellen TV-Spots Folgendes:
«Jeder der Spots blendet ein paar Jahre zurück und zeigt, wie Kinder ihr erstes Geld verdienen und zur Kantonalbank in ihrer Nähe bringen. Es sind Erinnerungen, wie sie alle in irgendeiner Form kennen. Dann folgt ein Zeitsprung. Die Kinder sind erwachsen. Vieles hat sich verändert, einiges nicht.»
In der Tat hat sich vieles verändert, einiges nicht. Und niemand stellt die Veränderungen in Frage, schon gar nicht jene bei den Banken. Das heutige Bankensystem hat es zwar ermöglicht, dass die gesamte Weltwirtschaft ins Wanken gerät. Es aber einmal grundsätzlich in Frage zu stellen scheint immer noch ein Tabu oder nicht von «öffentlichem Interesse» zu sein.
Unverändert geblieben ist der Anspruch der Banken, in sie Vertrauen haben zu müssen und dies möglichst ein Leben lang. Ein schwieriges Unterfangen für die Kunden, zumal die von der Nationalbank übernommenen «Ramschpapiere» der Beweis dafür sind, dass man bei einer UBS bisher nicht langfristig denken konnte – oder wollte.
Plakative Anspielung
der Valiant Bank
auf die Grossbanken |
|
Unverändert ist auch, dass Banken ihren Gewinn grundsätzlich damit erzielen, Geld teurer auszuleihen als sie selber dafür bezahlen müssen. Doch das ist schon längst nicht mehr die einzige Einnahmequelle: Wurden früher die Kosten mittels Zinsdifferenz zwischen ausgeliehenem und verliehenem Geld gedeckt, kassiert man heute dafür Spesen ein.
Unverfroren integrieren Banken ihre Spesenpolitik sogar in ihr Werbematerial und in ihre Werbung. So scheut man sich auch nicht, die Nutzung von e-banking grosszügig als «kostenlos» auszuweisen.
Doch – wir erinnern uns: Kostenlos war seinerzeit auch die EC-Karte (heute: Maestro-Karte). Obwohl die Abbuchung eines Geldbezuges auch heute noch vollautomatisch abläuft wie zu Zeiten der kostenlosen EC-Karte, gibt es kaum mehr eine Bank, welche für diese Plastikkarte nicht mindestens zwanzig Franken verlangt und wenn doch, dann nur unter gewissen Bedinungen.
Wenn es die Banken ernst meinem, in sie ein Leben lang Vertrauen haben zu können, dann wäre es ein flotter Zug, wenn diese auch Versprechen auf ein Leben lang abgeben würden. Aufgrund der bisherigen Bankspesen-Entwicklung dürfte es allerdings unwahrscheinlich sein, dass einem heute eine Bank ein Leben lang kostenloses e-banking verspricht…
Verändert hat sich bei den Banken auch die Klientel beim Börsenhandel. Wo früher Börsengeschäfte einer privilegierten Oberschicht vorenthalten waren, kann heute jede und jeder per Mausklick mitmischen. Das wäre weiter nicht schlimm, wäre die Motivation für einen Aktienkauf immer noch die gleiche: Früher erhoffte man sich, die Dividende würde eine höhere Rendite abwerfen als der gängige Zins auf der Bank während des gleichen Zeitraums. Der Kauf von Aktien wurde ausschliesslich als Investition betrachtet; längerfristig sollte das in Aktien angelegte Kapital mehr wert sein.
Heute spekuliert man auf einen schnellen Kursanstieg der jeweiligen Aktie, um diese dann teurer verkaufen zu können als man selber beim Kauf zahlen musste. Wer in den vergangenen Wochen UBS-Aktien kaufte, verschwendete keinen einzigen Gedanken an die Dividende und weiss schon gar nicht, wie hoch diese bei der letzten Ausschüttung war. Im Vordergrund steht vielmehr die Hoffnung, die Aktie möge in wenigen Monaten (auch dank der staatlichen «Non-Grounding-Garantie») das x-fache wert sein.
Bei diesem JeKaMi verwundert es denn auch nicht, wenn die Aktienmärkte in den vergangenen Jahren immer nervöser reagierten. Wer auf einen schnellen Gewinn aus ist, verkauft seine Wertpapiere schon dann, wenn das Gerücht kursiert, der CEO des Unternehmens X hätte sich einen Schnupfen geholt. Sicher ist dabei vor allem eines: Der Aktienkurs selber sagt heute definitiv nichts mehr über den eigentlichen Wert eines Unternehmens aus!
Als dritter und letzter Punkt über die Veränderungen im Bankenwesen sei auch das Geschäft mit Kleinkrediten erwähnt. Selbst der Post scheint dieses Geschäft lukrativ genug zu sein, um auch in diesem Bereich aktiv werden zu wollen.
Das hat zweifellos auch mit dem veränderten Konsumverhalten unserer Gesellschaft zu tun: Leistete man sich früher dann etwas, wenn man dafür die Batzen zusammengespart hatte, eröffnet man heute einen Kleinkredit oder unterschreibt einen Leasing-Vertrag. Ein Leben auf Pump ist «trendy». Schliesslich lebt ja nur James Bond zweimal. Dass man unter dem Strich (in diesem Leben) bedeutend mehr für eine Sache zahlt, daran denkt kaum jemand. Man möchte die Sache schliesslich sofort, denn in zwölf Monaten ist sie nicht mehr «hip».
|
Schaufenster-Werbung der Migros Bank für Privatkredite zu «bescheidenen 8,5 %» |
Spesen, Börsengeschäfte und Kleinkredite sind nur drei Beispiele über die Veränderungen der letzten Jahre im Bankensektor. Die Bankenkrise sollte Anlass dafür sein, das Geschäft mit dem Geld grundsätzlich zu hinterfragen – statt nur über Extremfälle von Managerlöhnen, Boni und Bankkundengeheimnis zu reden.
Boni
Im Zentrum der Diskussion um die Boni stand bisher deren Höhe bei den Banken. Die Höhe des Gehalts von Dr. Dr. h. c. Daniel Vasella, VR-Präsident und CEO des Chemie-Riesen Novartis, welches an der letzten Generalversammlung zur Sprache kam, war eher ein «Nebengeräusch». Ähnliches kann man auch nur schon von der Höhe der Fixlöhne bei den Banken sagen.
Der Bonus als Anreiz in unserem marktwirtschaftlichen System wird an dieser Stelle nicht in Frage gestellt. Nur: Was ist ein «vernünftiger» Bonus und vor allem – was ist ein «gesundes» (Gesamt-)Salär? Bisher kursierten 500’000 Euro in Deutschland resp. 500’000 US Dollar in den USA. Diese Zahlen beziehen sich jedoch aufs gesamte Jahresgehalt und nicht nur bloss aufs Basissalär oder auf den Bonus.
Wie begründen sich diese jeweils 500’000?
In beiden Fällen scheint diese Zahl frei aus der Luft gegriffen worden zu sein. Genauso gut kann man somit die Frage nach der Höhe sämtlicher Saläre stellen. Was rechtfertigt die zum Teil grossen Unterschiede zwischen den Branchen und Tätigkeiten? Von Gesetzes wegen arbeiten in der Schweiz nämlich alle etwa gleich lang und unterstehen mindestens bis zum mittleren Kader den gleichen arbeitsrechtlichen Regeln (wer nach freiem Ermessen Personal einstellen und Budgets festlegen kann, gilt als Arbeitgeber, untersteht nicht mehr dem Arbeitsrecht und ist dem oberen Kader zuzuordnen).
Dazu ein provokatives Beispiel: Welcher Manager des mittleren Kaders aus dem Dienstleistungssektor könnte ein Tier töten, es ausnehmen, zerlegen, dies unter Einhaltung sämtlicher Hygiene-Vorschriften, von welchen das Leben zahlreicher Konsumenten abhängig ist und wäre dazu noch bereit, auch samstags zu arbeiten? Wenn es der fragliche Manager nicht kann (und davon ist auszugehen), weshalb erhält er dann ein bedeutend höheres Salär als der Metzger?
Das Kriterium «Verantwortung» kann es nicht sein. Manager, die nicht mehr «genehm» sind, nehmen einfach ihren Hut und dies ohne wirklich zur Verantwortung gezogen zu werden. Sollte dieses Kriterium jedoch trotzdem gelten, müssten diese Führungskräfte als logische Folge einen Teil ihres Salärs zurückgeben, falls sie zur «Abdankung» gezwungen wären.
Auch das Kriterium «Ausbildung» kann nicht Salär-bestimmend sein. Wer eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, der hat nur den Beweis erbracht, dass er über die theoretischen Kenntnisse verfügt. Ob er oder sie diese in der Praxis auch umzusetzen weiss und was für zusätzliche Eigenschaften diese Person ansonsten noch mit sich bringen muss, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Ein Diplom sollte daher nicht de facto ein Garant für ein hohes Gehalt sein.
Was bestimmt also sonst die Höhe unserer Gehälter? Die Diskussion dazu hat bisweilen weder in den Medien noch in der breiten Öffentlichkeit stattgefunden.
Bundesräte
Unsere Landesregierung reagiert und funktioniert noch immer wie anno 1848, als militärische Angriffe wahrscheinlicher waren als verbale Attacken aus dem Ausland. Damals gab es ja wohl auch den Begriff der Eigendynamik noch nicht und die Berichterstattung der Zeitungen war ohnehin immer um einige Tage verspätet.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Indem man die Medienkonferenzen des Bundesrats ungefiltert und vollständig via Internet zugänglich macht, kompensiert man die langsame Funktionsweise der Landesregierung allerdings nicht.
Gewiss – übereiltes, hastiges Handeln will niemand. Doch wer zuerst wartet, bis das Gewitter über einem hereinbricht, sieht sich gerade dann zu einem solchen Handeln gezwungen. Und nun vor sich hinschmollen, weil man vor dem «erstinstanzlichen Gericht» im Oktober 2008 in Paris mit Abwesenheit glänzte und deshalb Bedingungen fürs anstehende «Berufungsverfahren» im Juni in Berlin stellen will, bringt das Land auch nicht wirklich weiter.
Fehlt es dem Bundesrat an den entsprechenden Wettervorhersagen oder nur am Handlungswillen? Oder ist er einfach nur schlecht darüber beraten, wie man bei nicht-materiellen Katastrophen vorzugehen hat? In der Arena-Sendung vom 17. April 2009 zum Thema «Schwacher Bundesrat» wurde auf jeden Fall nur deutlich, dass die SVP die Abwahl von Christoph Blocher noch immer nicht verarbeitet hat, nicht aber, was in unserer Regierung und in unserem Regierungssystem anders laufen müsste.
Eines ist jedoch gewiss und seit 1848 unverändert: Gouverner, c’est prévoir! Ce n’est pas de faire la moue à M. Steinbrück…