Der Faktenverdrehungwahrnehmungsindex (FVWI)

Gewisse Zahlen und Fakten werden jährlich veröffentlicht. Dennoch werden sie im gleichen Rhythmus verdreht dargestellt. Das jüngste Beispiel ist der Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International.

Alljährlich werden die Zahlen der polizeilichen Kriminalitätsstatistik für bare Münze bezüglich Kriminalität genommen. In den Medien heisst es dann jeweils als «Schlussfolgerung», die Kriminalität im Bereich X oder Y hätte zugenommen.

Dass es sich dabei «nur» um die Anzahl Verzeigungen handelt, für wie viele davon ein Strafverfahren eröffnet wird und in wie vielen Fällen es dann auch tatsächlich zu einer Verurteilung kommt (also die Schuld quasi per Gerichtsurteil nachgewiesen wird), bleibt unerwähnt. Zudem geht dabei auch häufig vergessen, dass viele Delikte gar nicht erst angezeigt werden, die Rede ist hier von der berühmten «Dunkelziffer».

Unterschiede zwischen wahrnehmen und wahr sein

Vorgestern Mittwoch publizierte Transparency International ihren Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index CPI). Zur Methodologie kann man unter anderem nachlesen:

Der CPI 2012 bewertet und reiht Länder weltweit auf einer Skala von 0 (sehr korrupt) bis 100 (sehr integer) nach der im öffentlichen Sektor wahrgenommenen Korruption. Der CPI 2012 ist ein zusammengesetzter Index, der korruptionsrelevante Fragen aus einer Reihe von verschiedenen Datenquellen verwendet, die die Sicht verschiedener Experten auf Korruption erfassen.

Genauso wie es einen Unterschied gibt zwischen der Anzahl Verzeigungen und der tatsächlichen Kriminalität, die nicht zuletzt wegen der Dunkelziffer niemand genau kennen kann, gibt es auch bei der Korruption einen Unterschied zwischen der wahrgenommenen und der tatsächlichen Korruption.

Es liegt in der Sache der Natur, dass Korruption in irgendwelchen Hinterzimmern und sicher nicht vor laufenden Kameras stattfindet. Wir können darum die tatsächliche Korruption gar nicht kennen.

Die so genannt «wahrgenommene Korruption» gemäss Transparency International ist eine komplexe Mischung aus maximal 13 Datenquellen (fürs 2012), im Falle der Schweiz sind es deren sechs. Da wird zum Beispiel eine Umfrage des WEF bei den CEO‘s aus 140 Ländern berücksichtigt. Das heisst, die WEF-Umfrage deckt schon einmal nicht alle Länder der Erde ab (und je weniger CEO’s eines Landes geantwortet haben, umso ungenauer ist das Resultat). Darum kann die Anzahl Datenquellen auch pro Land variieren.

Dementsprechend ist der Ländervergleich mit Vorsicht zu betrachten. Barbados liegt beispielsweise beim Länder-Ranking auf dem vermeintlich guten Platz 15 und damit noch vor Belgien oder Frankreich. Doch für Barbados lagen nur drei Datenquellen vor, für Belgien waren es sieben und für Frankreich sogar acht.

Bei der WEF-Umfrage – um bei diesem Beispiel zu bleiben – werden die CEO‘s darum gefragt, wie sie ihr Land bezüglich Schwarzgeldzahlungen für den Import oder Export von Waren, für die Vergabe von Aufträge der öffentlichen Hand an Private, für die Bestechung der Justiz usw. einschätzen.

Dies verdeutlicht, dass dieser Index eben keine Einstufung nach streng wissenschaftlichen Kriterien ist, sondern das, wonach er genannt wird: ein Wahrnehmungsindex, also eine Art Beurteilung «aus dem Bauch heraus» durch einige ausgewählte «Experten».

Das wichtigste Wort ging vergessen

Dennoch: Das Wörtchen «Wahrnehmung» blieb in diesem Jahr – wie übrigens auch in den Jahren zuvor – in den Medien komplett auf der Strecke. Gemäss NZZ sei «Griechenland so korrupt wie Kolumbien». 20 Minuten schreibt, «Griechenland ist der korrupteste Staat Europas», währenddem Griechenland beim Schweizer Fernsehen «das korrupteste Land Europas» ist.

Der Tages-Anzeiger und der Blick setzen im Titel den Fokus auf die Schweiz. «Die Schweizer gehören weltweit zu den Unbestechlichsten», meint etwa der Tagi. Und beim Blick «erhält die Schweizer Verwaltung gute Noten in Sachen Anti-Korruption».

Transparency International schafft mit einem Index Fakten. Den Index als Tatsache zu sehen, ist richtig, die damit ausgedrückten Wahrnehmungen aber als Tatsachen darzustellen, ist nun einmal falsch. Oder herrscht hierzulande im politischen Umfeld immer Transparenz? Eben.

Vielleicht wäre ein Faktenverdrehungwahrnehmungsindex keine so schlechte Idee. Darin fänden sich bestimmt auch Schweizer Nachrichtenagenturen, Medien und Parteien wieder. Und ganz zuoberst stünden natürlich Grimms Märchenbücher und das Sandmännchen… 😉

Eine Antwort auf „Der Faktenverdrehungwahrnehmungsindex (FVWI)“

  1. Richtig ist nach wie vor das Sprichwort: ” Traue nur derjenigen Statistik, die du selbst gefälscht hast”.

    Wenn man mal weiss, wie man die Statistik aufbaut, um gut dazustehen, ist das verbreiten von Unwahrheiten ein Kinderspiel. Darum steht kaum irgendwo, wer der Ersteller ist und welche Daten verwendet wurden. Einfachstes Beispiel war die Pannenstatistik der Autos. Irgendwer hat dann herausgefunden, dass die Pannen der ersten drei Jahre nicht berücksichtigt wurden, um gewisse Marken nicht allzu schlecht aussehen zu lassen.
    Bei der Korruption hilft die Statistik, Massnahmen zu treffen, die wieder 10 Jahre unentdeckt bleiben.
    Und für gewisse Länder ist ein schlechter Platz in der Korruptionsstatistik geradezu Werbung …… da kann man doch allerlei erreichen, was anderswo nicht geht, geld verstecken, Waffen handeln usw.
    Das ist ja allen bekannt, und niemanden interessierts!

    Das scheint halt schwieriger zu sein ….

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