Den Seinen gibt‘s der VR im Schlaf

Die Lonza-Gruppe macht wieder einmal deutlich: Wahre Opfer erbringen die normalen Mitarbeitenden. Das Management erhöht sich derweil die eigenen Gehälter. Ob deswegen bald jemand aufmuckt?

Noch heute erinnert der Firmenname an die schweizerische Herkunft: Die Lonza-Gruppe wurde nach der durchs Lötschental fliessenden Lonza benannt. Letztere spielte in der Entwicklung der im Bereich Life Science tätigen Gruppe eine grosse Bedeutung, lieferte sie doch den notwendigen Strom für die Herstellung der ersten Produkte.

Eine clevere Schweinerei

Heute liegt der Konzernsitz in Basel, ursprünglich wohl auch um näher an der Basler Chemie und damit an einigen wichtigen Kunden zu sein. In einer zunehmend globalisierten Welt, in welcher auch die Lonza-Gruppe eifrig mitmischt, dürfte dieser geografische Standort allerdings kaum mehr eine grosse Rolle spielen.

Ganz anders sieht es hingegen aus, wenn es ums Geld geht. Mit Konzern- und einem wichtigen Produktionsstandort in der Schweiz wird vieles in Schweizer Franken abgewickelt. Und Letzterer ist zurzeit besonders stark gegenüber anderen Währungen.

Er sei so stark, dass deswegen mit einem «negativen Währungseinfluss von rund 60 bis 70 Mio CHF» zu rechnen sein, meint Lonza in ihrer gestrigen Medienmitteilung. Darum sollen die 34 Prozent in der Schweiz angestellten Mitarbeitenden ab heute und für die nächsten 18 Monate 43 statt «nur» 41 Stunden pro Woche arbeiten.

Das ist einerseits clever und andererseits – mit Verlaub – eine Schweinerei!

Es ist darum eine Schweinerei, weil dadurch negative Währungsschwankungen auf die Mitarbeiter übertragen werden. Solche Schwankungen gehören zum üblichen Risiko eines Unternehmens, welches einmal davon profitiert – und ein anderes Mal darunter leidet.

Die Lonza-Gruppe erzielte übrigens im vergangenen Jahr trotz einem etwas kleineren Umsatz einen Reingewinn von 284 Millionen Schweizer Franken, was einem höheren Gewinn gegenüber dem Vorjahr entspricht. Der «negative Währungseinfluss von rund 60 bis 70 Mio CHF» ist somit nicht lebensbedrohlich, sondern schmälert höchstens den Gewinn.

Schöngeistige Worte

«Im Einklang mit unserer Verpflichtung, unsere ethische und gesellschaftliche Verantwortung sowie unsere Verantwortung gegenüber der Umwelt wahrzunehmen, betrachten wir Fairness im Umgang mit unseren Mitarbeitenden als zentralen Wert. Dieser Verhaltenskodex bildet die Grundlage, gegenseitige Vertrauensbeziehungen zu schaffen und zu pflegen. Dies ist ausschlaggebend für unseren unternehmerischen Erfolg.»

Die Aussage oben stammt aus dem «Lonza-Verhaltenskodex». Dieser sei Teil der Anstellungsbedingungen aller Gesellschaften von Lonza. Zudem «besteht der Verwaltungsrat auf der vollständigen Umsetzung dieses Verhaltenskodexes».

Auf die vollständige Umsetzung dieses Verhaltenskodexes zu bestehen würde im konkreten Fall bedeuten, die Mitarbeitenden auch an Währungsgewinnen zu beteiligen – bitte dann auch für die Dauer von 18 Monaten…

Geschieht dies nicht, kann wohl kaum von «Fairness im Umgang mit den Mitarbeitenden» gesprochen werden. Verwaltungsrat und Geschäftsleitung sabotieren ihren eigenen Verhaltenskodex, der in Papierform höchstens noch zur Reinigung der werten Hinterteile in den Toiletten auf den Teppichetagen zu gebrauchen ist.

Sollte die nächste Generalversammlung noch die Ausschüttung einer Dividenden an die Aktionäre beschliessen, dürfte spätestens dieses Verhalten die Glaubwürdigkeit der Arbeitnehmenden in den Verwaltungsrat, die Geschäftsleitung und die Aktionäre komplett erschüttern.

Das schlägt auf die Motivation und die Innovationskraft der Mitarbeitenden und lässt einige (auch gute) Mitarbeitende abspringen. Letzten Endes bezahlt Lonza einen viel höheren Preis als die fraglichen 60 bis 70 Millionen Franken…

Grund fürs Anzweifeln der Glaubwürdigkeit von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung hätten die Mitarbeitenden schon heute. Nach den vor rund einer Woche kommunizierten Angaben von Travail.Suisse, der Dachorganisation der Arbeitnehmenden, öffnete sich auch bei Lonza im letzten Jahr die Lohnschere weiter.

Mehr Lohn für die Einen, mehr Arbeit für die Anderen

So stieg Stefan Borgas, CEO von Lonza, in der Rangliste von Travail.Suisse auf Platz 15 auf, da er im 2010 47-mal mehr verdiente (oder insgesamt 2,526 Millionen Franken) als die Mitarbeitenden mit dem tiefsten Lohn (auf CHF 54‘000 geschätzt, da keine konkrete Angabe erhalten).

Für alle Geschäftsleitungsmitglieder stiegen die Entschädigungen gegenüber dem Vorjahr um 12 Prozent an (auf insgesamt 7,695 Millionen), für alle Mitglieder des Verwaltungsrats betrug der Anstieg 13 Prozent (auf insgesamt 2,502 Millionen). Dies geschah, obwohl im Brief an die Aktionäre zum Geschäftsjahr und im Geschäftsbericht 2010 bereits vom teuren Schweizer Franken die Rede war.

Die nun beschlossene Arbeitszeiterhöhung um zwei Stunden (oder knapp fünf Prozent) hat aber gerade in Bezug auf die Gehälter der obersten Führungsriege auch etwas Cleveres, denn: Weder die Geschäftsleitung noch der Verwaltungsrat müssen eine Einbusse in Kauf nehmen.

VR-Präsident Rolf Soiron (links) und CEO Stefan Borgas haben gut lachen: Sie erbringen kein Opfer.

 

Die Anzahl Sitzungen des Verwaltungsrats lassen sich wohl auch weiterhin an höchstens zwei Händen abzählen. Und selbst wenn diese pro Sitzung zwei Stunden länger dauern würden, dürfte das keinen Einfluss auf ihr Einkommen haben.

Die Geschäftsleitungsmitglieder dürften bereits heute schon länger als 41 beziehungsweise 43 Stunden arbeiten und können diese «Überstunden» nicht geltend machen, da für sie als Geschäftsleitungsmitglieder arbeitsrechtlich andere Regeln gelten. Sie werden sich deshalb in Zukunft lediglich zwei Stunden weniger ans Bein streichen können.

Es wird somit nur ein Opfer von den einfachen Mitarbeitenden verlangt. Mit gutem Beispiel voran, das gilt bei den Verantwortlichen von Lonza nicht. Dabei steht im Lonza-Verhaltenskodex unter «Gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens»:

«Alle Mitarbeitenden sind verpflichtet, sich an die Gesetze zu halten und sich an höchsten ethischen Standards zu orientieren.»

Auch wenn es aus dieser Aussage nicht deutlich hervortritt: Ein Kollektivarbeitsvertrag ist eine Form eines selbst geschaffenen Gesetzes. Dieser Kollektivarbeitsvertrag regelt auch die maximale wöchentliche Arbeitszeit, welche bei 41 Stunden liegt – und nun nicht mehr gilt. Damit hält sich Lonza nicht an den mit den Sozialpartnern vereinbarten Vertrag.

Schliesslich geht beim Jammern über den hohen Schweizer Franken immer wieder auch vergessen, dass im Gegenzug die selten in Schweizer Franken abgewickelten Einkäufe von Rohstoffen günstiger werden. Für den Schweizer Markt (knapp 13 Prozent) sollten die Preise fairerweise sinken, was insbesondere im Hochpreisland Schweiz wünschbar wäre (so von wegen gesellschaftlicher Verantwortung…).

Vielleicht hätte die Lonza-Gruppe besser darauf verzichtet, ihren Verhaltenskodex zu drucken und hätte stattdessen das dafür verwendete Geld eher aufs Konto «Währungsschwankungen» verbucht…

3 Antworten auf „Den Seinen gibt‘s der VR im Schlaf“

  1. gibt es eine andere Firma. in der die Verhältnisse besser sind?

    Wie man heutzutage Dinge durchsetzt, sieht man in Tunesien, Agypten, Libyen. Das sollte sich unsere Oberen merken.

  2. @ Raffnix
    Ich fürchte, es läuft andernorts auch nicht besser. Solche Verhaltenskodexe werden erstens häufig bei einer Schönwetterlage verfasst und zweitens um die Öffentlichkeit und die „unteren Ränge“ glauben zu lassen, dass das Management auch ein Gewissen habe.

    Wenn die Mitarbeitenden nicht nach diesem Kodex „tanzen“, tippt das Management eifrig mit dem Finger auf den Kodex. Wenn es umgekehrt läuft, können die Mitarbeitenden kaum etwas machen, denn die Machtverhältnisse sind klar. Ihnen bleibt nur der Aufstand…

    …und damit wären wir bei Tunesien & Co. Es ist immer wieder schade, wenn es zuerst zum Aufstand kommen muss, bis sich etwas verändert. Das geschieht übrigens nur da, wo keine demokratischen Prinzipien angewandt werden – was auch in einem Unternehmen der Fall ist…

  3. In der Praxis läuft das so: Wird ein Manager bestochen oder schmiert andere, und wird das zufälligerweise aufgedeckt, dann kann das Fussvolk dieser Firma darauf wetten, einen compliance-Kurs besuchen zu müssen. Selbst erlebt.

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