Gold ist wertlos

Wir bräuchten schon lange eine Werte-Debatte, denken dabei aber häufig nur an ideelle Werte. Und wie sieht es in Zeiten der Banken-, Finanz- und Währungskrisen mit einer Werte-Debatte über materielle Werte aus?

Mal eine indiskrete Frage: Sind Sie eigentlich gläubig? Glauben Sie an irgendeine Gottheit oder an etwas anderes?

Die grösste Glaubensgemeinschaft

Sagen Sie jetzt bloss nicht Nein! Wir alle sind Teil einer einzigen, grossen Glaubensgemeinschaft, die weit mehr Gläubige hat als Christentum, Judentum und Islam zusammen.

Mit wohl nur wenigen Ausnahmen glauben wir nämlich alle daran, dass «etwas» einen Wert hat und wir für dieses «Etwas» zu einem späteren Zeitpunkt wieder einen zumeist materiellen Gegenwert erhalten.

Dieses «Etwas» nennt sich häufig «Geld», ausgedrückt in Form von runden, gestanzten Metallstückchen und bedrucktem Papier – für diejenigen, welche gerne etwas Physisches in den Händen halten.

Gängiger drückt sich Geld heutzutage jedoch in Form einer bei einem Finanzinstitut digital vorhandenen Zahl aus. Digitale Zahlen können nämlich leichter von einem Besitzer zu einem anderen verschoben werden, zum Beispiel vom Arbeitgeber zum Arbeitnehmer.

Manchmal trägt dieses «Etwas» auch den Namen eines Edelmetalls wie etwa «Gold» oder «Silber» oder einer sonst in der Natur selten vorkommenden Sache wie etwa «Diamanten». Zunehmend trägt das «Etwas» auch den Namen «Kunstwerk», einer von Menschenhand geschaffenen und ebenfalls selten vorkommenden Sache.

Der Gegenwert, den man für Geld, Edelmetalle und ähnliche «wertvolle» Dinge erhält, entspricht häufig einer materiellen Sache wie Nahrung, Kleidung, Immobilien usw. Denkbar ist auch ein Abtausch zwischen diesen Wert-Ausdrucksformen, also dass zum Beispiel mit Geld ein Diamant gekauft wird oder dass Gold verkauft wird, um dafür Geld zu erhalten.

Wie viel Wert eine Sache zum aktuellen Zeitpunkt hat, also wie viel Geld dafür aufgewendet werden muss, bestimmen Angebot und Nachfrage. So steht es zumindest in den Lehrbüchern. Das ist zwar nicht falsch, greift aber dennoch etwas kurz, denn es lässt in den meisten Fällen die wahren Gründe für die Nachfrage aus.

Glaubt man den gleichen Lehrbüchern, die besagen, dass Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen würden, so liegen diese Nachfrage-Gründe bei einem Bedürfnis. Das greift wiederum nur sehr kurz. Tatsächlich ist es in vielen Fällen erneut ein Glaube, nämlich der Glaube daran, eine bestimmte Sache haben zu müssen.

Sie glauben beispielsweise daran, ein Handy haben zu müssen. Sie können dieses vielleicht gelegentlich ausschalten oder auf eine Sprachbox umleiten. Aber ein Leben ganz ohne mobiles Telefon? Unmöglich!

Dabei gibt es wohl nur sehr wenige rationelle Gründe, die dafür sprechen, dass Sie quasi immer und überall telefonisch erreichbar sind oder dass Sie immer und jederzeit Anrufe tätigen können.

Der Wert liegt im Glauben

Dieser Glaube an das, was wir für nötig halten, steuert die Nachfrage und damit den Preis. Es ist ein komplexer Glaube, denn er verändert sich fortlaufend.

Einer der Gründe, weshalb wir etwas für nötig – oder nicht mehr für nötig halten, liegt in der Menge der verfügbaren Wert-Ausdruckformen, also beispielsweise in der Menge an Geld. Haben wir viel davon, wird einiges plötzlich «nötiger», haben wir nur wenig davon, können (oder müssen) wir auf das verzichten, von dem einige glauben, es wäre notwendig.

Das heisst, die Menge jener Sache, von der wir glauben, sie hätte einen Wert (wie beispielsweise Geld), bestimmt darüber, was wir glauben für nötig zu halten und kaufen zu müssen. Das ist eine wackelige Angelegenheit, denn da baut ein Glaube auf dem anderen auf…

Gewiss: Ein Teil des Geldes ist ja mit «wertvollem» Gold gedeckt. Doch es ist wiederum der Glaube daran, dass das Edelmetall Gold einen Wert hätte, der uns glauben lässt, mit Gold könne man Geld decken. Gold stillt keinen Hunger, macht die Böden nicht fruchtbarer und gibt keinen Schutz vor der Witterung.

Gold, wie auch Geld oder all die anderen «wertvollen» Dinge sind allesamt wertlos. Was diesen Dingen Wert verleiht, die nicht einmal Grundbedürfnisse abzudecken vermögen, ist der Glaube daran, sie hätten einen Wert. Der Glaube hat Wert, nicht die Sache selbst.

Das widerspiegelt sich an vielen Orten im Alltag. In unzählige Dinge projizieren wir einen Wert hinein, wo es keinen Wert gibt oder wo der wahre Wert anderswo liegt. Nur der Glaube daran, eine Sache hätte einen Wert, verleiht dieser einen Wert.

Warum hat eine Immobilie mehr wert als die Summe aller verwendeten Baustoffe? Wie kann eine Immobilie unter Umständen schon kurz nach dem Bau weniger wert sein als die Summe aller verwendeten Baustoffe?

Wieso hat für uns Altmetall keinen Wert mehr, aber für den Alteisen-Händler? Wieso haben elektronische Geräte wie Handys oder Computer für uns keinen Wert mehr, obwohl sie häufig sogar Edelmetalle enthalten, die andernorts ausgebaut werden?

Wie können die gehandelten Aktien eines Unternehmens weniger Wert haben als die Immobilien und das Warenlager dieses Unternehmens? Und warum flüchten so viele Anleger zum Schweizer Franken?

Schildbürger-Niveau?

Damit wären wir in der Banken- und Finanzwelt angelangt. Gelegentlich wird in diesen Tagen und Wochen mit Bezug auf diese Welt von einer Vertrauenskrise gesprochen. Vertrauen bedeutet auch, einander zu glauben.

Es ist eine Glaubenskrise, nicht eine Finanzkrise. Man glaubt nicht mehr – oder immer weniger – dass eine Sache, von der man früher glaubte, sie hätte einen Wert, nun noch einen Wert hätte. Ist der Glaube weg, ist der Wert weg, denn – siehe oben – der Wert lag bisher im Glauben, nicht in der Sache selbst.

Irgendwie kommt einem das vor wie die Schildbürger. Die glaubten auch, sie könnten Sonnenlicht in Eimern einfangen und ins Rathaus tragen. Funktioniert hat das natürlich nicht.

Aber sind wir besser? Funktioniert denn unser Weg, mittels Glaube einer Sache einen Wert zu verleihen? Wenn man Sonnenlicht nicht einfangen kann, kann man denn den Wert materieller Dinge einfangen?

7 Antworten auf „Gold ist wertlos“

  1. Jede Gesellschaft beruht auf einem Wertekonsenz. Wenn dieser keiner mehr ist, bricht die Gesellschaft auseinander. Daher braucht jede Gesellschaft einen Wertekonsenz. Aber sind eigentlich Werte?

    Der Wert des Geldes entsteht erst durch den Glauben an diesen Wert. Deshalb ist es wohl auch nicht erstaunlich, dass viele Begriffe der Finanzwelt (Kredit, Schuldner, Gläubiger, …) aus der Religion entlehnt sind bzw. übernommen wurden. Der Glaube an unser Finanzsystem wurde durch die nun schon seit über drei Jahren anhaltende Krise erschüttert und deshalb zweifeln immer mehr Menschen an ihrem Glauben an den Mammon. Das hat vor allem damit zu tun, dass wir ein zinspflichtiges Schuldgeldsystem haben, das ein Schneeballsystem ist.

    Mit Deinen Beobachtungen zu Geld und Glauben liegst Du zwar richtig, aber ich denke nicht, dass das Problem darin liegt, dass wir einer Sache einen Wert beimessen, den es physisch eigentlich gar nicht hat. Auch ein Finanzsystem braucht eine starke Verankerung der „Wirtschaftssubjekte“ in einem gemeinsamen Glauben an den Wert des Geldes. Das Problem liegt doch vielmehr daran, dass unser System ein pathologisches ist, dass gerade daran ist, zu kollabieren.

  2. @ LD
    Die Absicht hinter dem Beitrag oben liegt weniger im Benennen der Probleme/Ursachen der aktuellen Krisen (da sind sich selbst die Experten uneins) oder gar möglicher Lösungen, sondern vielmehr im Aufzeigen der Relativität dessen, was Wert hat – oder von dem wir eben glauben, es hätte einen Wert.

    Er soll auch zum Nachdenken darüber anregen, ob unser Glaube an den Wert gewisser Dinge richtig ist und wie oft wir uns überhaupt noch Gedanken darüber machen, was uns wie viel wert ist.

  3. Bei Geld und Gold oder sonstigen Dingen, die als Geld fungieren, ist der Glaube an den Wert zentraler Bestandteil des Systems. Ohne diesen Glauben funktioniert das System nicht. Daher ist für mich Deine Frage nach richtig oder falsch an sich bereits falsch gestellt. Trotz aller Finanzkrisenprobleme und aller ihrer pathologischen Auswirkungen kann man nicht behaupten, dass Geld grundsätzlich etwas Schlechtes ist. Im Gegenteil. Ohne Geld (in welcher Form auch immer) wäre eine arbeitsteilige Wirtschaftsordnung, die uns insgesamt einen höheren Wohlstand durch grössere Effizienz und höhere Produktivität bringt, gar nicht möglich. Dass dieser Wohlstand ungerecht verteilt ist, ist ein Problem, das nicht durch das Geld an sich sondern durch das Geldsystem verursacht wird. Daher ist für mich die zentrale Frage nicht, ob sondern an welche Werte und welches System wir glauben. Und dieser Glaube hat nur dann eine Chance, die Generationen zu überdauern, wenn das System eines ist, das auch langfristig funktioniert, weil es stets und ohne Tricks an die aktuellen Anforderungen angepasst werden kann.

    Natürlich ist der Glaube an virtuelle Werte stets ein opportunistischer. Jeder glaubt daran, weil er sich Vorteile davon erhofft. Und eben darin wurzelt der Wertekonsenz, der den Wert des Glaubens an den Wert der Dinge ausmacht. Ich hoffe, Dich damit nicht gänzlich verwirrt zu haben. 😉

  4. @ LD
    Du hast mich nicht gänzlich verwirrt… 🙂 Und auch bezüglich Wertekonsens (oder Glaubenskonsens) habe ich Dich schon richtig verstanden.

    Genau darin sehe ich den springenden Punkt: Wie können wir von einem Konsens sprechen? Es gibt Länder, die mehr Nahrungsmittel produzieren als sie selber benötigen und dennoch „ärmer“ sind als die Schweiz. Was ist das für ein Konsens, bei dem die Nahrungsmittel-Reichsten als die Ärmsten gelten und häufig sogar noch bei den „Reichen“ Schulden machen müssen, währenddem die „Reichen“ verhungern würden, könnten sie nicht auf die Nahrungsmittel der „ärmsten“ Länder zählen?

    Das hat nichts mit Arbeitsteilung, Effizienz und Produktivität zu tun. Hier geht es auch nicht um meine ursprüngliche Frage, ob der Glaube an den Wert gewisser Dinge richtig ist, sondern ob der Wert richtig ist, wobei hier dann davon ausgegangen wird, dass eben der Glaube an den Wert gewisser Dinge richtig sei.

    Zurück zur ursprünglichen Frage: Wir leben in einem System, in welchem mit einer Leistungserbringung ein „Wert“ geschaffen wird. Nicht selten sprechen wir sogar von einem Mehr-Wert. Beginnen wir mit den Nahrungsmitteln: Wenn ein Nahrungsmittel so verarbeitet wird, damit es länger hält, wird damit dann ein Mehr-Wert geschaffen?

    Nach klassischer Auffassung würde man das bejahen. Ein Apfel, getrocknet in Schnitze, ist zwar länger haltbar, enthält aber auch weniger Vitamine. Von diesem Standpunkt her wurde kein Mehr-Wert geschaffen, sondern es ging nur darum, den Wert einer Sache möglichst lange beizubehalten (ein Versuch um Wert-Erhalt). Dennoch die Frage, was nun mehr wert ist und mehr Wert hat: Ein vitaminreicher Apfel oder die Tatsache, dass wir ein Lebensmittel haltbarer machen konnten? In einem Umfeld mit einseitiger, vitaminarmer Umgebung beantwortet sich diese Frage wohl ganz anders als umgekehrt…

    Komplizierter wird es mit Nicht-Nahrungsmitteln. Hier sind wir wahre Weltmeister beim Schaffen von vermeintlichen Mehr-Werten, schliesslich gilt es, den Glauben an eine Wert-Schöpfungskette aufrecht zu erhalten… Aber schaffen wir damit wirklich mehr Werte? Ich wiederhole meine ursprüngliche Frage: Ist der heutige Glaube an den Wert gewisser Dinge richtig? Oder machen wir uns nicht etwas vor und leben in einer Scheinwelt, so wie wir eben auch glauben, dass Milch weiss sei (Du weisst, wovon ich spreche)?

  5. Das Problem der nahrungsreichen und doch armen Länder ist in erster Linie der Wechselkurs, der von den reichen Ländern festgelegt wird. Hier werden die armen Länder systematisch benachteiligt, über den Tisch gezogen und in die Verschuldung damit in die Abhängigkeit von den reichen Kreditgebern gezwungen wie dies im Kurzfilm “Vom Reis” eindrücklich illustriert wird. Gerade darüber hatte ich heute Morgen eine interessante Diskussion mit einem Arbeitskollegen. Mit welchem Recht wagen wir es zu behaupten, dass das Geld mehr wert ist, wofür wir einen Tag arbeiten müssen, als das Geld einer anderen Währung, für das dort ebenfalls eine Stunde gearbeitet werden muss? Das hat nichts mit einem Wertekonsens zu tun sondern mit „unserer“ Überheblichkeit. Und dadurch leidet auch unser Werteverständnis.

    Heute habe ich in der Tageszeitung ein Inserat von Charles Vögele gesehen: Herren-Lammwoll-Pullover für 25.-, Kinder-Pullover für 19.90, etc. hergestellt wahrscheinlich in China, Indien, Thailand oder Nordafrika. Würden diese Kleider bei uns produziert, würde der Preis nicht einmal die Rohstoffkosten decken. Zu meiner Teenagerzeit hat man für einen solchen Pullover bei Vögele noch 40.- bis 70.- bezahlt. Und bei Aldi gibt’s einen Li-Ion-Akku-Bohrschrauber für 39.90 (hergestellt wahrscheinlich in China). Bei uns könnte dieser nicht einmal ohne Akku für diesen Preis hergestellt werden. Angesichts solcher Preise bekommt unsere Wahrnehmung einen Knacks und wir glauben wirklich, dass diese Waren einen solch geringen Wert haben.

    Auf der anderen Seite verwenden wir viel Zeit und Energie, um eigentlich sinn- und wertlose Dinge zu produzieren oder unsere Freizeit auf angenehme Art und Weise totzuschlagen. Wir „veredeln“ Nahrungsmittel zu Lifestyle-Produkten (Actimel, Balisto, Migros M-Premium, Coop Fine Food). Wir verpacken Schulden, Guthaben und Risiken zu innovativen „Finanzprodukten“. Wir sprechen von Mehrwert, wo keiner geschaffen wird. Und wir reden uns dabei ein, dass all diese Dinge einen realen Wert haben. Denn schliesslich haben sie ja auch einen realen Preis, den gewisse Idioten dafür bezahlen. Und dann sprechen wir von Wirtschaftswachstum, weil wir diese Dinge handeln und damit Umsätze und Gewinne erzielen.

    Ja, hier belügen wir uns effektiv. Doch hätten wir nicht diesen Irrglauben an diese fiktiven Werte, würde unser Schneball-Wirtschaftssystem schon lange kollabieren. Damit wir diesen Kollaps noch eine Weile hinausschieben können, wollen wir glauben. Doch ich persönlich glaube, nein ich bin der tiefen Überzeugung, dass dies falsch ist. Haben wir beide nun einen Wertekonsens? 🙂

  6. @ LD
    Der Aussage, dass wir ein Wechselkurs-Problem haben, stimme ich voll und ganz zu, vorausgesetzt dass „Wechselkurs“ nicht im heute bekannten Währungssinne zu verstehen ist, sondern allgemeiner verstanden wird. Ich spreche vom Gegenwert generell, der A für eine Leistung von B bereit ist zu zahlen.

    Diesbezüglich würde ich nicht nur bloss von der Überheblichkeit der „reichen“ Länder sprechen. Es gibt auch fragwürdige „Wechselkurse“ in unseren Breitengraden. Hierbei stellt sich auch die Frage, wie viel B von A erwarten oder verlangen kann. Gewerkschaften, als Beispiel, zielen genau darauf ab, dank gemeinschaftlichem Vorgehen (organisiert) etwas von A zu verlangen. Ich denke, diesem Aspekt „sich zu organisieren“ kommt in absehbarer Zeit immer mehr Bedeutung zu, denn das schafft seitens der Beschäftigten (weltweit) eine Transparenz, deren Fehlen zur heutigen „ungerechten“ Situation führt.

  7. @Titus:
    Ja, man kann und soll das durchaus generell betrachten wie z.B. den Wechselkurs Geld/Arbeit als Basis für die Entlöhnung.

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