Die Schweiz – das Land der Geheimnisse

Die Filmindustrie Hollywoods ist dauernd darum bemüht, Filme mit sagen- und geheimnisumwobenen Geschichten zu drehen. Vielleicht könnte die Schweiz Grundlage für weitere Geschichten liefern, denn an Geheimnissen mangelt es wahrlich nicht…

Seit letzter Woche können wir hierzulande Walt Disneys jüngsten Film angucken gehen: Alice im Wunderland. Die Zuschauer erwartet nicht nur eine surreale (Film-)Welt, sondern auch eine voller Überraschungen und Geheimnisse.

Mit sagen- und geheimnisumwobenen Geschichten lässt sich viel Geld verdienen, wie wir seit «Avatar» wissen, dem bisher finanziell wohl erfolgreichsten Film aller Zeiten. Filme um fiktive Geheimnisse haben aber einen wesentlichen Nachteil: Hat man sie einmal gesehen, ist der ganze Zauber weg.

Die Kurzlebigkeit dieses Zaubers bezieht sich nicht nur auf die Geschichte, sondern auch auf die Einnahmen, denn schliesslich würde niemand ein zweites Mal den gleichen Kinoeintrittpreis bezahlen wollen, sobald er die Geschichte kennt.

Nachhaltige, reale Geheimniskrämereien

Nachhaltiger ist es stattdessen, ein Geheimnis aufrecht zu erhalten, sodass der Zauber länger anhält. Das wissen auch die findigen Hersteller des Appenzeller Käses. Sie machen ein Geheimnis um das Rezept ihres Käses, worüber nicht Alice im Wunderland, sondern Uwe im Appenzellerland zu berichten weiss:

Das Bankgeheimnis, von welchem Uwe Ochsenknecht da sprach, ist wiederum eine findige Erfindung des Bankenplatzes Schweiz. Wie wir alle wissen, ist hier der Zauber schon längst verflogen und hat sich inzwischen schon zu so etwas ähnlichem wie einem Fluch entwickelt…

Vielerorts fehlende Transparenz

So ähnlich kommt es einem auch vor im Bereich des Gesundheitswesens. Jährlich fliessen Milliarden von Schweizer Franken in dieses System.

Doch niemand weiss so richtig, wohin das Geld eigentlich geht – und vor allem warum die Gesundheitskosten immer weiter ansteigen. Entweder anerkennen einige nicht die tatsächlichen Ursachen oder es wird ein Geheimnis daraus gemacht, wohin das Geld fliesst.

So ist es auch bei den Verwaltungskosten bei den Einrichtungen der beruflichen Vorsorge. Diese waren ein Hauptkritikpunkt der Gegner einer Senkung des BVG-Umwandlungssatzes anlässlich der Abstimmung vom vergangenen Wochenende.

Die Befürworter einer Senkung hätten dieses Argument schnell mit der entsprechenden Transparenz entkräften können, taten es aber nicht. Warum hier wohl ein Geheimnis um diese Kosten gemacht wird?

An Transparenz fehlt es auch bezüglich Tarife und Preise im Allgemeinen. So kämpfen der Preisüberwacher und die Wettbewerbskommission wegen mangelnder Transparenz permanent gegen überhöhte Preise für allerlei Güter und Dienstleistungen aus dem In- und Ausland. Die Hersteller machen gezielt ein Geheimnis daraus, um wie viel höher ihre Kosten in der Schweiz tatsächlich sind, die höhere Preise auch rechtfertigen würden.

Das Parteifinanzierungsgeheimnis

Im internationalen Vergleich kennt die Schweiz aber noch ein anderes Geheimnis, welches im Ausland kein Thema mehr ist: Das Parteifinanzierungsgeheimnis.

Frühestens morgen Dienstag behandelt der Nationalrat eine parlamentarische Initiative von Andi Gross, eine zweite von Antiono Hodgers und eine dritte der Sozialdemokratischen Fraktion, welche alle darauf abzielen, Transparenz bei der Finanzierung von Parteien, Wahl- und Abstimmungskämpfen zu schaffen.

Das Anliegen ist nicht neu: Bereits 1999 lancierte Andi Gross eine parlamentarische Initiative mit dem Ziel, dass höhere Beträge für Abstimmungskampagnen offen gelegt werden müssen.

Daraus resultiert ein Bericht seitens einer Subkommission der vorberatenden Staatspolitischen Kommission (SPK) des Nationalrats. Diese kommt zum Schluss, dass eine Umsetzung nicht möglich wäre, weil zu viele Möglichkeiten für Umgehungen oder Missbräuche bestehen würden.

Auch eine parlamentarische Initiative von Roger Nordmann aus dem Jahre 2006 wurde ein Jahr später vom Nationalrat abgeschmettert. Die Erwägungen der SPK fielen damals etwas dürr aus. So meinte sie etwa, dass der Begriff «Lobbyorganisation» zu schwammig sei…

«Nicht umsetzbar»

Auch in der Beurteilung zu diesen jüngsten drei parlamentarischen Initiativen kommt die Mehrheit der SPK des Nationalrats zum Schluss, dass die Anliegen der Initianten nicht umsetzbar wären.

Die Argumentation des Kommissionsberichtes erscheint einem ziemlich fadenscheinig:

Als problematisch betrachtet die SPK insbesondere die Durchsetzbarkeit von Offenlegungspflichten. Die SPK will keine Regeln schaffen, die dann doch von vielen umgangen werden, wodurch die Glaubwürdigkeit der Politik Schaden nimmt.

Darüber kann man eigentlich nur lachen, denn die Geheimniskrämerei um die Finanzierung von Parteien, Abstimmungs- und Wahlkämpfen dürfte der Politik insgesamt wohl mehr Schaden zufügen…

Ausländische Erfahrungen haben gezeigt, dass Umgehungen von Offenlegungspflichten von den Medien als grosse Skandale ausgeschlachtet werden, wodurch jedoch nicht nur das Image der betroffenen Partei oder Person leidet, sondern vielmehr auch das Image der Politik als Ganzes.

Wenn jemand einer Pflicht nicht nachkommt, dann ist er oder sie wohl selber schuld, wenn darunter auch das Image Schaden nimmt. Und wenn «die Politik» nicht offen gelegte Gelder entgegen nimmt, dann ist sie ebenfalls selber schuld, wenn ihr daraus Nachteile erwachsen.

Die schweizerischen Parteien sind auf die Spenden Privater angewiesen. Gerade kleinere Unternehmen und auch Einzelpersonen legen jedoch häufig Wert darauf, dass ihr Name nicht mit einer bestimmten Partei in Verbindung gebracht wird. Es ist deshalb zu befürchten, dass das Spendenvolumen bei Einführung einer Offenlegungspflicht zurückgeht.

Was sind denn das für Personen oder Unternehmen, die nicht zu ihren Spenden stehen können, sich mit ihrer Spende aber sehr wohl einen entsprechenden politischen Effekt erhoffen? Seit wann stützt sich unser Rechtsstaat auf ein Verhalten ab, das auf Falschheit statt auf Treu und Glauben beruht?

Insgesamt ist es schon zum Augenreiben, wie hier etwas ablehnt wird, damit niemand wegen möglichen, selbst verursachten Rechtsverletzungen zu Schaden kommt…

Enttäuschend ist auch, wie eine Staatspolitische Kommission diese Vorstösse beurteilt. Sie scheint wohl einen Grundsatze rechtstaatlichen Handelns vergessen zu haben:

Art. 5, Abs. 2 der schweizerischen Bundesverfassung

«Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.»

Eine käufliche Politik – das bestreitet wohl niemand – ist Gift für unser demokratisches System. Um den Vorwurf der Käuflichkeit von Parteien und der Politik insgesamt zu entkräften – nicht zuletzt auch wegen den erst kürzlich bekannt gewordenen Parteispenden gewisser Banken – besteht somit durchaus ein öffentliches Interesse für Transparenz bezüglich Finanzierung des politischen Apparats.

Echten Wettbewerb dank Transparenz

Die Schweiz ist heute ein Land voller Geheimnisse. Für die weitere Zukunft täte sie gut daran, Transparenz statt Geheimnisse zu kultivieren.

Die Intransparenz bei allen oben genannten Beispielen haben wir den Wirtschaftsvertretern der bürgerlichen Parteien zu verdanken. Es sind jene Parteien, die sich partout gegen staatliche Regelungen stellen, weil das keinen freien Wettbewerb erlaube.

Wenn diese Parteien es wirklich ernst meinen mit dem freien Wettbewerb, dann müssten sie die grössten Verfechter von Transparenz sein. Alles andere führt nämlich nur zu Wettbewerbsverzerrung – egal ob es sich nun um Preise, Kosten, Wahlen oder Abstimmungen handelt.

Die Politik könnte ihrerseits den Willen zu Transparenz dadurch bekunden, indem sie sich selber Regeln für die Offenlegung der Finanzierung von Parteien, Wahl- und Abstimmungskämpfen auferlegt. Einen ersten Schritt dazu bietet sich im Rahmen der drei genannten parlamentarischen Initiativen an.

8 Antworten auf „Die Schweiz – das Land der Geheimnisse“

  1. Vielleicht tut sich nach diesem ganz klaren Misstrauensvotum und dem Ausdruck längst verlorenen Vertrauens ja jetzt endlich etwas. Heute habe ich noch Hoffnung. Wie lange sie anhalten wird, hängt davon ab, wie unsere Politiker und wirtschaftliche Entscheidungsträger jetzt handeln werden. Wenn sie nur einen einzigen Funken Verstand haben, gehen sie wenigstens über die Bücher – oder es wird noch etwas ärger mit den Abstimmungsresultaten.

  2. Keine Chance (EU).

    Schön, dass du wieder da bist. Ich hoffe, du hast dich schon ein wenig eingelebt in deiner neuen Heimat.

  3. Es wird wohl stimmen, dass das Abstimmungsergebnis das fehlende Volksvertrauen widerspiegelt. Denn einerseits den Umwandlungssatz senken und auf der anderen Seite die anziehenden Managerlöhne goutieren, so was verlangte nach Erklärungen und nicht nach Backe-Backe-Kuchen.
    Wie oberster economiesuisseler Gerold Bührer in der BAZ richtig festhält: „Es braucht beides: eine bessere Wirtschaftslage und einen Abbau des Misstrauens.“
    Die Worte hör ich wohl, allein der Glaube fehlt. Denn das WIE bleibt zur Zeit wohl (s)ein Geheimnis.

    So redet unser frisch gebackener „Sozialminister“ BR Burkhalter (sprich Burgaldääär) bereits einen Tag nach seiner ersten Abstimmungsniederlage von einem Systemwechsel, leider geht es dabei aber schon wieder (nur) um den Mechanismus des Umwandlungssatzes, statt mal das ganze System der 2.Säule zu hinterfragen.

  4. @ Zappadong
    Wir sollten uns vielleicht langsam ernsthaft Gedanken übers Design Ihrer Piratenflagge machen…

    @ Bodeständix
    Yep, schön dass Du wieder online bist.

    Ich denke, das hat nichts mit der EU zu tun. Der Wirtschaft und damit auch den wirtschaftlichen Interessen standen Landesgrenzen noch nie im Wege – ganz im Gegenteil: Die heutige Abschottung erlaubt erst recht, die Schweiz zu einer Hochpreisinsel zu machen.

    @ Bobsmile
    Irgendwie erweckt das genannte Zitat von Gerold Bührer bei mir den Eindruck, als ob er den Fehler bei den anderen sucht. Warum spricht er nicht von «Transparenz schaffen», sondern von «Misstrauen abbauen»…?

  5. @titus: Mr Doorman arbeitet an der Flagge …

    Heute gelesen im Tagi (und eigentlich schon vorher gewusst): Die Renten sinken so oder so. Weil im überobligatorischen Teil alles möglich ist … Es soll heute schon Berater bei den Pensionskassen geben, die ihren Kunden empfehlen, die 2. Säule auf einem Minimum zu halten und den Rest privat anzulegen.

    Ich bin wie Bobsmile für ein Durchleuchten unserer Säulen und dann für die Suche nach einer neuen Lösung. Für mich ist die 2. Säule ein Irrweg, weil a) zu viele Menschen damit auf der Strecke bleiben und b)wir alle zu Zwangssparern ohne jegliche Ausstiegschance und Einflussnahme auf unsere Renten gemacht werden.

  6. Pingback: Färbt sie röter!

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