Internet-Dynamik

Manchmal verbreiten sich Informationen dank Internet äusserst schnell. Dies gilt besonders dann, wenn sie Emotionen ansprechen und uns lachen lassen. Aber gilt das nur dann?

Internet weist manchmal – aber auch nicht immer – eine unglaubliche Dynamik auf: Vielleicht hatten Sie vor einigen Wochen auch mitbekommen, wie eine etwas gar dramatisch geschilderte Bagatelle in einer Lokal-Zeitung via Twitter zu einem der meistgelesensten Artikel wurde.

Falls Sie das nicht mitbekommen haben, finden Sie nachfolgend eine gute Zusammenfassung inklusive «Begleiterscheinungen»:

Eine unerwartete Parodie

Eine ähnliche Dynamik wies kürzlich ein anderes und ebenfalls reales Ereignis auf, wenngleich dieses auch um Einiges ernsthafter zu nehmen ist als ein umgefallener Blumenkübel:

Zwei Räuber überfallen einen Tankstellen-Shop in Kansas und fordern Geld. Doch statt dass der Angestellte ihnen Geld aushändigt, feuert er selber mit seiner Waffe auf die Räuber, welche daraufhin (unverletzt) die Flucht ergriffen.

Soweit, so schlecht. In den USA gibt dieser Überfall natürlich Anlass für einen TV-Bericht. Darin schildert eine Kundin, welche das Ganze miterlebte, wie folgt dieses Ereignis und ihr Reaktion darauf:

Auch wenn Sie vielleicht nicht englisch verstehen, dürften Sie trotzdem verstanden haben, wie bildhaft, lebhaft und skurril die Dame ihr Erlebnis schilderte. Dazu gesellt sich eine verbale Ausdrucksweise, welche dem Vorfall wohl ungewollt jegliche Ernsthaftigkeit nimmt und einem einfach zum Lachen bringt.

Das hat eine handvoll junger Menschen auf den Plan gerufen und dazu animiert, aus den Aussagen der Dame oben einen Song zu machen. Bereits zwei Tage später stand dieser Song und wurde auf YouTube hochgeladen.

Darin sind die jungen Kreativen zwar geübt, publizieren Sie doch regelmässig derartige Videos/Songs. Doch diesmal ist ihnen wirklich ein süffig anzuhörendes und äusserst gut gemachtes Werk gelungen, das einem auch später noch im Ohr rumschwirrt. Darum überrascht es nicht, dass dieser Song seit dem 3. September bereits über drei Millionen Mal abgerufen wurde:

Natürlich lässt sich daraus noch mehr machen. So gibt es inzwischen beispielsweise auch ein Video, welches glauben lässt, dass selbst Beyoncé zu diesem Song singt und tanzt:

(Wie auswechselbar doch das aufreizende Hüftschwingen gewisser Popstars geworden ist… )

Auch ernsthafte Übertreibungen?

Natürlich kann man sich wenigstens eines Schmunzelns ob diesen beiden Geschichten nicht erwehren, zumal niemand wirklich zu Schaden gekommen und höchstens «mit dem Schrecken davon gekommen» ist.

Doch wenn eine Sache, übertrieben oder überspitzt ausgedrückt, so rasant die Runde macht, gilt das dann nur für Dinge, über die man lachen kann oder nicht auch für andere Dinge, die den Menschen beispielsweise Angst machen?

Und falls ja: Sind wir uns dessen bewusst?

Sind wir uns bewusst, dass dramatische dramatisierte Ereignisse auch schneller um die Welt gehen und durch die schnelle Verbreitung an sich noch einen Zacken an Dramatik zulegen und wir uns folglich noch mehr darin üben müssen, dass nichts so heiss gegessen wird wie es gekocht wird?

3 Antworten auf „Internet-Dynamik“

  1. Vorbei sind die Zeiten, da ein Hörspiel ganze Menschenmassen in die Flucht schlägt (1939, CBS-Live-Sendung mit als Reportage getarntem Hörspiel „Krieg der Welten“.)
    Kann es nicht sein, dass dank Twitter und Co sich mit der Zeit eine ungesunde Sättigung einstellt und eigentlich wichtige Meldungen gar nicht mehr als solche wahrgenommen werden? (So in Anlehung an deinen vorderen Beitrag.)
    😉

  2. @ Bobsmile

    Gute Frage. Von den Zeitungen war damals ja bereits bekannt, dass sie einem bestimmten politischen Einschlag folgten. Demgegenüber schätze ich das damalige Radio eher als ein parteipolitisch neutrales Medium mit hoher Glaubwürdigkeit ein. Mit dieser Sendung merkten vermutlich viele, wie manipulierbar auch das Medium Radio ist. Mit Hinblick auf die Propaganda des Zweiten Weltkriegs war das vielleicht gar nicht so schlecht (nur dass eben leider diese Sendung nicht in Deutschland lief…).

    Vielleicht müssen wir unterscheiden zwischen jenen, die regelmässig bestimmte Medien nutzen und dabei ziemlich abgeklärt die verschiedenen Meldungen zur Kenntnis nehmen und solchen, die erst durch «News-Hypes» wie oben solche Infos wahrnehmen und dann gleich alles für bare Münze nehmen.

    Hilfreich ist dieses Phänomen für beide Gruppen nicht, denn die einen wissen nicht, wo sie es nun wirklich einordnen sollen und betrachten das Ganze vielleicht mit zu abgeklärtem Blick und die anderen haben wahrscheinlich ein zu verschobenes Weltbild…

    Das bringt mich noch auf etwas Anderes: Es muss nicht explizit eine einzige Meldung sein, die eine erhöhte Aufmerksamkeit (zu Recht oder zu Unrecht) weckt. Es kann natürlich auch ein ständig wiederholtes Reizthema wie beispielsweise der Islam oder die so genannten «Islamisierung» sein.

    Dieses andauernde «Feindbildschaffen» macht es den Behörden sicher nicht einfach, wenn sachlich gefällte Entscheide allen verständlich beigebracht werden müssen…

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.