50 pandastische Jahre!

Der WWF Schweiz feiert seinen 50. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch – und vielen Dank!

Lieber WeWeEf

Du kennst das bestimmt: Da feiert jemand einen runden Geburtstag und Du willst ihm etwas Gescheites schreiben, Dir will aber spontan nichts einfallen. Um diesem Dilemma zu entgehen gibt es zwei Möglichkeiten:

Entweder Du schreibst gar nichts, weil es kein Zufall ist, dass Dir nichts einfallen will – und weil Dir Heuchelei zuwider ist. Oder Du gibst dem Geburtstagskind zu verstehen, was es Dir bedeutet.

Jetzt feierst also Du so einen Runden und ich frage mich: Brauche ich zu heucheln oder soll ich Dir zu verstehen geben, was Du mir bedeutest?

Ich will ehrlich sein: Ich habe ein gespaltenes Verhältnis zu Dir. Wie Du dem Impressum entnehmen kannst, bin ich zwar ein aktiver Teil von Dir. Und doch bin ich es nur passiv. Selbst meinen Anteil an Deinen Lebensunterhaltskosten bezahle ich dank Lastschriftverfahren vollautomatisch und brauche dafür keinen einzigen Finger zu krümmen.

Pandiamo-Ferienlager

Das war aber nicht immer so mit meiner aktiven Passivität. Wenn ich mich richtig erinnere – ich war damals noch sehr jung – begleite ich Dich nun schon Dein halbes Leben lang, und ich habe in dieser Zeit einige Briefmarken für Dich verkauft (die sind heute ausser Mode), verschiedene Artikel in Deinem Laden erworben (das Solar-Ladegerät für wieder aufladbare Batterien steht noch heute auf meinem Balkon) und mehrere von Dir organisierte Pandiamo-Ferienlager in halb Europa besucht.

Letztere suchen noch heute ihresgleichen, denn ohne das sonst übliche Kommerz-Getöse gibt es für Kinder und Jugendliche wohl kaum eine eindrücklichere Möglichkeit, die Natur mit so viel Spass kennenzulernen wie eben über Deine Ferienlager. Darum sind sie mir auch heute noch in sehr guter Erinnerung und darum werden sie bestimmt auch den heutigen Kindern und Jugendlichen in guter Erinnerung bleiben.

Allerdings kaufe ich bei Dir heute kaum mehr etwas ein. Versteh‘ das bitte nicht falsch: Das richtet sich nicht gegen Dich! Vielmehr wurdest Du wohl Opfer Deines eigenen Erfolgs, denn heute brauche ich nicht mehr zu Dir zu kommen, wenn mir eine nachhaltige Produktion am Herzen liegt. Näher liegende Anbieter haben da ziemlich aufgeholt – und dass ist auch gut so. So gesehen könntest Du das durchaus auch als einen elften Erfolg verbuchen.

Ebenso teile ich heute wie damals kaum alle Deine Interessen. Wen interessieren schon diese unscheinbaren Waldameisen? Oder die Wale im Meer? Die sehen ja ganz nett aus, geben tolle Töne von sich und haben eine schöne Flosse. Aber nützen die überhaupt etwas?

Eigentlich sollte ich das gar nicht fragen, denn ich habe immer darauf vertraut, dass Du auch bei jenen schein- oder unscheinbaren Dingen den Finger drauf hältst, wo andere weg- oder gar nicht hinschauen. Dafür schätze ich Dich auch so besonders, denn hättest Du das nicht getan, würde sich hierzulande die Artenvielfalt beim aktuell politischen Klima nur noch auf zwei Arten beschränken: Schweizer und Ausländer. Und unter einem intakten Ökosystem würden manche wohl ein intaktes Ökonomiesystem verstehen. Dabei geht das Eine nicht ohne das Andere, was auch dank Dir zwar noch nicht alle, aber doch schon sehr viele verstanden haben.

Schätzen tue ich an Dir auch Deine immer wieder eindrückliche und doch unaufgeregte Art um auf Probleme hinzuweisen. Wo andere schreierisch mit nackten Menschen auf Gletschern auf die Klimaveränderungen aufmerksam machen wollen, zeigst Du mir einen eindrücklichen Bildvergleich des Aletschgletschers aus den Jahren 1900 und 2004. Und wo andere sich mit Gummibooten medienwirksam in Szene setzen, setzt Du auf Kooperation statt Konfrontation.

Und statt nur über die Umweltsünder zu lamentieren, engagierst Du Dich aktiv für Alternativen. Zum Beispiel beim Aufbau eines Ökostrom-Qualitätslabels. Oder indem Du mir hilfst, mich im Öko-Label-Dschungel zurecht zu finden. Oder indem Du mich unterstützt, die energiesparendsten Geräte auszusuchen. Oder indem Du mir ins Bewusstsein rufst, dass ich trotz relativ kleiner Schugrösse 39/40 noch immer auf zu grossem Fuss lebe.

Zu meiner Verteidigung des fehlenden Engagements meinerseits für Dich, lass‘ mich Dir bitte auch sagen: Auch Nichtstun ist gut für die Umwelt. Ich habe es nämlich noch immer nicht getan. Ich habe noch immer keinen Führerschein. Dein Einfluss war da wohl stärker, als im zarten Alter von 18 Jahren die Gleichaltrigen alle so schnell wie möglich das «Billett» haben wollten.

Weil mir das heute kaum einer glaubt und weil es kein Ausweis ist, diesen Ausweis nicht zu haben, wollte ich Dich schon lange einmal fragen, ob Du nicht ein Label für autofreie und führerscheinlose Menschen wie mich einführen könntest? Wie wär‘s mit einem Label «öV» für autofreie, einem Label «öV+» für führerscheinlose, einem Label «öV++» für Personen, welche inzwischen die Ansagetexte der SBB in einer Sprache auswendig können und einem Label «öV+++» für solche, die das für mehrere Sprachen akzentfrei schaffen?

Auch sonst tue ich einiges nicht. Ich lasse das Wasser beim Zähneputzen nicht laufen. Oder ich lasse Geräte nicht im Stand-by-Modus. Oder ich öffne die Fenster nicht, weil das dank Komfort-Lüftung in unserem Minergie-Haus auch nicht nötig ist. Solltest Du mir nicht glauben, dass Nichtstun auch gut für die Umwelt ist, schicke ich Dir gerne das nächste Mal ein Föteli von den individuellen Wasseruhren und eine Kopie meiner Stromrechnung zu. Du wirst dann sehen, dass ich jede Chance für einen Mengenrabatt vertan habe.

Du siehst also: Ich könnte mehr für Dich tun. Aber ich tue nicht nichts für die Umwelt. Das habe ich Deiner Sensibilisierung zu verdanken. Darum kann ich ungeheuchelt sagen: Wäre ich nicht schon ein Fan von Dir, würde ich doch glatt einer werden!

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und vielen Dank für Dein bisheriges Engagement!

12 Antworten auf „50 pandastische Jahre!“

  1. „Auch Nichtstun ist gut für die Umwelt“
    Aus tiefer Überzeugung stimme ich zu
    lieber Titus,
    und ‚Nichtstun erquickt!‘ – das ist nicht Original Hausfrau Hanna, sondern Cicero. Und da ich eine ehrliche Haut bin und kein von und zu vor dem Namen trage, macht es mir auch keine Mühe,die Quelle anzugeben…
    Das von dir vorgeschlagene Label öV+++ gefiele mir extrem gut, aber das wäre ebenfalls geschwindelt. Also für mich nur ein plusloses öV. Immerhin 🙂

    Danke, dass du an den runden Geburtstag des WWF gedacht hast!
    Herzlich Hausfrau Hanna

  2. @ Hausfrau Hanna
    Wenn Du die Durchsagen auf schwedisch schaffst, könnten wir vielleicht über ein „öV+sve“ diskutieren… 😉

  3. Ich würde natürlich ein Label „velo+“ vorziehen. Übrigens, nicht nur der WWF Schweiz sondern der WWF an sich feiert den 50. Geburtstag.

  4. @ Harald Jenk
    Da es ja auch beim Velo inzwischen verschiedene Antriebstechniken gibt, wäre ich für ein separates Velo-Label. Wer noch selber trampelt, bekäme natürlich ein Velo+++ 😉

    Ich habe bewusst geschrieben, dass der WWF Schweiz den 50. Geburtstag feiert, weil man dies offensichtlich beim WWF International trotz gleichem Gründungsjahr nicht tut.

    Ich nehme an, es ist den einzelnen Länder-Organisationen überlassen, ob und wie sie die 50 Jahre der Mutter-Organisation feiern. Der WWF Deutschland wurde beispielsweise „erst“ 1963 gegründet. Da erscheint es mir auch logischer, wenn erst in zwei Jahren 50 Jahre gefeiert werden statt in diesem Jahr – und dann nochmals in zwei Jahren. Das würde sonst wohl keiner verstehen.

  5. Danke für diese wunderschöne Geburtstagsrede, und danke auch fürs Lob für die Lager!
    Das bestätigt mich in der Überzeugung, dass unsere Lager für die künftige Umwelthaltung der Kinder, die sie besuchen, sehr wichtig sind (auch abgesehen davon sind WWF-Lager einfach cool :-)).
    Katia Weibel (Leiterin Jugendabteilung WWF Schweiz)

    P.S.:Nichts tun für die Umwelt finde ich einen innovativen Ansatz. Ich
    mache auch ganz viel nicht für die Umwelt. Darf ich Dein öV-Label in meinen Blog stellen? Ich gebe natürlich die Quelle an.

  6. @ Katia
    Gern geschehen.

    Und ja, Du darfst. Wobei: Ich überleg‘ mir gerade, ob es nicht eine Glarner Variante bräuchte, denn wer auf Dauer diese unsäglich harten Sitze des Glarner Sprinters aushält, hätte ein öV++++ verdient… 😉

  7. Ähem, mir als motorisierter nixÖVler steht dann ja wohl nur der orange Label zu. Die Auswertung beim WWF Footprint-Rechner ergibt (dank Recyclingverhalten und Sparlampen) 2.3 Erden, was immerhin 0.1 unter dem Schweizer Durschnitt liegt.

  8. @ Bobsmile
    Weshalb fällt mir bei Dir spontan die Idee eines Masterplans ein, so ganz nach dem Motto „Von 2,3 Erden zu 1,0 Erden in nur 12 Wochen…“ ? 🙄

  9. @Titus
    Autsch!
    😆

    Jetzt sehe ich gerade, dass ich sogar 0,5 unter Durchschnitt liege.

    Ausgewählte Footprints von Nationen und Kontinenten
    Quelle: WWF Schweiz
    Vereinigte Arabische Emirate 6,0
    USA 4,5
    Schweiz 2,8
    Deutschland 2,8
    Japan 2,7
    Brasilien 1,6
    China 1,2
    Kuba 1,0
    Haiti 0,4
    Afghanistan 0,4

    Nordamerika 4,4
    Europa 2,6
    Lateinamerika 1,4
    Asien 1,0
    Afrika 0,8

    Welt 1,5

    Heute bereits zwei Faktoren beeinflusst:
    . Trotz 0°C den Töff genommen. (CO2 Reduktion)
    . Ein Vegi-Menü zu Mittag gegessen. (Ernährung)

    Nur zwei Tropfen auf den heissen Stein, aber immerhin …

  10. @ Bobsmile
    War ja nur so als methodische Anregung gedacht, da Du damit Erfolg hattest. 😉

    Auch ich habe noch keine 1,0 erreicht, wobei ich es alleine auch nicht schaffen kann. Das hat mit der „grauen Energie“ zu tun, welche einem angerechnet wird (so sind beispielsweise die Züge oder die Strassenbeleuchtung auch dann in Betrieb, wenn man sie gar niemand oder nur wenige brauchen).

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