Bussen verteilender Gastgeber

Der öffentliche Verkehr im Allgemeinen und die SBB im Speziellen sind Opfer des eigenen Erfolgs – und bestrafen dafür nun die eigenen Kunden. Etwas mehr Feingefühl wäre angebracht gewesen.

Er klingt wie ein militärisches Organ, der «Strategieausschuss Direkter Verkehr» (StAD). Dieser hat jüngst entschieden, mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2011 die Billettpflicht im Fernverkehr einzuführen. Demnach können im Zug bald keine Billette mehr gekauft werden.

Nebulöse Angaben

Alle Medien haben artig diesen Entscheid weiter verbreitet. Worum es sich aber bei diesem Ausschuss genau handelt beziehungsweise wer in diesem Ausschuss sitzt, hat niemand nachgefragt. Die Legitimität dieses Entscheids lässt sich somit wegen der unbekannten Urheberschaft nicht überprüfen.

Legitim ist hingegen die Forderung an die Kunden, bereits vor Antritt der Reise einen gültigen Fahrschein zu besitzen. Zwar ist es in der Schweiz noch immer weit verbreitet, erst nach oder während dem Bezug einer Leistung das entsprechende Entgelt zu entrichten.

Beim öffentlichen Verkehr wäre es allerdings unrealistisch zu erwarten, erst nach dem Aussteigen, also erst nach der erbrachten Transportleistung, auf dem Perron dem Kondukteur Zugbegleiter ein Billett abzukaufen.

So weit, so gut.

Störend bei diesem Entscheid ist der Verweis auf die Verkaufskanäle und die Begründung, welche zu diesem Entscheid geführt haben sollen.

So sprechen der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) und die SBB in ihrer Medienmitteilung davon, dass «die Verkaufskanäle in den letzten Jahren ständig ausgebaut worden» seien. «Insbesondere für den spontanen Kauf kurz vor Abfahrt eignen sich die Ticketshops von SBB Mobile, sbb.ch sowie die modernen Billettautomaten sehr gut», heisst es weiter.

Das ist tatsächlich ein Ausbau – allerdings ein Ausbau an Diskriminierung und Unverständlichkeit. Was hat man denn schon unter dem viel sagenden Begriff «SBB Mobile» bei einem Unternehmen zu verstehen, dessen Hauptzweck die Mobilität ist? Oder ist die Verwendung von «mobile» neuerdings für die Telefonie reserviert?

Tatsächlich findet sich in den Haupt- und Untermenü-Punkten der neu gestalteten SBB-Website nirgendwo dieser Begriff. Erst wer auf den verwandt klingenden Begriff «MobileTicket» klickt, wird fündig.

Gut versteckt ist halb gefunden: «SBB Mobile» gibt es vordergründig nicht.

Ausbau ja, aber für Jüngere

Da finden sich dann «SBB Mobile (iPhone)», «SBB Mobile (Android)», «SBB Mobile WP7» und «SBB Mobile (Mobiltelefon)». Wer kein Mobiltelefon hat – und ein solches zu haben ist immer noch ein Recht und keine Pflicht – ist somit mit dieser Variante des «spontanen Kaufs» ziemlich aufgeschmissen.

Ähnlich ist es mit dem, was hinter «sbb.ch» steckt. Für die Verfasser der fraglichen Medienmitteilung ist Internet so selbstverständlich, dass sie es nicht einmal mehr für nötig halten, von Internet oder von einer Website zu sprechen, wenn sie «sbb.ch» erwähnen.

Wer kein Internet hat – was vor allem, aber nicht nur bei älteren Generationen der Fall ist – dem dürfte dieser Begriff genauso fremd sein wie unzählige weitere «Punkt-C-H»-Erwähnungen. Zudem wird ihm der Zugang zu dieser Möglichkeit verweigert, weil es ebenfalls keine Pflicht gibt, einen Internet-Anschluss haben zu müssen, sondern bloss ein Recht.

Bleiben noch die «modernen Billettautomaten». Selbst jüngere Zugreisende haben manchmal schon Mühe, den Mechanismus zu finden um eine Zugs- oder Wagentüre öffnen zu können. Wenn das schon nicht einwandfrei klappt, wie kann man da voraussetzen, dass ältere Generationen einen dieser modernen Blech-Verkäufer zu bedienen wissen?

Ob es uns, die wir privat und vielfach auch beruflich täglich mit Internet und Mobiltelefonie zu tun haben, gefällt oder nicht, dürfen wir Menschen, die den Umgang mit diesen Mitteln nicht kennen, die sich diesen bewusst verweigern oder die damit überfordert sind, nicht mit solchen Entscheiden diskriminieren. Oder aber es sollen nicht nur die Jungen in Medienkompetenz geschult werden, sondern auch die Älteren.

Wie erklärt man dem Zugbegleiter, dass man neuerdings kurz vor Abfahrt
spontan ein Billett kaufen will, aber just beim ersten Mal der «Service Unavailable» war?

Kann jeden treffen

Verschärft wird diese Billettpflicht noch dadurch, dass vielerorts auch keine bedienten Schalter mehr zur Verfügung stehen. Der 70-jährige Grossvater, der sein Leben lang Auto gefahren ist, nun aus gesundheitlichen Gründen darauf verzichten muss und seine Enkelkinder besuchen gehen will, kann somit nicht einmal mehr beim nächsten Schalter gegenüber einem Menschen ein Billett bestellen und mit Bargeld bezahlen.

Währenddem man Menschen ausländischer Herkunft in die Gesellschaft oder Invalide in die Arbeitswelt zu integrieren versucht, grenzt man hier beim Kauf eines Billetts aus. Und man schafft ein Präjudiz, nämlich jenes, wonach es legitim wird, gewisse technische und fachliche Fähigkeiten vorauszusetzen um eine Leistung einkaufen zu können, für welche bisher keine Voraussetzungen bestanden.

Nicht zu unterschätzen ist dabei die Vorbildfunktion, welche eine SBB aufgrund ihrer Funktion und Grösse zwangsläufig einnimmt. So könnten viele andere Unternehmen oder Organisationen wie folgt argumentieren: «Die SBB verlangen von Ihren Kunden ja auch, dass man Internet-Anschluss und ein Handy haben muss, ergo dürfen wir das auch voraussetzen.»

Dass in Zukunft auch seitens anderer Unternehmen oder Organisationen noch mehr via Internet möglich sein wird, gilt als wahrscheinlich. Trotzdem ist es auch deswegen schon zu früh, nur auf die Karte «Internet» oder «mobile» zu setzen, weil es dafür keinerlei Unterstützung finanzieller, technischer oder fachlicher Natur gibt, egal ob staatlich oder privat.

Es wird den Kunden überlassen, sich entsprechend auszurüsten um diese mobilen oder Online-Services nutzen zu können. Im Falle eines Billettkaufs werden Internet und Handy, sowie all das, was es dazu braucht (Computer, Abo usw.), automatisch zu einem Grundbedürfnis emporgehoben. Ob sich dessen alle bewusst sind?

Und: Was kommt als nächstes? Müssen wir, die wir heute mit all dem «modernen Zeugs» noch einigermassen zurecht kommen, in zwanzig Jahren auch damit rechnen, auf dem diskriminierenden Abstellgleis zu landen, weil wir es einfach nicht mehr «schnallen»? Wann gehören wir zu denen, die wortwörtlich den Anschluss verpasst haben?

Fragwürdige Gründe

Doch zurück zum konkreten Fall der Billettpflicht. Der VöV und die SBB argumentieren, dass Ihnen «Erträge im zweistelligen Millionenbereich» entgehen würden. Das muss man richtig zu lesen wissen, denn was nach viel klingt, dürfte nur wenig sein.

Ginge es nämlich beispielsweise um 80 Millionen, dann wären diese 80 Millionen erwähnt worden oder es wäre von einem «hohen Betrag im zweistelligen Millionenbereich» die Rede gewesen.

Vermutlich geht es aber lediglich um einen zweistelligen Millionenbetrag mit einer Eins vorne dran, also beispielsweise 12 Millionen. Das erlaubt den beiden Unternehmen, gerade noch von «zweistellig» sprechen zu können – und es hindert sie daran, von einem «hohen Betrag im zweistelligen Millionenbereich» zu sprechen.

Doch auch in dem Falle wäre die Erwähnung von «schätzungsweise» angebracht gewesen, denn: Die beiden Unternehmen argumentieren, dass sie wegen der hohen Auslastung gar nicht alle Reisenden kontrollieren könnten. Wie also wollen die beiden wissen, wie viel ihnen entgeht, wenn sie gar nicht genügend kontrollierendes Personal haben?

Die SBB setzen gegenüber ihren Kunden gewisse technische Vorgaben voraus.
Darf man da auch voraussetzen, dass sie deren eigene Technik im Griff haben?

«Nette» Gastgeber

Zudem ist der fraglichen Medienmitteilung zu entnehmen, dass «heute nur noch zwei von Tausend Reisenden der SBB ihren Fahrausweis im Zug lösen.» Auch diese Zahl kann nur eine Schätzung oder eine Annahme sein, denn die SBB können ja gar nicht alle Reisenden kontrollieren…

Nur zwei von Tausend. Das sind keine zwei Prozent, sondern nur zwei Promille. Zur Veranschaulichung: Ein Intercity-Neigezug (ICN) hat 477 Sitzplätze, also knapp die Hälfte von Tausend. Glaubt man den (geschätzten) Angaben von VöV und SBB, ist heute somit ein Billett pro vollbesetzten ICN zu verkaufen (auf die Sitzplätze bezogen).

Dass die Zeit nicht reicht um alle kontrollieren zu können, ist aber nicht ein Problem der Billettpflicht. Es ist ein Kapazitätsproblem. Wenn die Züge voll besetzt sind – und wenn man weiterhin jeden kontrollieren will – braucht es bei voll besetzten Zügen eben auch mehr Personal.

Das gilt auch für jene Aufgabe, welche VöV und SBB als quasi-Entschuldigung vorgeschoben haben: «Die Zugbegleiter können sich künftig noch stärker auf ihre Service- und Gastgeberrolle konzentrieren.»

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch dafür nicht mehr genügend Personal zur Verfügung steht – in voll besetzten Zügen sowieso nicht – oder bis nur noch irgendwelche Automaten in den Zügen Auskunft geben werden – sofern man sie zu bedienen weiss.

Für mehr Personal ist in jedem Fall kein Geld vorhanden. Im Gegenteil: Mit dem Entscheid der Billettpflicht soll Personal eingespart werden können, denn die SBB rücken vom Prinzip ab, alle Reisenden um jeden Preis kontrollieren zu wollen. So direkt sagen das die SBB natürlich nicht. Zudem werden neue Einnahmen durch das Verteilen von Bussen (man kann das auch beschönigend «Zuschlag» nennen) generiert.

Wohl mehr Schaden als Nutzen

Ob diese Rechnung aufgeht, darf bezweifelt werden. Nicht mehr damit rechnen zu müssen, kontrolliert zu werden, ist für einige Motivation, gar kein Billett mehr vor Antritt der Reise zu lösen, schon gar nicht bei voll besetzten Zügen.

Die Rate der Schwarzfahrer wird steigen – und vor allem ältere Kunden werden trotz Kaufwille, aber wegen Überforderung, entweder diskriminiert oder kriminalisiert. Ebenso wird auch die Zahl verbaler oder physischer Übergriffe aufs Personal steigen, dies nicht zuletzt deshalb, weil sich viele Betroffene zu Unrecht in ihr Schicksal gedrängt füllen werden.

Übrigens, die ältere Generation ist jene, welche am häufigsten an die Urne geht. Sie wird in Zukunft wohl nicht mehr so leicht ein Ja in die Urne legen, wenn der «Gastgeber» wieder einmal um Unterstützung bei der Finanzierung der Bahninfrastruktur bittet…

15 Antworten auf „Bussen verteilender Gastgeber“

  1. «Service available» erscheint bei «SBB Mobile» häufig … und kauft man sich ein Billett per App, muss man ständig darum besorgt sein, dass man dieses dann auch tatsächlich auf seinem Smartphone vorzeigen kann – also bitte kein unerwartet schnell entleerter Akku oder ein sonstiges Problem … :->

  2. Ein Billet am Schalter lösen zu wollen, ist heutzutage ein schon fast wagemutiges Abenteuer – es sei denn, man findet sich sicherheitshalber eine halbe Stunde vor Zugsabfahrt am Bahnhof ein (gilt zumindest für den Ort, an dem ich einsteige). Also bleibt der Ticketautomat. Mittlerweile habe ich ihn mehr oder weniger im Griff und ich weiss mittlerweile auch, bei welchem ich kein Billet ins Vorarlberg lösen kann (weil er diese Varianten nicht anbietet). Wenn man dann sein Billet hat und guten Gewissens im Zug sitzt, kommt häufig während der ganzen Fahrt kein Zugbegleiter vorbei. Man hört vielleicht noch die Lautsprecherdurchsage, dass der Zug leider umgeleitet wird, aber ob er auch rechtzeitig für weitere Verbindungen am Zielort ankommt, darüber schweigt sich der Lautsprecher aus. Einen Zugebegleiter fragen kann man auch nicht, weil ja keiner da ist und auch keiner kommt. Da auch die Schreibende nicht über eines dieser ganz modernen Mobiltelefone verfügt (verfügen will), mit denen man ins Internet gelangt, sitzt sie dann auf Nadeln und fragt sich, ob sie Anschlüsse und Termine verpasst.

    Die Bahnkundin von heute begibt sich im Wissen auf die Reise, dass im Notfall niemand da ist, der ihr Auskunft gibt, und dass sie im Notfall auch mausbeinallein ist, wenn sie spätabends im Zug angepöbelt wird. Sie ist sich bewusst, dass sie früh genug am Bahnhof sein muss, wenn sie ein Ticket kaufen will, ob am Schalter oder am Automaten. Und sie muss sich nun auch bewusst sein, dass sie eine Busse bezahlen muss, wenn sie aufgrund fehlender oder überlasteter Infrastruktur kein Ticket hat. Dafür darf sie sich damit trösten, dass Hooligans verbilligt von A nach B gefahren werden und auch dann keine Busse erhalten, wenn sie den Zug auseinandernehmen.

  3. Ich bin das SBB-Bashing leid. Mag sein, dass die Einschätzung der SBB der Digital Divide nicht gerecht wird und man früher auch an kleineren Bahnhöfen Tickets am Schalter kaufen konnte. Gleichzeitig sind aber die Automaten, die Website, die Mobile Apps und das Personal der SBB von einer Qualität, die ihresgleichen sucht – auch wenn der Blogpost das Gegenteil suggeriert.
    Die Massnahme der SBB löst ein Problem, das mich sehr stört und für dessen Lösung ich Verständnis habe: Erfahrene, jüngere PendlerInnen können Strecken wie Zürich-Luzern jahrelang gratis fahren, weil sie wissen, wie sie sich im Zug bewegen müssen. Werden sie erwischt, kaufen sie ein Ticket.
    Der 70-Jährige, der nicht mehr Auto fahren kann, kriegt in jedem Regio-Bus eine Busse, wenn er kein Ticket löst – warum sollte das bei der SBB grundsätzlich anders sein?

  4. @Philippe Wampfler:

    Titus geht es IMHO nicht primär um die Billettpflicht, sondern um deren Begründung und die weiteren Möglichkeiten zum Billettkauf. Ich hatte kürzlich das zweifelhafte Vergnügen, für einen Besucher aus dem Ausland an einem ZVV-Billettautomaten ein Ticket von einem Ort ausserhalb Zürichs in die Stadt Zürich zu lösen. Im x-ten Anlauf gelangte ich dann zum gewünschten Ticket … wobei erst einmal Warten angesagt war, denn wir waren nicht die einzigen, die ein Ticket kaufen mussten.

    Die Billettautomaten sind sehr kompliziert und auch «SBB Mobile» ist nicht über jeden Zweifel erhaben. Die App meldet häufig «Service unavailable» und merkt sich lästigerweise nicht das Benutzerpasswort.

  5. @Philippe: Ich sehe das überhaupt nicht als Bahnbashing, denn ich finde es gerechtfertigt, den Finger auf die wunden Punkte zu legen und Fragen zu stellen.

    Anfügen könnte ich noch, dass ich in einer (Rand)Region wohne, wo Gastgeber SBB nicht nur nicht ausbaut, sondern abbaut – und das, obwohl das Angebot nicht eben berauschend ist (die Verbindungen in die Kantonshauptstadt sind schon fast lachhaft schlecht, der Ostwind-Verbund immer wieder eine frustrierende Erfahrung). Dass man da nicht unbedingt seine helle Freude an der SBB hat, versteht sich von selbst. Dass wir als ganze Region Mal ums Mal ein- und zurückstecken müssen, macht die Sache auch nicht besser.

  6. @ Philippe
    Damit es klar ist: Die SBB leisten täglich Grossartiges.

    Über das SBB-Personal hatte ich mich nicht geäussert. Hier schwankt die Qualität bzw. ist abhängig vom jeweiligen Zugchef bzw. Zugbegleiter. Einige nehmen tatsächlich ihre Gastgeberrolle wahr und entschuldigen sich höflichst und mehrfach, wenn nur schon eine Verspätung von zwei Minuten vorliegt, andere machen sich eher rar. Ich denke, da ist noch immer ein Prozess im Gange, dem man noch etwas Zeit geben muss, bis er endgültig abgeschlossen ist.

    Worum es mir geht, sind die Voraussetzungen, welche die SBB mit dieser Billettpflicht an alle Reisenden stellen und die Folgen für unsere Eltern und Grosseltern, die damit – wie mit vielem anderen Neuem unserer Zeit – überfordert sind. Man ernennt die Fähigkeiten von uns Internet- und Mobiltelefon-affinen zum Standard.

    Ob all dem bezweifle ich, ob die Massnahme der SBB tatsächlich das von Dir geschilderte Problem löst. Nichtzahlungswillige werden gemäss ihren Erfahrungen vor allem auf voll besetzte Züge setzen. Zudem habe ich im Lokal-öV einiger Städte wie übrigens auch im Regionalverkehr der SBB noch nie Kontrollen während den Stosszeiten gesehen. Dies wohl einfach deswegen, weil es vergebene Liebesmüh wäre, bei immer wieder anhaltenden Bussen oder Zügen alle vor dem nächsten Halt kontrollieren zu können.

    Wenn wirklich der Anspruch besteht, dass 100 % ein Billett haben, dann kannst Du das nur lösen, indem immer alle kontrolliert werden. Der Entscheid der SBB geht aber in eine andere Richtung; sie gestehen sich ein, nicht alle kontrollieren zu können und erheben den Billettkauf vor Antritt der Reise zur Pflicht.

    Ich bin nicht gegen diese Pflicht vor Antritt der Reise (siehe den ersten Teils meines Beitrags). Wenn man diesen Billettkauf allerdings zur Pflicht erhebt, sollte man allen Reisenden auch Kaufmöglichkeiten bieten, die jeder nutzen kann, vom 15-Jährigen bis zum 80-Jährigen, vom Einheimischen bis zum Touristen. Das ist für mich heute nicht gegeben. Und darum spreche ich von diskriminierend. Oder aber der 80-Jährige kauft kein Billett (weil er nicht weiss, wie) und wird bei der nächsten Kontrolle kriminalisiert.

  7. Ach ja, soeben wollte ich die SBB auf einen Fehler im Onlineshop hinweisen. Das Ergebnis nach dem Absenden des Kontaktformulars:

    The server detected a syntax error in your request.
    Check your request and all parameters.

    The timetable ist reachable under fahrplan.sbb.ch

    Symptomatisch …

  8. Danke Titus für diesen Artikel. Meine Mutter (70+) hat sich kürzlich zum ersten Mal in ihren Leben ein GA gekauft – ob es sich für sie tatasählich lohnt, sei dahingestellt, da sie zwar durchaus regelmässig, aber nicht unbedingt extensiv Zug fährt.
    Sie hat es sich aber wohl vielmehr aus dem Grund gekauft, da sie damit den mühsamen Prozess des Billetlösens umgehen kann.
    Sie besitzt nämlich weder ein Handy, noch einen Internteanschluss und wenn sie Auskunft über eine etwas kompliziertere Zugsverbindung haben muss, ruft sie mich an, damit ich ihr das „mal schnell im Internet nachschaue“.

  9. @Mia
    ich wünschte, alle Mütter wären so klug (auch die Väter), statt über zu hohe Tarife zu jammern.

  10. @ Mia / Raffnix
    Ich hatte mich bereits andernorts und in einem anderen Zusammenhang darüber geäussert, dass ein GA mehr ist als nur ein pauschales Billett, unter anderem eben auch das „sorglose“ Einsteigen.

    Trotzdem: Sich fast genötigt zu sehen, ein GA zu kaufen nur um den Schwierigkeiten des Billettkaufs zu entgehen, kann es ja auch nicht sein.

    Und: Die Tochter anrufen zu müssen um eine Auskunft zu erhalten, spricht auch Bände. Man sieht auf den Bahnhöfen ja kaum mehr SBB-Angestellte, die man fragen könnte – abends sowieso nicht…

  11. Zum GA: Frau Tochter hat eins, weil sie ihre Lehre im 40 km weit entfernten Chur macht. Weil ich sowohl für Lesungen wie auch privat mit dem ÖV unterwegs bin und es ja bekanntermassen Familienrabatt gibt ab 2 GAs pro Familie haben wir das durchgerechnet. Fazit: Finanziell lohnt es sich nicht. Man muss schon SEHR viel Bahnfahren, um die Kosten herauszuholen. Frau Tochter zahlt im Vergleich zum Streckenabo 900 Franken drauf, einen Betrag, den sie nicht vollumfänglich wieder „hereinholt“, aber er ist ihr das GA wert. Ich würde (trotz Verbilligung) ca. 1000 CHF drauflegen – und das ist es mir nicht definitiv nicht wert. Also löse ich mein Ticket weiterhin am Vortag (weil ich am Morgen wegfahre, bevor der Schalter öffnet und zum Teil so komlizierte Routen abfahre, dass der Automat und ich davor kapitulieren). Ich bin für nicht wenige meiner Reisen auf Beratung am Schalter schlicht und einfach angewiesen, trotz Internet.

    Dass Eltern ihre Kinder anrufen, wenn sie Infos brauchen ist heute gang und gäbe. Nicht nur wegen der SBB. Viele Anbieter bieten einen Teil ihres Service nur noch online an. Da heisst es dann für die ältere Generation: Kinder fragen! Das gilt übrigens auch für Leute aus meiner Generation, die keine Kreditkarte haben ;-). Ich bestelle öfter mal per Netz etwas für andere.

    Vielleicht sollte man sich wieder einmal bewusst machen, dass es Leute ohne Internet gibt, und dass es immer noch ein Recht ist, kein Internet zu haben. Frau Tochter gehört übrigens zu der Generation, die problemlos durchs Internet turnt. Sie sagte mir kürzlich, dass sie höchstens noch ein Mal pro Woche im Netz ist. Weil sie viel lieber real lebt. Aus dem gleichen Grund verzichtet sie auf ein Smartphone, wobei „verzichten“ das falsche Wort ist; sie steht auf Kriegsfuss mit ihnen, weil es sie nervt, lauter Menschen zu sehen, die sich permanent über diese Maschinen beugen oder sie ihr sogar vor die Nase halten und schreien „guck mal“. Ich finde so etwas total ermutigend und hoffe, dass sich daraus ein Trend entwickelt. Internet und Smartphones in Ehren. Aber die totale Abhängikeit von dieser Technik muss nun wirklich nicht sein.

  12. @Alice,
    die Einstellung der Frau Tochter ist mir sehr sympathisch 🙂 ich dachte schon, ich wäre bald der einzige Mensch, der kein Smartphone besitzt, weil er ausdrücklich keins besitzen will und überhaupt auch gerne mal ohne Handy irgendwohin geht… weil ich ganz da wo ich bin sein will, und für die Menschen mit denen ich dann zusammensein bin, ganz da sein will. Ich hasse es, mit Leuten zusammenzu sein, die in Anwesenheit anderer ständig auf ihrem Handy rumtippen oder telefonieren. Man kann’s ja auch mal ausschalten.

  13. @Mia: Ich habe zwar ein Handy (uralt, kann nicht mal Fotos machen), aber es ist (ausser auf Lesetouren) immer ausgeschaltet. Ich brauch’s schlicht und einfach nicht. Aus den gleichen Gründen wie du. Meine Tochter sagt dasselbe wie du: Sie hasst es, wenn Leute in ihrer Anwesenheit ständig auf dem Handy rumtippen. Sie sagt, wenn sie es diesen Leuten nicht wert ist, mit ihr zu reden und sich mit ihr auseinanderzusetzen, wenn sie zusammen sind, pfeift sie ganz auf deren Gesellschaft. Ich kenne das Problem weniger. Irgendwie scheint fast mein ganzes Umfeld ähnlich zu ticken wie ich.

    Sorry, war ein wenig off-topic, musste aber auch einmal gesagt werden. Um auf das Thema zurückzukommen: Da ich ziemlich viel Zeit an Bahnschaltern verbringe, stelle ich fest, dass es ziemlich viele Leute hat, die den online SBB-Fahrplan nicht kennen und sich die Tickets auf ganz altmodische Art am Schalter kaufen.

  14. @ Mia/Alice
    Offtopic: Habe leider jenes Bild nicht mehr gefunden, auf welchem einige draussen um einen Tisch sitzen, ein Bier vor sich haben und an ihrem Smartphone herumdrücken…

    Zum Thema: Den Online-Fahrplan kennen wahrscheinlich schon viele. Aber wer kennt die heutigen Kaufmöglichkeiten online oder sind einfach unsicher und habe noch eine Frage?

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