Was kostet eigentlich die Produktion und der Vertrieb eines Buches? Und wie viel verdient eine Autorin oder ein Autor an einem Buch?
Das sind Fragen, mit denen die Schweizer Stimmbürger sich nicht auseinandersetzen müssen sollten. Da sich diese Stimmbürger aber am kommenden 11. März über die Buchpreisbindung äussern werden – und da insbesondere seitens Befürworter immer wieder betont wird, dass diese Buchpreisbindung den Autoren zugute käme – sind die genannten Fragen sicherlich legitim.
Etwas Transparenz
Eine pauschale Antwort dazu gibt es aber nicht. Einzelne Beispiele werden auch keine genannt. Das ist dann etwa so, wie wenn über Mindestlöhne abgestimmt werden müsste, nur nennt niemand die Höhe der Mindestlöhne, weder pro Branche noch pro Berufsbild.
Einer, der gegen die Buchpreisbindung ist, hat dennoch geplaudert und liefert ein konkretes Beispiel: Markus Schneider vom Echtzeit-Verlag rechnet in diesem Beitrag anhand des biografischen Buches «Erfinder der modernen Schweiz» über Ulrich Ochsenbein vor, wie es sich mit dem Preis verhält.
Er hat die einzelnen Zahlen in Sätze verpackt, wodurch sie nicht besonders klar hervortreten. Auf der Basis seines Artikels seien darum nachfolgend die verschiedenen Zahlen tabellarisch dargestellt, wobei einige der Prozent- und/oder Frankenbeträge abgeleitet beziehungsweise errechnet wurden:
Produktions- und Vertriebskosten, inkl. Gewinnmarge, ohne MwSt (2,5 %) |
CHF 17.10 | |
Produktions- und Vertriebskosten, inkl. Gewinnmarge, mit MwSt (2,5 %) |
CHF 17.52 | 36,5 % |
Autorenentschädigung | CHF 4.80 | 10,0 % |
Anfangsverkaufspreis (gegenüber dem Buch-/Zwischenhandel) |
CHF 22.32 | 46,5 % |
Marge Buch- und/oder Zwischenhandel | (CHF 25.68) | (53,5 %) |
Empfohlener Endverkaufspreis Buchverlag (gegenüber «Endabnehmer/-innen») |
CHF 48.00 | 100,0 % |
Davon ausgehend, dass der empfohlene Endverkaufspreis (auch «Listenpreis» genannt) des Echtzeit-Verlags im Falle einer Buchpreisbindung dem «Endverkaufspreis» des fraglichen Gesetzes entspricht, fiele dem Buch- oder Zwischenhandel somit rund 25 Franken oder mehr als der Hälfte des Endverkaufspreises von 48 Franken zu.
Exlibris verkauft dieses Buch für 38 Franken 40, inklusive Mehrwertsteuer und Portokosten. Rechnen wir das einmal soweit durch, wie das mit Angaben von oben und mit gewissen Annahmen möglich ist:
Endverkaufspreis Exlibris (inkl. MwSt + Versandkosten) |
CHF 38.40 |
./. Portokosten (zu angenommenen Sonderkonditionen) | CHF -6.00 |
Zwischentotal | CHF 32.40 |
./. Mehrwertsteuer (2,5 %) | CHF -0.79 |
Zwischentotal | CHF 31.61 |
./. Kosten für Verpackungsmaterial (Annahme) | CHF -1.50 |
Zwischentotal | CHF 30.11 |
./. Betriebskosten (Lager, Personal, Energie, …) inkl. Gewinnmarge | CHF -7.79 |
Anfangsverkaufspreis gegenüber dem Buch-/Zwischenhandel (siehe oben) |
CHF 22.32 |
Exlibris bleiben somit unter gewissen Annahmen (Porto, Verpackung, Einkauf direkt beim Echtzeit-Verlag) knapp 7,80 Franken um die eigenen Kosten inklusive einer vermutlich geringen Gewinnmarge zu decken.
Bescheidene Entschädigung
Gemäss Schneider hat der Autor des Buches, Rolf Holenstein, fünf Jahre lang an den über 650 Seiten dieses gebundenen Buches gearbeitet. Er, Holenstein, würde mit der aktuellen Auflage von 3000 Exemplaren gerade einmal 14‘400 Franken verdienen. Damit käme der Autor quasi rückwirkend auf die letzten fünf Jahre auf ein Monatsgehalt von bescheidenen 240 Franken, womit er vermutlich gerade einmal seine Auslagen decken kann.
Unbezahlt bleibt der ideelle Wert dieser Biografie. Ohne Holensteins Arbeit und Ausdauer würde Ulrich Ochsenbein wohl heute noch verschmäht, Gründungsvater der modernen Schweiz hin oder her.
Diese idelle Arbeit bliebe auch bei einer Buchpreisbindung unbezahlt. In diesem konkreten Fall bekäme der Autor Holenstein weiterhin nur 10 Prozent des heute empfohlenen oder des zukünftig diktierten Endverkaufspreises (die 10 Prozent sind eine Vereinbarung zwischen Verlag und Autor und keineswegs etwa eine gesetzliche Pflicht).
Bei den Preisen in der ersten Tabelle oben würden wie erwähnt rund 25 Franken im Buch- oder Zwischenhandel versickern. Aber: Im Falle einer Buchpreisbindung läge es beim Echtzeit-Verlag, den Anfangsverkaufspreis gegenüber dem Handel als auch den Endverkaufspreis gegenüber den «Endabnehmer/-innen» festzulegen. Verdreifachen wir darum doch einfach einmal Holensteins Entschädigung ohne den End-, dafür aber den Anfangspreis zu ändern:
Produktions- und Vertriebskosten, inkl. Gewinnmarge, mit MwSt (2,5 %) |
CHF 17.52 | (wie oben) |
Autorenentschädigung | CHF 14.40 | (3 x CHF 4.80) |
Anfangsverkaufspreis (gegenüber dem Buch-/Zwischenhandel) |
CHF 31.92 | |
Marge Buch- und/oder Zwischenhandel | CHF 16.08 | |
Empfohlener Endverkaufspreis Buchverlag (gegenüber «Endabnehmer/-innen») |
CHF 48.00 |
Entsprach vorher der Anteil, welcher im Buch- oder Zwischenhandel versickerte, mehr als der Hälfte des Endverkaufspreises (rund 25 Franken), liegt er nun mit rund 16 Franken bei einem Drittel (oder rund 37 Prozent tiefer als vorher).
Wäre damit das Problem der schlecht bezahlten Autor/-innen gelöst?
Das fragliche Bundesgesetz über die Buchpreisbindung zwingt niemanden, ein Buch zu verkaufen. Es macht keinerlei Vorgaben gegenüber dem Buch- oder Zwischenhandel. Letzterer wird darum nach ökonomischen und nicht etwa nach ideellen oder inhaltlichen Kriterien Bücher vertreiben.
Im Klartext: Wenn dem Buch- oder Zwischenhandel nur noch 16 statt 25 Franken entgegen winken, würde ein solches Buch dann überhaupt noch von diesem Handel verkauft werden wollen?
Würde der Handel nicht jene Bücher verkaufen wollen, bei dem die Marge am grössten ist? Klar doch! Ein Buchverlag würde sich deshalb ins eigene Fleisch schneiden, wenn er dem Buch- und Zwischenhandel zu wenig «Luft» liesse. Ihm die Möglichkeit in die Hand zu geben, den Anfangs- und Endverkaufspreis festzulegen, ist somit Fluch und Segen zugleich.
Als Alternative böte sich an, den Endverkaufspreis entsprechend der höheren Autorenentschädigung anzuheben. Damit Holenstein für seine fünfjährige Arbeit 14 Franken 40 pro Exemplar bekäme, müsste der Endverkaufspreis um fast zehn Franken auf 57 Franken 60 angehoben werden.
Die Folgen dieses höheren Preises sind nur schwer abschätzbar. Wer unbedingt mehr über Ulrich Ochsenbein wissen will, der würde zwar auch 57 Franken 40 für dessen Biografie bezahlen. Wer hingegen einfach nur an Biografien spannender Persönlichkeiten interessiert ist, der schaut auf den Preis und kauft wo möglich ein günstigeres Buch mit einer anderen Biografie. Wie hoch der Anteil der einen oder anderen Käufergruppe ist, kann kaum vorausgesagt werden.
Schlechte Konditionen branchenüblich
Mit einer Entschädigung von zehn Prozent auf der Basis des empfohlenen Listenpreises gehört Rolf Holenstein zu den glücklicheren Autoren. Nicht selten liegen diese nämlich auch nur im einstelligen Prozentbereich.
Zudem werden diese Entschädigungen manchmal auf der Basis des tatsächlichen Endverkaufspreises berechnet. Mit der Buchpreisbindung und dementsprechend höheren Preisen könnten vordergründig zwar quasi die Saläre der Autorinnen und Autoren angehoben werden.
Doch auch hier stellt sich die Frage, ob sich ein Taschenbuch für zwölf Franken nicht besser verkaufen liesse als eines für 18 Franken. Es kann sein, dass eine Autorin oder ein Autor mehr an einem günstigen Buch verdient, weil dieses dank günstigem Preis einen besseren Absatz findet als ein teureres Buch.
Übrigens: Wenn ein Verlag ein Buch ohne Zwischenhandel direkt an die «Endabnehmer/ -innen» verkaufen kann, fällt die ganze Marge des Buch-/Zwischenhandels ihm zu (im Beispiel oben die 25 oder 16 Franken). Eine Regelung, wonach die Autor/-innen wenigstens bei diesen Direktverkäufen ohne Buch- oder Zwischenhandel mehr erhalten würden, scheint es hingegen nirgends zu geben.
Ob hierzu vielleicht der Echtzeit-Verlag den Anfang machen würde?
P.S. Alle Angaben natürlich ohne Gewähr.