Als Teil eines Veränderungsprozesses ist man sich dessen oftmals gar nicht richtig bewusst. In den letzten Wochen hat sich die Welt so stark verändert, dass es noch Jahre brauchen wird, sich der Auswirkungen bewusst zu werden. Das gilt im Besonderen auch bezüglich Reformbedarf bei den internationalen Organisationen.
Es geschehen wundersame Dinge in diesen Tagen. In der arabischen Welt ist das «Revolutionsfieber» ausgebrochen. Nach anfänglich schnellen und völlig unerwarteten Erfolgen in Tunesien und Ägypten beisst sich bildlich gesprochen die Bevölkerung in anderen arabischen Ländern beinahe die Zähne ob den bisherigen Machthabern aus.
Auf gleicher Augenhöhe
Sollten diese Bürgerbewegungen nicht erfolgreich sein, dürfte trotzdem nicht wieder die alte Ordnung zurückkehren. Diese Bewegungen liefern den Nährboden für eine Opposition, welche es vorher teilweise nicht gab und dies vermutlich auch deshalb, weil niemand ahnte, wie stark der Wille für Veränderungen innerhalb der Bevölkerung war.
Jetzt weiss man es. Jetzt weiss man es auch in anderen Ländern. Und jetzt weiss man es insbesondere auch in den so genannten Ländern des Westens. In Letzteren wurde in den letzten zehn Jahren (subtil) der arabische Raum mit dem Islam und der Islam mit Terrorismus gleichgesetzt.
Dass den Menschen im arabischen Raum anderes mindestens so wichtig wie die Religion ist – und womit die im Westen weit verbreitete Diabolisierung des arabischen Raums ungerechtfertigt ist – hat sich nun mit diesen Aufständen gezeigt.
Wundersame Dinge geschahen in diesen Tagen auch auf der internationalen Polit-Bühne. Noch vor einem Monat waren der italienische Ministerpräsident Berlusconi und der libysche (Noch-) Machthaber Gaddafi die besten Freunde. Und heute stellt Italien sieben Militärbasen für militärische Aktionen gegen Gaddafis Truppen bereit.
Doch nicht nur das ist erstaunlich. Bemerkenswert ist auch, wie die Arabische Liga, die Amerikaner und die Europäer sich in Sachen Libyen einig sind, dass die bisher immer vorpreschenden Amerikaner und Europäer diesmal aufs grüne Licht aus der arabischen Welt warteten und dass arabische Länder bei militärischen Aktionen eingebunden werden sollen. Es scheint, dass man am gleichen Strick zieht und dass man endlich auf gleicher Augenhöhe miteinander spricht.
Veraltete Organisationen
Demgegenüber glänzen die NATO-Mitglieder mit Uneinigkeit. Nicht die NATO an sich hat bisher Luftangriffe gegen Einrichtungen der libyschen Luftwaffe geflogen, sondern einzelne Nationalstaaten. Das überrascht, denn noch vor wenigen Tagen konnte man hören, dass die NATO bereit wäre, für eine Flugverbotszone über Libyen zu sorgen, vorausgesetzt es läge eine UNO-Resolution vor.
Jetzt, wo sie vorliegt, ist die NATO nicht bereit. Dass man in Brüssel während Tagen die Hände in den Schoss gelegt hatte ist ebenso unwahrscheinlich wie die Aussage anderer Länder, wonach diese für militärische Angriffe noch nicht bereit seien und dies obwohl sie sich schon vor Tagen vorsorglich in Stellung gebracht hatten.
Die NATO, ein Militärbündnis der westlichen Industrienationen, ist ein Relikt aus dem Kalten Krieg. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist der für alle beteiligten Länder unbestrittene Feind, die damalige UdSSR, weggefallen.
Die Denkweise ist hingegen immer noch die gleiche geblieben. Man hat es verpasst, die Optik zu öffnen und ein internationales Bündnis zu schaffen, in welchem auch arabische, russische oder asiatische Truppen Platz finden. Stattdessen sind es weiterhin Amerikaner und Europäer, welche versuchen, in Afghanistan oder nun eben in Libyen etwas zu erreichen. Und wenn das in diesem veralteten Rahmen nicht gelingt, greifen die einzelnen Nationalstaaten an…
Neue Organisationen für eine neue Weltordnung?
Auch eine UNO hat sich nicht weiterentwickelt. Die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrat, welche als einzige über ein Veto-Recht verfügen, sind mit den USA, China, Russland, Frankreich und England doch ziemlich West-lastig. Südamerika, Afrika, der arabische Raum oder Indien (mit über einer Milliarde Einwohnern) stellen kein ständiges Mitglied dieses Rats.
Im Zuge der Veränderungen im arabischen Raum wird es dringend notwendig sein, diese (wie auch andere) veraltete, im Nachgang zum Zweiten Weltkrieg entstandene Organisation abzulösen oder massiv umzubauen. Die Reformbemühungen bei der UNO haben bisher allerdings wenig gebracht.
Globale Ethik
In diesem Zusammenhang sei hier (nochmals) der Auftritt des ehemaligen britischen Premierministers Gordon Brown am TEDGlobal 2009 gezeigt, bei welchem er für eine globale Ethik fernab von Religionen, Herkunft oder anderen Kriterien plädiert.
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Spannungsfeld Globale Ethik/Nationale Interessen
In diesem zweiten Video stellt sich Gordon Brown den Fragen zum Spannungsfeld Globale Ethik/Nationale Interessen.