Arbeitgeber als Gesundheitskostengeneratoren

Inzwischen wissen wir: Die angekündigte pandemische Grippe (H1N1) ist (mit Ausnahme der Risikogruppen) so harmlos, dass sie nicht einmal einen Arztbesuch erfordert. Die Sache hat für Arbeitnehmer nur einen Haken: Ihre arbeitsrechtlichen Verpflichtungen…

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt auf seiner eigens für diese Pandemie eingerichteten Website www.pandemia.ch im Erkrankungsfall das folgende Verhalten:

Wenn Sie mehrere Grippesymptome verspüren, bleiben Sie auf jeden Fall zu Hause. So verhindern Sie, dass die Krankheit weiter übertragen wird.

Kurieren Sie Ihre Grippeerkrankung vollständig zu Hause aus. Warten Sie mindestens 1 Tag bis nach Abklingen der Symptome, bis Sie wieder in den Alltag zurückkehren.

Der folgende «10vor10»-Beitrag vom 4. August 2009 zeigt jedoch, dass die Empfehlung des BAG gar nicht so einfach umzusetzen ist:

Warum nur jetzt «kulant» sein?

Gemäss diesem Bericht sollen sich die Arbeitgeber kulant zeigen, was die Arztzeugnis-Pflicht betrifft. In der Augenreiberei fragt man sich indes: Warum soll diese «Kulanz» nur für die bevorstehende Pandemie gelten?

In den meisten Fällen zeigt sich eine Grippe auch in Form von Erkältungssymptomen. Wer seinen Chef anruft, tut dies dann zumeist mit verklärter Stimme und verstopfter Nase. Dass Sie dann erkrankt sind, erfahren – oder besser gesagt – «erhöhren» diese dann auch ohne Arztzeugnis.

Und sollten Sie ein mutmasslicher Simulant sein, kann der Arbeitgeber ohnehin auch schon bei einem Tag Abwesenheit ein ärztliches Zeugnis verlangen. Das dürfte allerdings bei den meisten nicht der Fall sein. Deshalb nochmals: Warum soll man bei einer Grippeerkrankung zwingend nach beispielsweise drei Tagen ein Arztzeugnis vorweisen müssen?

Arztzeugniszwang führt zu höheren Gesundheitskosten

Diese Frage ist insofern relevant, als dass dadurch Kosten generiert werden. Viele Grippeerkrankten würden gar nicht erst zum Arzt gehen, wenn sie dies nicht wegen des fraglichen Arztzeugnisses müssten. Stattdessen zwingt sie ihr Arbeitgeber zu einem Arztbesuch, ohne dass dieser sich jedoch an den dabei entstehenden Kosten beteiligt.

Je nach abgeschlossener Versicherung (Franchise) trägt dann die Allgemeinheit diese Kosten mit. Damit wären wir wieder beim Thema der hohen Gesundheitskosten. Durch diesen auferlegten Zwang dürften die Arbeitgeber somit mitschuldig sein an den heutigen Gesundheitskosten.

Wer den Gang zum Arzt vermeiden will und verpflichtet ist, beispielsweise ab dem vierten Tag ein Arztzeugnis zu präsentieren, der geht dann einfach trotzdem arbeiten – nur halbwegs genesen. Solche Arbeitnehmer sind nicht nur wenig produktiv und gefährden die Arbeitssicherheit aufgrund der eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit, sie stecken vor allem auch andere Mitarbeiter an.

Und Simulanten sind intelligent genug, kurz vor dieser Pflicht wieder die Arbeit aufzunehmen und zugleich nicht zu häufig zu fehlen (oder zu simulieren). Auch daher bringt die für alle Arbeitnehmer gleichermassen verordnete Arztzeugnis-Pflicht nichts – ausser höhere Gesundheitskosten.

Pauschales Misstrauen

Ohnehin mag diese Pflicht gegenüber den Arbeitnehmern erstaunen, welche durchaus auch als Misstrauen verstanden werden kann.

Wir leben aber in einer Gesellschaft, in welcher ein gewisses Vertrauen in den Einzelnen vorausgesetzt wird. Das beginnt im Alltag zum Beispiel in einem Lebensmittelgeschäft, in welchem jeder selber seine Früchte auf die Waage legt und auf die entsprechende Nummer drückt, um eine Preisetikette zu generieren. Noch nie hat man in der Augenreiberei davon gehört, dass eine Kontrolle durchgeführt und dabei festgestellt wurde, dass missbräuchlich eine Nummer eines günstigeren Produkts verwendet wurde oder dass man mit dem Gewicht geschummelt hätte.

Dieses Beispiel mag banal erscheinen, doch es gibt auch andere, wesentlich relevantere. Nehmen Sie Ihre Steuererklärung, welcher Sie heutzutage häufig nur noch gerade den Lohnausweis beilegen müssen. Ob die Angaben über Ihr Vermögen oder Ihre Nebeneinkünfte (Zinsen etc.) tatsächlich stimmen, weiss die Steuerverwaltung nicht. Sie kann im Zweifelsfall zwar weitere Belege anfordern, doch in aller Regel vertraut sie darauf, dass Ihre Angaben richtig sind.

Realitätsfremde Pflicht

Wenn somit eine Steuerverwaltung ein so hohes Vertrauen in Sie setzt, von dem schlussendlich die Steuereinnahmen unseres Staatswesen abhängig sind, weshalb setzen dann Arbeitgeber nach x Tagen Abwesenheit ein generelles Misstrauen gegen die gleichen Personen voraus?

Gewiss dürfte eine Arztzeugnispflicht nach einigen Tagen angebracht sein. Nur entsprechen die meisten der heutigen Regelungen wohl kaum der Realität. Wer grippeerkrankt – und das kann bei besonders exponierten Personen mindestens einmal jährlich vorkommen – der steht bestimmt nicht nach drei Tagen bereits wieder an seinem Arbeitsplatz.

Zugleich sollte es aber doch auch möglich sein, eine ganz normale Grippe auszukurieren, ohne dafür unnötigerweise zum Arzt rennen zu müssen. Wer dies trotzdem verlangt, dem scheint es am nötigen Vertrauen in seine Mitarbeiter zu fehlen… 

Etwas mehr Kulanz besonders während der üblichen Grippeperiode wäre – auch ohne Pandemie – nur schon volkswirtschaftlich durchaus sinnvoll.

2 Antworten auf „Arbeitgeber als Gesundheitskostengeneratoren“

  1. sehr richtig, titus. auf die gefahr hin, einen gemeinplatz abzusondern: auf der einen seite bringen die gesetzesverstösse der ubs-manager in den usa die schweizer volkswirtschaft in schieflage, milliarden müssen durch uns alle aufgeworfen werden. auf der anderen seite wird wegen jedem fränkli ein totales gschiess gemacht. so auch hier, wo es ja darum geht, dass ja niemand durch die maschen der arbeitszeitkontrolle schlüpft.

  2. Richtig, wobei es nicht unbedingt nur Banker sein müssen, welche irgendwo Millionen «verheizen». Wir alle machen bei der täglichen Fehler, welche dann irgendjemand in Franken beziffern kann.

    Nur – Kontrollen gibt’s häufig nur in den unteren Reihen, selten in den oberen, wo die Konsequenzen eben umso stärker aufs Firmen-Portemonnaie schlagen…

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