Dümmer geht’s nimmer

Eigentlich ist die Sache keine Zeile wert. Und doch: Darüber zu schweigen könnte als stillschweigende Zustimmungen verstanden werden. Die Rede ist vom Vorschlag, mit militärischen Mitteln die beiden in Libyen festgehaltenen Schweizer zu befreien.

Aus den Reihen der Lega dei Ticinesi kommt die Forderung, die Tessiner Regierung solle sich in Bern dafür stark machen, die beiden in Libyen festgehaltenen Schweizer mittels einer militärischen Blitzaktion zu befreien. Zudem, so Lega-Grossrat Boris Bignasca (siehe Bild), dürfe es die Schweiz nicht zulassen, dass sie in ihrer Souveränität im Rahmen von Libyens «Ausplitterungsvorschlag» angegriffen werde.

Dieser Vorschlag und dessen Begründung sind – mit Verlaub – die so ziemlich dümmsten Äusserungen, welche man in der Augenreiberei seit Jahren je gehört hatte und zwar aus den folgenden (wohl nicht abschliessenden) Gründen:

1. Souveränität vs. Souveränität

Auf der einen Seite moniert die Lega, unsere Souveränität wäre angegriffen worden. Auf der anderen Seite würde bei einer militärisch geführten Aktion die Souveränität Libyens angegriffen.

Der Unterschied dabei ist, dass der Aufsplitterungsvorschlag seitens Libyen ohnehin keine Chance vor der UNO hätte und nichts als lautes Gebrüll eines verletzten Machthabers ist, dass aber eine militärische Aktion etwas Reales und nicht nur lautes Gebrüll ist. Dann hätten wir, die ach so neutrale Schweiz, Verteidigerin der Menschenrechte, die Souveränität eines anderen Landes verletzt.

Da jedoch auch dieser Vorschlag wenig Chancen hat, sind auch Bignascas Worte nichts weiter als lautes Gebrüll und schon gar nicht lösungsorientiert (sollte vielleicht einmal in der Bundesverfassung festgeschrieben werden, dass politische Parteien lösungsorientiert zu sein haben?).

2. Befreiung von Gaddafis Sohn Hannibal

Unsere Souveränität wäre dann angetastet worden, wenn libysche Kräfte Gaddafis Sohn Hannibal in Genf von den Justiz- und Polizeibehörden befreit hätten. Das geschah jedoch glücklicherweise nicht.

Ein solches Vorgehen hätte uns ziemlich vor den Kopf stossen und genauso wäre es umgekehrt, wenn also Schweizer Kräfte in Libyen etwas unternehmen würden.

3. Rechtsstaatlichkeit

Wir haben mit der ganzen Angelegenheit auch deshalb Mühe, weil in Genf rechtsstaatliche Prinzipien in Frage gestellt werden. Und nun soll sich ausgerechnet die Schweiz um Rechtsstaatlichkeit foutieren und militärisch Vorgehen?

4. Fähigkeiten der Schweizer Armee

Die Schweiz ist ja nicht einmal in der Lage, eine eigene Mission zum Schutz der unter Schweizer Flagge fahrenden Schiffe vor der somalischen Küste vor Piraten zu schützen, sodass wir uns nur einer anderen europäischen Einheit anschliessen können.

Wie will da unsere teure Schweizer Armee eine solche Aktion in einem Land schaffen, über welches selbst unser Bundespräsident nicht sehr viel Ahnung zu haben scheint?

5. Folgen eines solchen Vorgehens

Würde die Schweiz wie vorgeschlagen vorgehen, würde es wohl nicht lange dauern bis Vergeltungsschläge seitens Libyen folgten – gegen was für Einrichtungen auch immer.

Die Seele der Gaddafis kocht heute schon, wie auch dieses Interview hier zeigt und weshalb man auch in der Augenreiberei schon den Verdacht äusserte, dass es beim Merz’schen Kniefall auch um die Verhinderung einer möglichen Bedrohung der eigenen Sicherheit gehe.

Zudem wäre es auch das falsche Signal an andere, «zivilisierte» Staaten, welche neuerdings dann nicht mehr auf die Rechtsstaatlichkeit der Schweiz zählen könnten.

So würden internationale Organisationen ihren Sitz zum Beispiel nach Österreich verlegen – um nur ein Beispiel der Folgen zu nennen. Und die Amerikaner kämen dann die Bankkundendaten im Rahmen einer militärischen Blitzaktion holen und Peer Steinbrück schickte die Kavallerie los… 😉

 

Beunruhigend an diesem «Vorschlag» ist auch, dass er ausgerechnet von einem Studenten der Rechtswissenschaften kommt. Da wächst ja eine tolle neue Generation von Rechtswissenschafter heran…

Man ist ob diesen dummen Äusserungen aus dem Tessin fast versucht, den Votanten in die Wüste zu wünschen – in die libysche Wüste zu wünschen – oder ihn gegen die beiden festgehalten Schweizer auszutauschen…

Doch auch das wäre der falsche Weg und ist nicht korrekt. Wir werden aus dieser Krise gestärkt, mindestens aber weiser hervorgehen. Es gilt aber, trotz kochender Volksseele ruhig Blut zu bewahren und unsere Handlungen und Worte gegenüber Libyen mit Bedacht zu wählen.

Bildquelle: www.ti.ch

5 Antworten auf „Dümmer geht’s nimmer“

  1. Dümmer geht’s nimmer

    Ich glaube, Titus, so dumm wäre das nicht. Hier treffen zwei Kulturen aufeinander. Die eine versteht nur Gewalt und Erpressung, die andere hat eine Konfliktösungsstrategie unter Staaten entwickelt. Bei uns verhindert das weitere Kriege unter Staaten in Europa (Jugoslawien mal ausgenommen). In der anderen Kultur, sagen wir mal in diesem Zusammenhang, der Beduinenkultur, wird nur der Starke verstanden. Darum – und nur darum – kann sich Gaddhafi auch an der Macht halten.

    Im geschichtlichen Zusammenhang geht es doch darum, dass Hochkulturen die Tendenz haben, zu verweichlichen, worauf die ursprünglichen Kulturen sich mit brachialer Gewalt durchsetzen. Ich erinnere an Tamerlan, Tschingis Khan, die Völkerwandung mit dem Sacco di Roma und dergleichen mehr. Dass wir nicht schon längst von neuen archaischen Horden überflutet worden sind, verhindert die atomare Aufrüstung. Was aber, wenn die „archaischen“ Völker, Nordkorea und Iran, die gleichen Machtmittel haben?

    Dies mal nebenbei. Als Bundesrat würde ich abschätzen, was wir mit Lybien verlieren können – das scheint nicht allzu viel zu sein, und dann handeln. Zwei Menschen, die sich im Lande – wie man hört – bewegen können, sind nicht allzu schwer aus diesem Land herauszuschmuggeln. Da braucht es zwei bis drei gewiefte Typen mit Beziehungen in Lybien, und die Sache ist geritzt. Ich wundere mich sehr, dass daraus überhaupt eine Staatsaffaire gemacht wird.

    – und denke, dass eine Mitgliedschaft bei der Europäischen Union halt doch seine gute Seiten hätte. Da wären sich unsere Bundesräte und die Regierungschefs schon längst regelmässig begebnet, es wäre möglicheweise eine Freundschaft entstanden und unser Bundespräsident hätte einfach mal kurz mit beispielsweise Sarkozy telefonieren können und sich von dem die geheime Telefonnummer von Ghaddafi geben lassen können. Darauf hätte ich als Bundespräsident mit Ghaddafi telefoniert, ihn darauf aufmerksam gemacht, dass auch der Koran die gute Behandlung von Hausangestellten postuliert und dass ich mit meinen Söhnen die gleichen Probleme habe. Da müsse ich halt denen auch mal zeigen „so der Bartli den Most holt“ und ob wir miteinander diese leidige Angelegenheit nicht bei einem Apfelsaft im Beduinenzelt zusammen erledigen könnten?
    So, etwas lang – aber es musste raus.
    En Gruess!
    Bruno

  2. Besten Dank für Deine Gedanken, Bruno.

    Ich bin nicht sehr belesen, was Libyen und dessen (durchmischte) Kultur angeht. Doch zwei Dinge habe ich gelernt:

    a) Nur weil der Machthaber auf Gewalt und/oder Unterdrückung setzt, muss nicht gleich das ganze Volk so sein. Gewalt und Unterdrückung dienen ja in der Regel jemandem dazu, an der Macht bleiben zu können. Das haben wir bei uns in der reichen Geschichte Europas unzählige Male erlebt, zuletzt «im grössen Stil» in den ehemaligen Ostblockstaaten.

    b) Stärke muss sich nicht alleine auf physische Stärke beschränken. Das, so wage ich zu behaupten, weiss man in allen Kulturen. Das kann aber auch Angst machen, denn insgeheimm wissen wir alle, dass dem mehr Ehre und Anerkennung zuteil wird, der auf nicht physischem Wege (also z. B. mit dem Intellekt) Stärke beweist.

    Der Bundesrat, oder besser gesagt die Schweiz, hätte sehr viel zu verlieren, siehe Punkt 5 oben. Wir sind keine USA mit irgendwelchen Navy Seals und wir haben keinen Bill Clinton, die man schnell mal losschicken kann.

    Der Gedanke, aus dem Land zu fliehen, kam mir auch schon. Doch angeblich sollen die beiden sich zwar frei bewegen können, stehen jedoch unter Dauerbewachung. Und wie Arnold Hottinger im oben verlinkten Interview sagte, würde Gaddafi dann einfach noch weiter gehen – und einfach den Schweizer Botschafter verhaften (und wenn’s dort eine Botschaft hat, dann gibt’s bestimmt noch mehr Schweizer).

    Die EU hätte uns meiner Meinung nach auch nicht weitergebracht. Denn angeblich soll hier ein Exempel statuiert werden, ganz im Sinne von «so geht man mit uns nicht um». Zudem wird die EU keine «Energie-Krise» riskieren wollen. Das Hätscheln von Gaddafi durch Sarkozy, Berlusconi & Co. zielt aber genau darauf ab, gut Freund mit dem Erdöl-Lieferanten zu sein. Da setzt man lieber nicht zu viel aufs Spiel…

  3. Als ich das erste mal von dieser Sache erfahren habe, dachte ich mir, wenn so was in den USA passieren würde, wäre die Sache ganz einfach…

    Der Gaddhafi wäre als Terrorführer bezeichnet worden und Libyen als Schurkenstaat, eine Gefahr für die Nationale Sicherheit(vor allem nach seinen Drohungen), beide wären dann wohl fortan auf den entsprechenden Listen der Homeland Security, der CIA und der NSA zu finden und… Nun die Geiseln ehh „Geschäftsleute mit einem Visaproblem“ wären ohnehin schon längst zuhause, zudem hätten sich die USA auch garantiert nicht dazu bringen lassen irgendwelche Verträge mit einem Terroristenführer eines Schurkenstaates zu unterzeichnen, anstatt eines Ministers wäre da vorher eine Cruise Missile angeflogen gekommen gefolgt von ein paar BlackOPS Helis… 😉

    Und was die „atomare Aufrüstung“ betrifft, hatte die Schweiz nicht auch mal vor sich ein paar Atombomben zu basteln? Schade hat es nicht geklappt, denn mittlerweile gehört es doch einfach dazu als Staat zumindest eine zu haben… Naja aber Libyen hat ja anscheinend auch keine, sonst hätte der Gaddhafi es ja nicht bedauert in der Schweiz keine zünden zu können… Und als ich letzteres gehört habe, dachte ich mir auch gleich noch „hey, der bedauert ja das selbe wie ich…“ *rofl*

  4. Vorab, schön, wieder einmal etwas von Dir zu lesen – obschon sich gewisse Gedanken von Dir unverändert sind…

    Was der Herr Gaddafi an Waffen hat – oder auch nicht – weiss wohl niemand so genau. Zwar sind im 2003 seine Pläne für eine eigene A-Bombe aufgeflogen. Doch woher kommen die Waffen, welche Libyen an die IRA geliefert hatte? Eben, so ganz sicher kann man sich nicht sein, was da alles (nicht) vorhanden ist…

  5. Nunja, solange sich die Situation bei mir nicht gross ändert, sind auch keine grossen Änderungen was die Gedanken betrifft zu erwarten… Momentan wird meiner Meinung nach ja nur hin und her geschoben und Zeit vergeudet – aber mal abwarten, denn am Ende kommt es ja nur drauf an wie das Ende dann eben ausfällt… Irgendwie ist das ja mit dieser Geiselsache ähnlich, wenn die dann erst zu Hause sind, interessiert den Rest ehh niemanden mehr, doch solange sie eben nicht zu Hause sind, bleibt die Sache heiss… 😉

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